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BVerwG - Entscheidung vom 04.08.2019

2 C 38.17

Normen:
RL 90/270/EWG Art. 9 Abs. 1
RL 90/270/EWG Art. 9 Abs. 3
RL 90/270/EWG Art. 9 Abs. 4
ArbSchG § 3
ArbSchG § 18
ArbSchG § 19
ArbMedVV § 5 Abs. 1
ArbMedVV § 5 Abs. Anh. Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 S. 4
LBG RP § 62
GVVergVO RP § 1 Abs. 3
RL 90/270/EWG Art. 9 Abs. 1
RL 90/270/EWG Art. 9 Abs. 3
RL 90/270/EWG Art. 9 Abs. 4
ArbSchG § 3
ArbSchG § 18
ArbSchG § 19
ArbMedVV § 5 Abs. 1
ArbMedVV Anhang Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 S. 4
LBG RP § 62
GVVergVO RP § 1 Abs. 3
RL 90/270/EWG Art. 9 Abs. 3
RL 90/270/EWG Art. 9 Abs. 4
GVVergVO RP § 1 Abs. 3
LBG RP § 62 Abs. 1
ArbMedVV § 5 Abs. 1
ArbSchG § 3

BVerwG, Urteil vom 04.08.2019 - Aktenzeichen 2 C 38.17

DRsp Nr. 2019/13277

Notwendigkeit einer nach augenärztlicher Feststellung speziellen Bildschirmarbeitsbrille als typische Aufwendung für die Gerichtsvollziehertätigkeit; Erstattung der Kosten der Bildschirmarbeitsbrille eines Gerichtsvollziehers

1. Die unionsrechtliche Vorgabe aus Art. 9 Abs. 3 und 4 der RL 90/270/EWG, wonach die Ausstattung eines Arbeitnehmers mit einer speziellen Sehhilfe in keinem Fall zu einer finanziellen Mehrbelastung des Arbeitnehmers führen darf, schließt es aus, einen Gerichtsvollzieher darauf zu verweisen, er habe die Kosten für eine Bildschirmarbeitsbrille aus dem von ihm erwirtschafteten, über seine Alimentation hinausgehenden Gebührenanteil zu finanzieren.2. Eine nach augenärztlicher Feststellung notwendige spezielle Bildschirmarbeitsbrille ist keine typische Aufwendung für die Gerichtsvollziehertätigkeit i.S.v. § 1 Abs. 3 GVVergVO RP.

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Juni 2017 wird aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 3. November 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

RL 90/270/EWG Art. 9 Abs. 3; RL 90/270/EWG Art. 9 Abs. 4; GVVergVO RP § 1 Abs. 3; LBG RP § 62 Abs. 1 ; ArbMedVV § 5 Abs. 1 ; ArbSchG § 3 ;

Gründe

I

Der Kläger, ein Obergerichtsvollzieher im Dienst des beklagten Landes, macht die Erstattung der Anschaffungskosten einer Bildschirmarbeitsbrille geltend.

Dem im Dezember 2015 gestellten Antrag, ihm die Anschaffung einer Bildschirmarbeitsbrille zu genehmigen und die Anschaffungskosten zu erstatten, hatte der Kläger drei Kostenvoranschläge und ein augenärztliches Attest zur Notwendigkeit einer solchen Brille beigefügt. Der Dienstherr lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Aufwendungen seien durch die zusätzlich zur Besoldung gezahlte Gerichtsvollziehervergütung abgegolten. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Die auf Neubescheidung gerichtete Klage hat vor dem Verwaltungsgericht Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen, weil der Kläger keinen Erstattungsanspruch habe. Der Kläger habe als Beamter zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Maßnahmen des Arbeitsschutzes und damit auf die beantragte Bildschirmarbeitsbrille, deren Kosten von 358 € auch angemessen seien. Gerichtsvollzieher bezögen aber über ihre Besoldung hinaus einen Anteil von 45 bis 55 v.H. aus dem von ihnen erwirtschafteten Gebührenaufkommen. Aus diesem Anteil hätten sie die typischen Aufwendungen für die Gerichtsvollziehertätigkeit zu finanzieren. Dazu gehörten die Büroeinrichtung und die Arbeitsmittel. Bei der Bildschirmarbeitsbrille handele es sich um ein Arbeitsmittel. Die Kosten hierfür seien auch keine unzulässige finanzielle Mehraufwendung im Sinne des Unionsrechts, da die Alimentation des Gerichtsvollziehers nicht betroffen sei, sondern nur sein darüber hinausgehender Gebührenanteil.

Mit seiner Revision beantragt der Kläger,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Juni 2017 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 3. November 2016 zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO , § 127 Nr. 2 BRRG , § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG , § 62 Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz - LBG RP - vom 20. Oktober 2010, GVBl. 2010, 319).

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers, ihm die Aufwendungen für die Anschaffung einer Bildschirmarbeitsbrille zu erstatten, ist § 62 LBG RP i.V.m. §§ 3 , 18 , 19 ArbSchG und § 5 Abs. 1 sowie Anhang Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768 ), zuletzt geändert durch Verordnung vom 15. November 2016 (BGBl. I S. 2549 - ArbMedVV -). Diese Vorschriften setzen die unionsrechtlichen Vorgaben für den bildschirmbezogenen Arbeitsschutz nach Art. 9 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 29. Mai 1990 - RL 90/270/EWG - (ABl. EG Nr. L 156, S. 14) in nationales Recht um.

Danach sind Beschäftigten im Rahmen der sog. Angebotsvorsorge nach § 5 Abs. 1 ArbMedVV von ihren Arbeitgebern oder Dienstherrn spezielle Sehhilfen für ihre Arbeit an Bildschirmgeräten zur Verfügung zu stellen, wenn das Ergebnis einer zuvor durchgeführten Angebotsvorsorge ist, dass eine spezielle Sehhilfe notwendig ist und normale Sehhilfen nicht geeignet sind (1.). Bei einer Bildschirmarbeitsbrille handelt es sich um eine spezielle Sehhilfe (2.), für die der Dienstherr beschaffungspflichtig ist (3.). Ein Kostenerstattungsantrag ist das statthafte Surrogat für den normativ vorgesehenen Anspruch auf Sachausstattung (4.).

1. § 62 Abs. 1 LBG RP bestimmt, dass die aufgrund der §§ 18 und 19 ArbSchG vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246 ) in der jeweils geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen Anwendung finden. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG sind die Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Arbeitgeber in diesem Sinne sind auch juristische Personen, die Beamte beschäftigen (§ 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG , vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 - 2 C 18.15 - Buchholz 421.20 Hochschulpersonalrecht Nr. 58 Rn. 47). Arbeitsschutzrechtlicher Arbeitgeber eines beamteten Gerichtsvollziehers ist unmittelbar das jeweilige Land als Dienstherr der dort beschäftigten Beamten (vgl. § 2 Nr. 1 BeamtStG , § 3 Abs. 2 LBG RP). Beschäftigte im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes sind auch Beamte (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG ). Die Verordnungsermächtigungen in den §§ 18 und 19 ArbSchG ermöglichen es, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, welche Maßnahmen der Arbeitgeber zu treffen hat.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge - ArbMedVV - i.d.F. vom 23. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3882 ) legt fest, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten arbeitsmedizinische Angebotsvorsorge nach Maßgabe des Anhangs anzubieten hat. Dieser Anhang bestimmt in Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 ArbMedVV , dass die Angebotsvorsorge bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten das Angebot auf eine angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens enthält. Erweist sich aufgrund der Angebotsvorsorge eine augenärztliche Untersuchung als erforderlich, so ist diese zu ermöglichen. Den Beschäftigten sind im erforderlichen Umfang spezielle Sehhilfen für ihre Arbeit an Bildschirmgeräten zur Verfügung zu stellen, wenn Ergebnis der Angebotsvorsorge ist, dass spezielle Sehhilfen notwendig und normale Sehhilfen nicht geeignet sind.

Nach Art. 9 Abs. 3 und 4 RL 90/270/EWG schließlich sind die Arbeitgeber verpflichtet, ihren Arbeitnehmern spezielle Sehhilfen für die Bildschirmarbeit zur Verfügung zu stellen, wenn die Ergebnisse der augenärztlichen Untersuchung der Augen und des Sehvermögens ergeben, dass spezielle Sehhilfen notwendig sind und normale Sehhilfen nicht verwendet werden können. Die dabei getroffenen Maßnahmen dürfen in keinem Fall zu einer finanziellen Mehrbelastung der Arbeitnehmer führen. Der in Art. 2 Buchst. a RL 90/270/EWG näher beschriebene Begriff des Bildschirms - als Schirm zur Darstellung alphanumerischer Zeichen oder zur Grafikdarstellung, ungeachtet des Darstellungsverfahrens - ist nach der Rechtsprechung des EuGH weit auszulegen (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2000 - Rs. C-11/99 - [ECLI: EU: C: 2000: 368] Dietrich, Slg. 2000, I-5589 Rn. 41).

2. Bei der Bildschirmarbeitsbrille handelt es sich um eine spezielle Sehhilfe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbMedVV i.V.m. Anhang Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 ArbMedVV sowie von Art. 9 Abs. 3 RL 90/270/EWG. Sie soll über einen großen Sehbereich für die kurzen und mittleren Distanzen verfügen und dadurch bei entspannter Körperhaltung eine deutliche Sicht auf Bildschirm und Tastatur ermöglichen.

Eine solche spezielle Sehhilfe ist ein besonderes Arbeitsmittel, das nach individueller augenärztlicher Feststellung erforderlich ist, um den Beamten vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen - hier der Augen und des Sehvermögens - am Arbeitsplatz zu schützen (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 2.02 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 121 S. 7). Es handelt sich um ein spezielles Hilfsmittel des persönlichen Sonderbedarfs, das sich von "besonderen, für die Gerichtsvollziehertätigkeit typischen Aufwendungen, insbesondere für die Einrichtung und den Betrieb des Büros" im Sinne von § 1 Abs. 3 Gerichtsvollziehervergütungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 8. Dezember 2015 (GVBl. 2015, 437 - GVVergVO RP -) unterscheidet. Solche für die Gerichtsvollziehertätigkeit typischen Aufwendungen des Allgemeinbedarfs sind etwa Kosten für Büroräume einschließlich etwaiger Nebenräume, Heizung, Strom und Wasser einschließlich Abwasserentsorgung, Reinigungskosten für Geschäftsräume, Büromöbel und Büromaschinen (z B. Kopierer, Faxgerät, Fernsprecheinrichtungen, Computer, Aktenvernichter), Computerhardware, Computersoftware, sonstige Büroausstattung (z.B. Lampen, Vorhänge, Teppiche), Bürokleinmaterial (z.B. Papier, Toner), Literatur, Grundgebühren für Telefon, Handy, Internetanschluss, für die Ausübung der Gerichtsvollziehertätigkeit notwendige Versicherungen (z.B. Haftpflicht, Hausrat, ggf. anteilige Gebäudeversicherungen), Wartung, Reparaturen und Instandsetzung, Schuldzinsen, die zur kreditfinanzierten Anschaffung von Büroeinrichtung zu entrichten sind, sowie Personalgemeinkosten (vgl. Leihkauff, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, 78. Update 12/2018, § 68 Vergütung für Gerichtsvollzieher Rn. 23).

Dagegen ist von § 1 Abs. 3 Satz 1 GVVergVO RP ein personenbezogener Sonderbedarf aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht erfasst.

3. Gemäß Art. 9 Abs. 3 RL 90/270/EWG, § 2 Abs. 2 ArbSchG , § 18 Abs. 2 ArbSchG , § 5 ArbMedVV i.V.m. Anhang Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 des Anhangs zur ArbMedVV steht der Dienstherr generell und ausnahmslos in der Pflicht, seinen Beschäftigten - seien es Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Personen oder Beamte (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 4 ArbSchG ) - spezielle Sehhilfen für die betreffende Arbeit zur Verfügung zu stellen, wenn dies nach den Feststellungen aufgrund augenärztlicher Untersuchung erforderlich ist. Den vom Oberverwaltungsgericht im Berufungsurteil angenommenen Ausschlussgrund - keine Pflicht zur Verfügungstellung der speziellen Sehhilfe aufgrund der besonderen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses eines beamteten Gerichtsvollziehers - kennen Unions- und Bundesrecht nicht. Der Dienstherr hat die speziellen Sehhilfen ohne Ausnahme allen für ihn tätigen Arbeitnehmern und Beamten mit augenärztlich festgestelltem persönlichem Sonderbedarf zur Verfügung zu stellen, ohne dass es auf die besondere Ausgestaltung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses ankommt (vgl. bereits OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Februar 2014 - 3 LD 1/13 - juris Rn. 96).

Für Gerichtsvollzieher sind die Regelungen zu den Bürokostenentschädigungen keine vorrangig zu beachtenden spezielleren gesetzlichen Regelungen im Verhältnis zu § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbMedVV zu Anhang Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 ArbMedVV . Die Anschaffungskosten für Bildschirmarbeitsbrillen sind keine "typischen Aufwendungen, insbesondere für die Einrichtung und den Betrieb des Büros einschließlich Personalkosten sowie bei Nachtdienst" i.S.d. § 1 Abs. 3 GVVergVO RP.

Unionsrecht - konkret: Art. 9 Abs. 3 und 4 RL 90/270/EWG - erfordert es, Anhang Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 ArbMedVV als einen Anspruch zu betrachten, der keinen Raum für Einschränkungen oder Pauschalierungen lässt. Insbesondere die Unzulässigkeit von finanziellen Mehrbelastungen ("in keinem Fall") gemäß Art. 9 Abs. 4 RL 90/270/EWG steht der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung entgegen. Dem arbeitsschutzrechtlichen Schutzzweck der Norm ist nur Rechnung getragen, wenn der Arbeitnehmer im konkreten Fall nicht überlegen muss, ob er sich die nach augenärztlicher Feststellung individuell notwendige spezielle Sehhilfe leisten kann oder nicht. Das ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber in allen Fällen die notwendige Sehhilfe für den Arbeitnehmer kostenfrei zur Verfügung stellt oder den Arbeitnehmern eine vollständige Kostenerstattung gewährt.

Dies gilt unabhängig davon, ob und inwieweit in die Bemessung der Bürokostenentschädigungen für Gerichtsvollzieher Aufwendungen für Bildschirmarbeitsbrillen der Gerichtsvollzieher selbst tatsächlich einfließen oder nicht. Sollten Aufwendungen für Bildschirmarbeitsbrillen tatsächlich pauschalierend berücksichtigt werden, entfällt der individuelle Anspruch des Gerichtsvollziehers aus Anhang Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 ArbMedVV dadurch nicht.

Damit verstößt der Rechtssatz des Berufungsurteils, aufgrund der besonderen Ausgestaltung ihrer Dienstverhältnisse seien Gerichtsvollzieher für die Einrichtung und den Unterhalt ihrer Büros und damit auch für die Anschaffung von Bildschirmarbeitsbrillen selbst verantwortlich, gegen Unionsrecht, weil er den Anwendungsvorrang von Art. 9 Abs. 3 und 4 RL 90/270/EWG verkennt (zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 70.11 - NVwZ 2012, 1472 Rn. 7 und vom 20. Juli 2017 - 2 C 31.16 - BVerwGE 159, 245 Rn. 18 m.w.N.). Darüber hinaus verletzt der vorgenannte Rechtssatz des Berufungsurteils § 2 Abs. 2 Nr. 4 , § 18 ArbSchG i.V.m. § 5 ArbMedVV und Anhang Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 ArbMedVV und damit höherrangiges Bundesrecht.

4. Die vom Kläger begehrte Kostenerstattung ist das Surrogat für den normativ vorgesehenen Anspruch auf Sachausstattung. Dies schließt es aus, dass nur ein Zuschuss zu den tatsächlich entstandenen oder notwendigen Aufwendungen gezahlt wird oder dass anderweitige zweckidentische Zahlungen angerechnet werden. Nach Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 90/270/EWG darf die Ausstattung der Arbeitnehmer mit der speziellen Sehhilfe in keinem Fall zu einer finanziellen Mehrbelastung der Arbeitnehmer führen. Mit dieser Vorgabe ist es nicht zu vereinbaren, wenn der Arbeitnehmer einen Teil der erforderlichen Aufwendungen im Ergebnis selbst tragen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 2.02 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 121 S. 7).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO .

Beschluss:

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 358 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG ).

Verkündet am 4. Juli 2019

Vorinstanz: VG Neustadt a.d.W., vom 03.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 458/16
Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 14.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 A 11804/16