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BVerwG - Entscheidung vom 14.08.2019

9 B 24.19

Normen:
VwGO § 137 Abs. 1
LGebG BW § 2 Abs. 3

Fundstellen:
DStR 2020, 247
DStRE 2020, 1021
NVwZ 2019, 1857

BVerwG, Beschluss vom 14.08.2019 - Aktenzeichen 9 B 24.19

DRsp Nr. 2019/15935

Klage gegen die Heranziehung zu einer Gebühr für die Fortführung des Liegenschaftskatasters nach baden-württembergischem Landesgebührenrecht; Vermessung eines erworbenen Grundstücks durch einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur

Von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung der durch die Rechtskraft (§ 121 VwGO ) vermittelten Bindungswirkung einer schon ergangenen gerichtlichen Entscheidung ist - neben der subjektiven Begrenzung auf die Beteiligten des Vorprozesses - die objektive Reichweite des Streitgegenstandes. Die Rechtskraft bindet zwar auch, wenn und soweit sich die entschiedene Frage in einem späteren Verfahren mit einem anderen Streitgegenstand als Vorfrage stellt. Eine präjudizielle Wirkung entfaltet das erste Urteil aber nur, soweit über den dortigen Streitgegenstand entschieden wurde, also nicht hinsichtlich solcher Fragen, die auch im Vorprozess bloß Vorfragen waren.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 155 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 137 Abs. 1 ; LGebG BW § 2 Abs. 3;

Gründe

I

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einer Gebühr in Höhe von 105 € für die Fortführung des Liegenschaftskatasters nach baden-württembergischem Landesgebührenrecht.

Der Gebühr liegt die (erstmalige) Vermessung eines von den Klägern erworbenen Grundstücks durch einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur zugrunde. Diese Vermessung war durch die damalige Eigentümerin des Grundstücks - eine Immobilienentwicklungsgesellschaft (GA OVG S. 41) - veranlasst worden. Die den Klägern auferlegte Gebühr betrifft die Übernahme der Vermessungsergebnisse in das Liegenschaftskataster.

Sowohl zum Zeitpunkt der Vermessung als auch zum Zeitpunkt der Fortführung des Liegenschaftskatasters waren die Kläger noch nicht Eigentümer des Grundstücks; für sie war aber eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Der Besitz am Grundstück ging erst einige Monate später auf sie über. Die Kläger halten den Gebührenbescheid mit Blick auf den vorgenannten Zeitablauf für rechtswidrig. Außerdem stützen sie sich auf ein Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 20. Dezember 2013, das die auf Zahlung des Vermessungsentgelts in Höhe von 357 € gerichtete Klage des Vermessungsbüros gegen die Kläger abgewiesen hat, da dieses im Interesse des Eigentümers tätig geworden sei.

Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof haben die Klage abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

II

1. Die Beschwerde ist zulässig, da die Kläger ordnungsgemäß durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten sind (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO ).

Soweit die Kläger ungeachtet dessen die Feststellung begehren, dass der Kläger zu 1. als Steuerberater vor dem Bundesverwaltungsgericht postulationsfähig ist und sich selbst sowie die Klägerin zu 2. vertreten darf, kann dahinstehen, ob ein solcher Antrag im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde statthaft ist und ob für ihn - angesichts des Umstandes, dass die Kläger im vorliegenden Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten werden - ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Denn jedenfalls hat der Senat keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der von den Klägern beanstandeten gesetzlichen Regelung, die vorsieht, dass Steuerberater zwar vor dem Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht, nicht aber vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen sind (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO ; zur weiten Auslegung des Begriffs "Abgabenangelegenheiten" vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2016 - 10 C 17.14 - BVerwGE 154, 49 Rn. 12 ff.).

Rechtsanwälte, denen die Prozessvertretung uneingeschränkt gestattet ist, verfügen über eine Berufsqualifikation, die sie in besonderer Weise für das Auftreten vor Gericht qualifizieren. Zudem sind sie Organe der Rechtspflege und in das Justizgewährungssystem in besonderer Weise eingebunden (vgl. Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drs. 16/3655 S. 34). Die Ungleichbehandlung von Steuerberatern gegenüber Rechtsanwälten ist damit sachlich gerechtfertigt. Darüber hinaus beruht aber auch die vom Kläger beanstandete Unterscheidung nach den Instanzenzügen auf sachlichen Erwägungen, denn die Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erfordern regelmäßig besondere (revisionsrechtliche) Kenntnisse, die nicht Gegenstand der Steuerberaterprüfung sind (vgl. zu den möglichen Prüfungsgebieten § 37 Abs. 3 StBerG ). Dem steht nicht entgegen, dass Steuerberater im finanzgerichtlichen Verfahren auch vor dem Bundesfinanzhof sowie in eingeschränktem Umfang auch vor dem Bundesgerichtshof in Strafsachen (bei Steuerstraftaten und Begleittaten) und in berufsrechtlichen Angelegenheiten vor dem Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigte auftreten dürfen. Denn insoweit besteht jedenfalls typischerweise ein deutlich engerer Bezug gerade zu Steuerangelegenheiten, also dem Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit von Steuerberatern. Im Übrigen kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der gerichtlichen Vertretungsbefugnisse ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der eine Differenzierung nach den einzelnen Rechtsgebieten und eine Berücksichtigung typischer Inhalte der Steuerberaterausbildung bzw. -prüfung einschließt. So sind Steuerberater vor den Zivilgerichten derzeit etwa gar nicht zur Prozessvertretung befugt (vgl. genauer zum Umfang der Vertretungsbefugnis in den einzelnen Gerichtszweigen einschließlich der Verfassungsgerichtsbarkeit Mann, DStR-Beih 2017, 65 <67 ff.>). Dies zugrunde gelegt, verstößt die von den Klägern beanstandete Regelung weder gegen Art. 3 noch gegen Art. 12 oder Art. 19 Abs. 4 GG .

2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

a) Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

aa) Den Fragen:

1. Kann der Stellung als Vormerkungsberechtigter ein objektives oder subjektives Interesse an der Fortführung eines Liegenschaftskatasters innewohnen?

2. Geschieht die Fortführung eines Liegenschaftskatasters im Pflichtenkreis eines Vormerkungsberechtigten?

3. Darf der Beklagte den Vormerkungsberechtigten zur Gebühr für die Fortführung eines Liegenschaftskatasters heranziehen, obwohl der Eigentümer des Grundstückes ebenso herangezogen werden kann?

kommt bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie das Landesgebührengesetz, die Verordnung der Landesregierung über die Festsetzung der Gebührensätze für Amtshandlungen der staatlichen Behörden sowie das Vermessungsgesetz für Baden-Württemberg und damit ausschließlich Landesrecht betreffen, dessen Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO ). Dabei spielt der Umstand, dass in Bezug auf das Landesgebührenrecht eine wortlautähnliche Regelung des Bundesrechts existiert (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 BGebG ) keine Rolle, wie sich aus § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ergibt. Danach kann eine Revision nur dann ausnahmsweise auf eine landesrechtliche Vorschrift gestützt werden, wenn es sich um eine wortlautgleiche Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes handelt.

Zwar weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, dass auch die Auslegung und Anwendung landesrechtlicher Normen bundesrechtliche Vorgaben beachten muss. Die Rüge der Nichtbeachtung bzw. unzureichenden Beachtung von Bundes(verfassungs)recht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht kann die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aber allenfalls dann begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, nicht dagegen, wenn der dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Inhalt des Landesrechts mit Blick auf seine Übereinstimmung mit Bundesrecht angezweifelt wird. Die Begründung der Beschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO muss dementsprechend darlegen, dass die Auslegung einer gegenüber dem angewendeten Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten bundes(verfassungs)rechtlichen Vorschrift als solche ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2017 - 5 B 39.16 - juris Rn. 6). Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerde nicht. Ihrem Vorbringen sind keine Fragen zur grundsätzlichen Bedeutung der verfassungsrechtlichen oder bundesgesetzlichen Maßstabsnormen zu entnehmen. Vielmehr beschränkt sie sich darauf, die Argumente des Verwaltungsgerichtshofes zur Bejahung eines Interesses im Sinne des § 2 Abs. 3 LGebG BW als "rechtlich fehlerhaft" zu kritisieren.

bb) Die Frage,

ob innerhalb des mehrstufigen Verwaltungsaktes der Fortführung des Liegenschaftskatasters trotz rechtskräftig negativ festgestellter Gebührenschuldnerschaft durch die Zivilgerichte für die Vornahme der Vermessungshandlung eine gebührenrechtliche Inanspruchnahme für die Fortführung des Liegenschaftskatasters durch die öffentliche Verwaltung vorgenommen werden kann,

würde sich in einem etwaigen Revisionsverfahren nicht stellen, denn sie geht von so nicht vom Berufungsgericht festgestellten rechtlichen Wertungen aus:

Hintergrund der Frage ist das Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 20. Dezember 2013 - 11 C 990/12 -, das die auf Zahlung des Vermessungsentgelts in Höhe von 357 € gerichtete Klage des Vermessungsbüros gegen die Kläger abgewiesen hat. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheitere daran, dass die Klägerin "in erster Linie nicht im Interesse der Beklagten als Auflassungsvormerkungsberechtigte" tätig geworden sei; vielmehr sei die Klägerin "im Interesse des Eigentümers tätig, da nur dieser verpflichtet (sei), die entsprechende Vermessung vornehmen zu lassen." Auch ein Anspruch aus Vertrag zugunsten Dritter bestehe nicht, was näher ausgeführt wird.

Hieraus folgt, dass das Gericht nicht etwa diejenige "Gebührenschuldnerschaft" negativ festgestellt hat, um die es im hier vorliegenden Verfahren geht. Vielmehr ging es in dem Rechtsstreit allein um den im Zivilrechtsweg geltend gemachten Anspruch auf Zahlung des Vermessungsentgelts. Der von der Beschwerde unter verschiedenen Gesichtspunkten geltend gemachte Verstoß gegen die Rechtskraftwirkung des amtsgerichtlichen Urteils liegt entgegen der Auffassung der Kläger nicht vor. Denn rechtskräftige Urteile binden nach § 121 VwGO nur, soweit über denselben Streitgegenstand entschieden worden ist. Dabei versteht man unter Streitgegenstand den prozessualen Anspruch, der durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck gebrachte Rechtsfolge sowie durch den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (vgl. nur Kopp, VwGO , Kommentar, 24. Aufl. 2018, § 90 Rn. 7). Nach dem Vorstehenden liegen hier verschiedene Streitgegenstände vor, nämlich einerseits der im Zivilrechtsweg verfolgte Anspruch auf Zahlung des Vermessensentgelts für die Durchführung der Vermessung in Höhe von 357 € (vgl. genauer zur Vergütung des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs § 12 Abs. 9 VermG BW) und andererseits die im Verwaltungsrechtsweg zu klärende Frage der öffentlich-rechtlichen Gebühr für die Fortführung des Liegenschaftskatasters in Höhe von 105 €.

Das Berufungsgericht ist zudem - anders als in der Frage unterstellt - nicht von einem "mehrstufigen Verwaltungsakt" ausgegangen. Streitgegenstand des mit der Beschwerde angegriffenen Urteils ist die mit Gebührenbescheid vom 29. Juni 2012 vom Landratsamt Konstanz festgesetzte Gebühr für die "Fortführung des Liegenschaftskatasters (§ 4 Abs. 3 VermG )". Allein in dieser Fortführung sieht das Berufungsgericht die "behördliche Handlung, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse mit Außenwirkung vorgenommen wird" (UA S. 9). Zwar wird das Liegenschaftskataster nach § 4 Abs. 3 VermG insbesondere "durch Übernahme der Ergebnisse von Liegenschaftsvermessungen" fortgeführt. Dies ändert aber nichts daran, dass die streitige Gebühr dem Urteil zufolge nur für die Fortführung des Liegenschaftskatasters und nicht zugleich für die zeitlich vorangegangene Vermessung erhoben wird.

Soweit der Verwaltungsgerichtshof - nicht in dem angegriffenen Berufungsurteil, wohl aber in seinem dort (UA S. 14) erwähnten Urteil vom 8. Oktober 1992 - 5 S 3242/91 - (juris Rn. 19) - die Gebäudeaufnahme und die Fortführung des Liegenschaftskatasters als "verschiedene Abschnitte einer mehrstufigen Amtshandlung" bezeichnet hat, führt auch dies nicht auf einen fallübergreifenden Klärungsbedarf des revisiblen Rechts. Welche Folgerungen aus einer Verfahrensstufung zu ziehen sind, ist zuvörderst eine Frage des einschlägigen Gesetzesrechts, hier also des baden-württembergischen Landesrechts. Vorbehaltlich dessen ist ein gestuftes Verfahren regelmäßig durch die selbstständige Anfechtbarkeit von Teilentscheidungen gekennzeichnet, die der Überprüfung einer unanfechtbar gewordenen Teilentscheidung hinsichtlich ihres Regelungsbereichs in einem späteren Rechtsschutzverfahren entgegensteht (vgl. BVerwG, Urteile vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 25 und vom 10. Dezember 2014 - 9 C 11.13 - BVerwGE 151, 89 Rn. 13).

Von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung der durch die Rechtskraft (§ 121 VwGO ) vermittelten Bindungswirkung einer schon ergangenen gerichtlichen Entscheidung ist dabei - neben der subjektiven Begrenzung auf die Beteiligten des Vorprozesses - die objektive Reichweite des Streitgegenstandes. Die Rechtskraft bindet zwar auch, wenn und soweit sich die entschiedene Frage in einem späteren Verfahren mit einem anderen Streitgegenstand als Vorfrage stellt. Eine präjudizielle Wirkung entfaltet das erste Urteil aber nur, soweit über den dortigen Streitgegenstand entschieden wurde, also nicht hinsichtlich solcher Fragen, die auch im Vorprozess bloß Vorfragen waren (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 C 17.15 - BVerwGE 156, 159 Rn. 10 m.w.N.). Daran gemessen betraf die Begründung in dem Urteil des Amtsgerichts Konstanz, wonach das Vermessungsbüro im Interesse des (damaligen) Grundstückseigentümers tätig war, schon in jenem Prozess nur eine Vorfrage des damals streitgegenständlichen Entgeltanspruchs. Inwieweit vor diesem Hintergrund die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, das amtsgerichtliche Urteil über das Vermessungsentgelt sei nicht präjudiziell hinsichtlich des hier umstrittenen Gebührenanspruchs für die Fortführung des Liegenschaftskatasters, einen allgemeinen, über die vorgenannten Grundsätze hinausgehenden Klärungsbedarf auslösen soll, lässt sich den Darlegungen der Beschwerde nicht entnehmen.

3. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ).

a) Die angebliche Abweichung des Berufungsgerichts von seiner früheren Auffassung zum Verhältnis von Gebäudeaufnahme und Fortführung des Liegenschaftskatasters, begründet entgegen der Auffassung der Kläger keinen Verfahrensfehler durch fehlende "Ermittlung des Sachverhaltes zur einheitlichen öffentlichen Leistung."

Die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO ) erfordert die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Vordergerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz zu einer für die Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Außerdem muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2018 - 8 B 2.17 - juris Rn. 16 m.w.N.).

Dies leistet die Beschwerdebegründung nicht. Beweisanträge haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht gestellt. Sie haben sich vielmehr darauf beschränkt, in ihrer Berufungsbegründung auf die frühere Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hinzuweisen (s.o.). Dem Berufungsgericht musste sich diesbezüglich auch keine weitere Aufklärung aufdrängen, denn bei der Frage des Verhältnisses der verschiedenen Amtshandlungen (Vermessung und Fortführung des Liegenschaftskatasters) handelt es sich um eine Rechts- und keine Tatsachenfrage.

b) Ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht liegt auch nicht in der fehlenden Beachtung der "Informationen zur Gebäudeaufnahme" des Bundes der öffentlich-bestellten Vermessungsingenieure. Die Beschwerde erkennt selbst, dass sie der Sache nach rügt, dass das Berufungsgericht den Akteninhalt unzutreffend gewürdigt hat (S. 43). Dies betrifft aber die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung, die mit der Verfahrensrüge nicht angegriffen werden kann.

c) Soweit die Kläger wegen vermeintlicher Abweichung von dem bereits erwähnten rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Konstanz verschiedene Verfahrensrügen erheben (Verstoß gegen § 108 VwGO durch Missachtung rechtskräftig festgestellter Tatsachen in öffentlichen Urkunden; Verstoß gegen § 121 VwGO wegen Verkennung der Rechtskraftwirkung und der daraus resultierenden einheitlichen Auslegung des Interessenbegriffes bei der mehrstufigen Amtshandlung der Grundstücksvermessung), kann auf die vorstehenden Ausführungen unter 2a) bb) verwiesen werden.

Soweit fallrelevante tatsächliche Feststellungen und rechtliche Wertungen aus einer Entscheidung eines anderen Gerichts, unbeschadet fehlender Rechtskraftwirkung doch beachtlich sein können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2004 - 7 B 11.04 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 29 = juris Rn. 9 f.), hinderte dies den Verwaltungsgerichtshof nicht daran, für den bei ihm anhängigen Streitgegenstand im Ergebnis zu einer anderen Einschätzung zu gelangen.

d) Der geltend gemachte Verstoß gegen § 117 Abs. 4 VwGO wegen verspäteter Absetzung der Urteilsgründe liegt nicht vor.

Kann ein Urteil ausnahmsweise nicht innerhalb von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt werden, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln (§ 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO ). Hier wurde die Urteilsformel am Tag nach der mündlichen Verhandlung, also am 13. Dezember 2018, unterschrieben und den Beteiligten telefonisch mitgeteilt (GA S. 239). Das Urteil ist sodann am 22. Januar 2019 vollständig abgefasst von den beteiligten Berufsrichtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden (GA S. 263). Dies begründet keinen durchgreifenden Verfahrensfehler. Ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil ist im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2012 - 9 C 5.11 - Buchholz 406.11 § 246a BauGB Nr. 1 = juris Rn. 23; Beschluss vom 29. September 2015 - 7 B 22.15 - juris Rn. 4). Die Fünfmonatsfrist ist im vorliegenden Fall bei Weitem nicht ausgeschöpft worden.

Wird ein Urteil noch vor Ablauf von fünf Monaten der Geschäftsstelle übergeben, kann es zwar gleichwohl im Einzelfall nicht mit Gründen versehen sein, wenn zu dem Zeitablauf besondere Umstände hinzukommen, die wegen des Zeitablaufs bereits bestehende Zweifel zu der Annahme verdichten, dass der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen der Fällung des Urteils und den schriftlich niedergelegten Gründen nicht mehr gewahrt ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2012 - 9 C 5.11 - Buchholz 406.11 § 246a BauGB Nr. 1 = juris Rn. 24; Beschluss vom 29. September 2015 - 7 B 22.15 - juris Rn. 5 m.w.N.). Derartige Umstände zeigt die Beschwerde aber nicht auf. Ein solcher Umstand kann insbesondere nicht darin liegen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof bei der Urteilsabfassung nicht mehr an in der mündlichen Verhandlung erörterte obergerichtliche Entscheidungen erinnern konnte. Ausweislich der Entscheidungsgründe (UA S. 14) hat sich der Gerichtshof mit den von den Klägern bezeichneten Entscheidungen auseinandergesetzt. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass dem Verwaltungsgerichtshof bei Abfassung des Urteils die Gründe der Entscheidungsfindung nicht mehr gegenwärtig waren.

e) Das Urteil stellt kein § 108 Abs. 2 VwGO verletzendes Überraschungsurteil dar. Ein solches Urteil ist nur dann gegeben, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der ein kundiger Beteiligter auch bei gewissenhafter Vorbereitung nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Dies ist hier schon nach dem eigenen Vortrag der Kläger in ihrer Beschwerdebegründung nicht der Fall. Sie machen insoweit geltend, das Berufungsgericht habe erstmals in der mündlichen Verhandlung zwei - in der Beschwerde näher bezeichnete und nach Auffassung der Kläger für sie günstige - Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Münster zum Gegenstand des Rechtsgesprächs gemacht, sei diesen aber in der Sache nicht gefolgt und habe die Beschlüsse zudem weder im Sitzungsprotokoll noch im Tatbestand des Urteils aufgeführt. Hieraus ergibt sich nicht, dass die Kläger darauf vertrauen konnten, dass der Verwaltungsgerichtshof den beiden Entscheidungen folgen würde. Das ergibt sich aus Folgendem:

Im Protokoll sind nach § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO nur "die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung" aufzunehmen; im Tatbestand des Urteils ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge "seinem wesentlichen Inhalt nach" gedrängt darzustellen (§ 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO ). Zu beidem zählt der Hinweis auf möglicherweise einschlägige Rechtsprechung nicht, so dass das Vorgehen des Gerichtshofs prozessual ordnungsgemäß war. Dass der Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt habe, er werde der Rechtsposition des Oberverwaltungsgerichts Münster folgen, behaupten die Kläger nicht; allenfalls dann hätten sie durch das Urteil überrascht sein können. Im Übrigen konnten sie auch schon deshalb nicht von der Auffassung des Berufungsgerichts, es müsse sich nicht mit Entscheidungen zum Gebührenrecht anderer Bundesländer befassen, überrascht werden, da sie selbst diesen Einwand gegenüber den von der Beklagten zitierten Rechtsprechung erhoben haben (vgl. Schriftsatz vom 11. Dezember 2018).

f) Mit ihrem Vorbringen, es liege ein Verstoß gegen § 65 Abs. 2 VwGO wegen fehlender Beiladung der früheren Grundstückseigentümerin vor, bezeichnen die Kläger keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO , auf dem das ihnen gegenüber ergangene Urteil beruhen kann. Das Unterbleiben der Beiladung Dritter ist für die Rechtsstellung desjenigen, der - wie hier die Kläger - als Beteiligter zur Wahrung der eigenen Interessen auf das Verfahrensergebnis einwirken konnte, ohne Bedeutung. Zweck der Beiladung ist es nicht, die Verfahrensposition anderer Beteiligter zu stärken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2018 - 8 B 2.17 - juris Rn. 21 m.w.N.). Aus der fehlenden Beiladung ergibt sich auch kein Verstoß gegen die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 13.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 5 S 2311/16
Fundstellen
DStR 2020, 247
DStRE 2020, 1021
NVwZ 2019, 1857