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BVerwG - Entscheidung vom 14.08.2019

8 B 38.19

Normen:
VermG § 1 Abs. 1a
EntschG § 4 Abs. 2 S. 2

BVerwG, Beschluss vom 14.08.2019 - Aktenzeichen 8 B 38.19

DRsp Nr. 2019/15777

Gerichtliche Festsetzung der Bemessungsgrundlage für Ausgleichsleistungen; Ermittlung des Reinvermögens eines besatzungshoheitlich enteigneten Unternehmens

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28. November 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 29 654,93 € festgesetzt.

Normenkette:

VermG § 1 Abs. 1a ; EntschG § 4 Abs. 2 S. 2;

Gründe

Der Kläger begehrt als Erbe nach F. N. Ausgleichsleistungen für dessen hälftige Gesellschaftsbeteiligung an dem ehemaligen Unternehmen C. OHG. Das Unternehmen wurde am 30. Juni 1946 besatzungshoheitlich enteignet. Der Beklagte setzte die Bemessungsgrundlage für Ausgleichsleistungen durch Bescheid vom 31. März 2015 nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG i.V.m. § 4 EntschG auf 0 DM fest. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mangels eines im Hauptfeststellungszeitpunkt vor der Schädigung festgesetzten Einheitswertes für das Unternehmen und eines verbindlich ermittelten Ersatzeinheitswertes sei für die Bemessungsgrundlage das Reinvermögen anhand der Bilanz zum 31. Dezember 1945 zu ermitteln. Die in der Bilanz vorgenommene Wertung, Guthaben bei Banken nicht mit ihrem Nennwert, sondern lediglich mit einem Erinnerungswert von 1 RM anzusetzen, sei zu beachten. Sie beruhe auf der Einschätzung des Bilanzerstellers, dass diese Forderungen uneinbringlich sein würden. Die Guthaben seien tatsächlich blockiert gewesen. In der nachfolgenden Steuerbilanz fänden sich diese Buchungen gar nicht mehr. Danach stünden einem Aktivvermögen von 1 023 157,64 RM Passiva in Höhe von 1 082 959,68 RM gegenüber, so dass die Feststellung des Reinvermögens auf 0 RM nicht zu beanstanden sei. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

Die allein auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) gestützte Beschwerde hiergegen hat keinen Erfolg. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung u.a. des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 1995 - 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18). Das ist hier nicht der Fall.

1. Zu Unrecht rügt der Kläger, das Urteil des Verwaltungsgerichts weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 1999 - 7 C 12.98 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 2 ) und dessen Beschluss vom 22. Oktober 2009 - 5 B 51.09 - (ZOV 2010, 31 ) ab, wonach die generelle Auszahlungssperre für Reichsmarkguthaben gemäß Nr. 4 des SMAD-Befehls Nr. 01 vom 23. Juli 1945 keine Enteignung bewirkt habe. Das Verwaltungsgericht ist unter Verweis auf diese Rechtsprechung selbst davon ausgegangen, dass der genannte SMAD-Befehl noch keine entschädigungslose Enteignung der in der Bilanz abgewerteten Guthaben bewirkt habe (UA S. 16). Es hat die Ansätze für blockierte Bankguthaben in der Bilanz zum 31. Dezember 1945 für maßgeblich gehalten, weil der Bilanzersteller diese Forderungen für uneinbringlich hielt und weil es davon ausging, Ansätze einer im Grundsatz verwertbaren Bilanz seien selbst dann nicht zu verändern, wenn sie Vermögenswerte in rechtlich zulässiger Weise mit einem geringeren Wert als ihrem möglichen Marktwert auswiesen.

2. Das angegriffene Urteil weicht auch nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2004 - 3 C 42.03 - (Buchholz 428.41 § 4 EntschG Nr. 2 S. 9 f.) ab. Dort wird ausgeführt, das Reinvermögen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG lasse sich aus einer Bilanz als beweiskräftiger Unterlage ablesen, wenn diese nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes erstellt worden sei. Es lasse sich aus ihr ermitteln, wenn in der Bilanz tatsächliche Angaben enthalten seien, die unter Anwendung der Vorschriften des Bewertungsgesetzes die Berechnung des Reinvermögens zuließen. Der in der Beschwerdebegründung als hiervon abweichend bezeichnete abstrakte Rechtssatz, die Wertansätze der gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG heranzuziehenden Bilanz seien auch bei aus der Bilanz ersichtlicher Fehlerhaftigkeit unkritisch zu übernehmen und mithin abzulesen, lässt sich dem Urteil des Verwaltungsgerichts nicht entnehmen. Vielmehr hat die Vorinstanz die Tragfähigkeit der Einschätzung des Bilanzerstellers, für blockierte Bankguthaben lediglich einen Erinnerungswert anzusetzen, eingehend überprüft, für zutreffend gehalten und deshalb die Beachtlichkeit der betreffenden Ansätze in der Bilanz bejaht. Damit ist sie - anders als der Kläger in der eingangs seiner Beschwerdebegründung formulierten Rechtsfrage unterstellt - insoweit gerade nicht von der Fehlerhaftigkeit der Bilanz ausgegangen.

3. Soweit das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung die Bewertung zugrunde gelegt hat, die Abwertung der Guthaben aufgrund der Auszahlungssperre gemäß dem SMAD-Befehl Nr. 01 habe einer ordnungsgemäßen Bilanzierung entsprochen und sei bei der Ermittlung des Reinvermögens zu berücksichtigen, hat es keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, sondern ersichtlich den Einzelfall gewürdigt und auf die tatsächliche Blockierung der betreffenden Forderungen abgestellt. Dies wird dadurch unterstrichen, dass es zur Begründung der tatsächlichen Uneinbringlichkeit der Forderungen auf weitere Aufstellungen des Unternehmens sowie nachfolgende steuerliche Unterlagen verweist.

Im Übrigen enthalten die in der Beschwerdebegründung bezeichneten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 1999 und vom 22. Oktober 2009 (s.o. Rn. 3) keine sie tragenden Rechtssätze dazu, ob aufgrund dieser Auszahlungssperre geminderte Wertansätze für Bankguthaben in einer Bilanz bei der Ermittlung des Reinvermögens berücksichtigt werden dürfen. Das Urteil des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 1999 befasst sich allein damit, ob die Auszahlungssperre eine entschädigungslose Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG bewirkte, und verneint dies schon mangels Diskriminierungswirkung der Maßnahme. Der Beschluss des 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2009 verweist hierauf und lehnt es darüber hinaus ab, die von der generellen Auszahlungssperre nach dem SMAD-Befehl Nr. 01 betroffenen Bankguthaben als Gläubigerverluste im Zusammenhang mit der Neuordnung des Geldwesens gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 5 AusglLeistG zu werten. Dem lässt sich nichts zur Frage entnehmen, ob die Abwertung solcher Guthaben in einer Unternehmensbilanz den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bilanzerstellung entsprechen konnte. Davon geht auch der Hinweis des Klägers aus, der zitierte Beschluss lasse offen, ob in dem dort entschiedenen Fall ein Wertausgleichsposten hätte gebildet werden müssen.

4. Mit seinen weiteren Ausführungen zu der Frage, ob die Abwertung der Guthabenforderungen in der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bilanz zutreffend war, greift der Kläger die von seiner Auffassung abweichende materiell-rechtliche Bewertung in dem angegriffenen Urteil an, ohne einen durchgreifenden Zulassungsgrund aufzuzeigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG . Sie knüpft an die Höhe der Entschädigung an, die der Kläger unter Berücksichtigung der seinen Rechtsvorgängern nach lastenausgleichsrechtlichen Vorschriften für den Vermögensverlust zustehenden Hauptentschädigung erwarten konnte, wäre er mit seinem Anliegen durchgedrungen, die mit 1 RM bewerteten Kredite mit ihrem Nominalwert anzusetzen.

Vorinstanz: VG Dresden, vom 28.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 645/15