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BVerwG - Entscheidung vom 27.06.2019

5 BN 4.18

Normen:
AG SGB VIII § 13 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 27.06.2019 - Aktenzeichen 5 BN 4.18

DRsp Nr. 2019/12996

Höhe des Elternbeitrags für die Betreuung von Kindern in der Kindertagespflege; Höhe des Elternbeitrags für die Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen; Voraussetzungen für die Gewährung eines Geschwisterrabatts

Die bloße Kritik an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung vermag die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. August 2018 wird verworfen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Normenkette:

AG SGB VIII § 13 Abs. 1 ;

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (1.) und des Verfahrensmangels (2.) gestützte Beschwerde ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen nicht genügt.

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2018 - 5 B 18.18 - juris Rn. 3). Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. April 2012 - 5 B 58.11 - juris Rn. 2 und vom 12. März 2018 - 5 B 26.17 D - juris Rn. 3 m.w.N.). Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Revision rechtlich Bedeutung haben könnten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 11 S. 13 und vom 26. September 2016 - 5 B 1.16 D - juris Rn. 26 m.w.N.). Daran fehlt es hier.

Die Beschwerde hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:

"1. Ist Art. 3 GG verletzt, wenn der Elternbeitrag für die Betreuung von Kindern in der Kindertagespflege höher ist als der Elternbeitrag für die Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen? Ist Art. 3 GG verletzt, wenn ein Geschwisterrabatt nur dann gewährt wird, wenn beide Kinder in der Kindertagespflege betreut werden und nicht wenn ein Kind in der Kindertagespflege und ein Geschwisterkind in einer Kindertageseinrichtung? Liegen bei der Kindertagespflege und der Kinderbetreuung in Kindertageseinrichtungen ungleiche Sachverhalte vor, die eine Verletzung des Art. 3 GG ausschließen? Ist die Ungleichbehandlung gerechtfertigt, wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Betreuung in Kindertageseinrichtungen anders als die Kindertagespflege im Einvernehmen mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe gem. § 13 Abs. 1 AG SGB VIII wahrnimmt und eine eigene Gebührensatzung beschließt?

2. Ist das Begünstigungsgebot verletzt, wenn Eltern für Kinder in Kindertageseinrichtungen niedrigere Elternbeiträge zahlen als für Kinder in der Kindertagespflege und kein Geschwisterrabatt, bei Betreuung in unterschiedlichen Betreuungsformen gewährt wird?

3. Können Elternbeiträge pauschaliert festgesetzt werden für Kinder unter drei und über drei Jahren, wenn die Zuwendungen sich für beide Betreuungsformen erheblich unterscheiden oder muss zwischen diesen Gruppen differenziert werden und ist es erforderlich die jeweiligen Landes- bzw. Bundeszuwendungen gesondert kostenreduzierend zu erfassen?

4. Sind vom Bund an die Länder gezahlte Zuwendungen für die Kinderbetreuung von Kindern unter drei Jahren bei der Kalkulation der Kosten fiktiv zu berücksichtigen, soweit noch keine Weiterleitung erfolgte?

5. Können Elternbeiträge für freiwillig ohne Rechtsgrundlage gezahlte Leistungen an Kindertagespflegepersonen erhoben werden?

6. Gibt es aus den Grundsätzen der Finanzverfassung eine Pflicht zur Kalkulation von Elternbeiträgen in begrenzten Kalkulationszeiträumen mit einer transparenten und nachvollziehbaren Kalkulation, die den Mandatsträgern vor dem Beschluss über die Satzung vorgelegen haben muss? Kommen Überdeckungen aus Elternbeiträgen, die nicht erstattet wurden, dem allgemeinen Haushalt der Kindertagespflege und damit nur den Eltern, die nicht den Höchstsatz zahlen zugute oder müssen die nicht ausgezahlten Erstattungsbeiträge, bei der Kalkulation des Höchstsatzes der nächsten Periode berücksichtigt werden?

7. Ist Art. 3 GG wegen der Ungleichbehandlung von Angestellten und Selbstständigen verletzt, wenn die Grundlage der Elternbeiträge das jeweilige Bruttoeinkommen abzüglich gezahlter Beiträge zu den Sozialversicherungen ist?"

Hinsichtlich der Fragen 2, 3, 4, 5 und 6 erläutert die Beschwerde schon nicht, in Anwendung welcher Norm des revisiblen Rechts die Fragen entscheidungserheblich sein sollten. Selbst wenn man bei Frage 2 zugunsten der Beschwerde insoweit von Art. 3 GG ausgeht, legt die Beschwerde nicht dar, welcher Klärungsbedarf mit dieser Frage über die Frage 1 hinaus geltend gemacht werden sollte. Im Übrigen lassen auch die unter Frage 1 im Einzelnen aufgelisteten Fragen keinen rechtsgrundsätzlichen, die Revision eröffnenden Klärungsbedarf erkennen. Die Beschwerde legt - was erforderlich gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2015 - 9 B 69.14 - juris Rn. 9) nicht dar, dass die Auslegung des gleichheitsrechtlichen Prüfungsmaßstabs des Art. 3 GG , den das Oberverwaltungsgericht als Maßstabs für die Rechtmäßigkeitsprüfung der angefochtenen satzungsrechtlichen Bestimmungen über die Höhe des Kostenbeitrags (§ 4 KBS) und die Geschwisterermäßigung (§ 5 KBS) zugrunde gelegt und angewandt hat, ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, bei der Förderung von Kindern in Kindertagespflege und in Tageseinrichtungen handele es sich schon im Hinblick auf die verschiedene sachliche und personelle Ausstattung und aufgrund der völlig unterschiedlichen Kostenstrukturen und Landesfinanzleistungen, der zusätzlichen und spezifischen Anforderungen an Tageseinrichtungen nach § 22a SGB VIII sowie nach dem Niedersächsischen Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder ( KiTaG NI) und auch in Anbetracht der bestehenden Unterschiede bei der Erhebung von Kostenbeiträgen (teilweise Beitragsfreiheit für den Besuch von Tageseinrichtungen nach § 21 KiTaG NI alter wie neuer Fassung) nicht um wesentlich gleiche Sachverhalte (UA S. 15 f. und 19), als fehlerhaft zu beanstanden und ihr ihre gegenteilige Bewertung entgegenzusetzen. Dies vermag die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen. Entsprechendes gilt für Frage 7. Auch mit dieser Frage und den zu ihrer Begründung gemachten Ausführungen stellt die Beschwerde lediglich die Vereinbarkeit des angefochtenen Urteils im Hinblick auf die darin vorgenommene Rechtmäßigkeitsprüfung der Bestimmung zur Ermittlung des für die Höhe des Kostenbeitrags maßgeblichen Einkommens (§ 6 KBS) mit Art. 3 Abs. 1 GG infrage, ohne in diesem Zusammenhang eine grundsätzliche Frage des Bundes(verfassungs)rechts zu formulieren.

2. Die Revision ist auch nicht wegen des von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen.

Die Beschwerde zeigt die behauptete Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht in einer den Darlegungsanforderungen genügenden Weise auf. Sie beanstandet lediglich pauschal, das erkennende Gericht habe - erstens - "zu Elternbeiträgen in Kindertageseinrichtungen auf dem Gebiet des Beklagten und dem Geschwisterrabatt[s] in Kindertageseinrichtungen, der in vielen Gemeinden und Samtgemeinden im Gebiet des Beklagten gewährt wird", - zweitens - "zu dem Umfang der erhaltenen Leistungen und der Zahl der betreuten Kinder" und - drittens - "bezüglich der Höhe der vom Bund an das Land gezahlten Zuwendungen zu den Betriebskosten und deren Verbleib" keine (weiteren) Ermittlungen angestellt. Eine angebliche Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts nach § 86 Abs. 1 VwGO ist aber nur dann ausreichend bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer u.a. im Einzelnen darlegt, bereits in der Tatsacheninstanz auf die Vornahme der vermissten Sachverhaltsaufklärung hingewirkt zu haben, oder dass sich dem Gericht die entsprechenden Ermittlungen ausgehend von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt hätten aufdrängen müssen und welche tatsächlichen Feststellungen bei den Aufklärungsmaßnahmen voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätten führen können (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2017 - 5 B 75.15 D - juris Rn. 6 m.w.N.). Hierzu verhält sich das Beschwerdevorbringen nicht ansatzweise.

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 21.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 10 KN 10/18