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BVerwG - Entscheidung vom 12.02.2019

7 BN 2.18

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3
WHG § 55

BVerwG, Beschluss vom 12.02.2019 - Aktenzeichen 7 BN 2.18

DRsp Nr. 2019/4793

Klage gegen die Satzung eines Wasserverbands betreffend den Ausschluss der Abwasserbeseitigungspflicht für weite Teile des Verbandsgebietes

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2017 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3 ; WHG § 55 ;

Gründe

I

Die Antragsteller wenden sich gegen die Satzung des Antragsgegners, einem Wasserverband, über den Ausschluss der Abwasserbeseitigungspflicht für weite Teile des Verbandsgebietes. Sie sind Eigentümer von Grundstücken im Zuständigkeitsgebiet des Antragsgegners. Anfang des Jahres 2015 forderte der Antragsgegner die Antragsteller unter Berufung auf die Ausschlusssatzung auf, die auf ihren Grundstücken gelegenen Kleinkläranlagen bis Ende des Jahres 2015 mit einer biologischen Behandlungsstufe versehen zu lassen.

Auf den Normenkontrollantrag der Antragsteller hat das Oberverwaltungsgericht die Ausschlusssatzung des Antragsgegners für unwirksam erklärt. Die Satzung sei mit § 79a Abs. 1 Satz 1 WG LSA nicht vereinbar. Der vollständige oder teilweise Ausschluss der Abwasserbeseitigungspflicht zugunsten einer Beseitigung des Abwassers über Kleinkläranlagen beeinträchtige das Wohl der Allgemeinheit.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

II

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen.

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2017 - 7 B 3.16 - Buchholz 445.4 § 33 WHG Nr. 2 Rn. 8). Die Rechtsfrage und der Klärungsbedarf müssen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ).

Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die Fragen auf:

"Entspricht die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen unabhängig von weiteren landesrechtlichen Voraussetzungen nur dann dem Wohl der Allgemeinheit i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 1 WHG , wenn der Abwasserbeseitigungspflichtige eine Einzelfallprüfung auf Ausnahmesituationen vornimmt?

Folgt aus dem bundesrechtlichen Begriff des Wohls der Allgemeinheit gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 WHG ein genereller Vorrang der zentralen vor der dezentralen Abwasserbeseitigung für häusliches Abwasser?"

Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Der Senat lässt dahinstehen, ob das Oberverwaltungsgericht das Urteil ausschließlich auf die landesrechtliche Vorschrift des § 79a Abs. 1 Satz 1 WG LSA, mithin auf irrevisibles Landesrecht, dessen Nachprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO ), gestützt hat oder auch auf § 55 WHG . Jedenfalls vermögen die aufgeworfenen Fragen die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu rechtfertigen, weil sie sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln ohne Weiteres beantworten lassen. § 55 Abs. 1 Satz 1 WHG ordnet an, Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Nach Satz 2 kann auch die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen dem Wohl der Allgemeinheit entsprechen. Damit stellt Satz 2 klar, dass das Merkmal der Dezentralität die Gemeinwohlverträglichkeit nicht von vornherein ausschließt. Den Gemeinden soll dadurch mehr Spielraum für die "Optimierung ihrer Entsorgungskonzepte" eröffnet (BT-Drs. 13/4788 S. 20 und BVerwG, Beschluss vom 9. April 1997 - 8 B 69/97 - juris zu § 18a WHG a.F.) und dem Argument entgegengetreten werden, zentrale Anlagen (öffentlicher Entsorger) würden in der Regel besser und sicherer betrieben als eine Vielzahl (privater) Kleinkläranlagen (vgl. Zöllner, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG , Stand Juni 2018, § 55 Rn. 16 und 21). Gleichzeitig wird durch die Formulierung "kann auch" deutlich gemacht, dass zentrale und dezentrale Beseitigungsmöglichkeiten nicht als gleichwertige Alternativen nebeneinanderstehen, sondern der Gesetzgeber zumindest beim häuslichen Abwasser das zentrale Beseitigungsmodell favorisiert und bei der Wahl einer dezentralen Entsorgung eine Prüfung verlangt, ob diese im konkreten Einzelfall den Anforderungen an eine gemeinwohlverträgliche Abwasserbeseitigung entspricht (Kotulla, Wasserhaushaltsgesetz , 2. Aufl. 2011, § 55 Rn. 11; Nisipeanu, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG , 2. Aufl. 2017, § 55 Rn. 18; OVG Münster, Urteil vom 12. März 2013 - 20 A 1564/10 - DVBl 2013, 869 <871 f.> zum dortigen Landeswassergesetz). Es entspricht daher der gesetzgeberischen Konzeption, wenn das Oberverwaltungsgericht für einen satzungsrechtlichen Ausschluss weiter Teile des Verbandsgebietes von der zentralen Abwasserbeseitigung eine einzelfallbezogene Prüfung verlangt, ob das Wohl der Allgemeinheit auch dann gewahrt bleibt, wenn die Kleinkläranlagen als Dauerlösung für die Abwasserbeseitigung vorgesehen sind.

2. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) zuzulassen. Die Beschwerde rügt die Verletzung der Denkgesetze bei der Überzeugungsbildung des Oberverwaltungsgerichts und damit einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO , indem sie geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe nicht alle Teilgebiete der Ausschlusssatzung aufgrund ihrer räumlichen Trennung "logisch" getrennt beurteilt. Einen Verfahrensfehler hat die Beschwerde damit nicht dargelegt.

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Grenzen der "Freiheit" des Gerichts sind jedoch überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Solche Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 8 C 5.11 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 28 Rn. 24 m.w.N.; Beschluss vom 30. August 2018 - 7 B 5.18 - juris Rn. 6). Einen solchen Fehler zeigt die Beschwerde nicht auf. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Antragsgegner überhaupt keine Umstände ermittelt und nachgewiesen habe, die den Anforderungen an eine Ausnahme von der zentralen Abwasserbeseitigung für das von der Ausschlusssatzung erfasste Verbandsgebiet entsprächen. Solche seien auch nicht ersichtlich. Auf dieser Grundlage bestand für das Oberverwaltungsgericht kein Anlass, weitere Tatsachen zu Ausnahmefällen im gesamten Verbandsgebiet festzustellen. Die Besonderheit hinsichtlich der Ortschaft F. hatte für das Oberverwaltungsgericht nur beispielhaften Charakter.

Damit bleibt auch die der Sache nach erhobene Aufklärungsrüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, weil Tatsachen zu den weiteren Ortsteilen im Verbandsgebiet aufklärungsbedürftig gewesen, aber ohne Aufklärung geblieben seien, ohne Erfolg. Dem Oberverwaltungsgericht musste sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung mit Rücksicht auf das fehlende Vorbringen des Antragsgegners zu den Voraussetzungen für eine Ausnahme nicht aufdrängen.

Schließlich verfängt auch das Vorbringen der Beschwerde nicht, dass Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht offengelassen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WG LSA erfüllt seien. Die Rüge hat keinen Erfolg, weil die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts hierzu nicht entscheidungstragend sind. Es hat Zweifel geäußert, ob die Voraussetzungen von § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WG LSA vorliegen und im Weiteren die Unvereinbarkeit der Ausschlusssatzung mit § 79a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 2 WG LSA festgestellt, weil der Ausschluss der Abwasserbeseitigungspflicht zugunsten einer Beseitigung des Abwassers über Kleinkläranlagen das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtige.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: OVG Sachsen-Anhalt, vom 20.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 K 105/15