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BVerwG - Entscheidung vom 16.05.2019

5 C 7.18

Normen:
BAföG § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 4
BAföG § 36 Abs. 1 Hs. 1
BAföG-EinkommensVO § 1 Nr. 2 Buchst. f)
BEEG § 10 Abs. 1 S. 1

BVerwG, Urteil vom 16.05.2019 - Aktenzeichen 5 C 7.18

DRsp Nr. 2019/12917

Geltung einer materiellen Freibetragsregelung für Elterngeld auch für die Vorausleistung von Ausbildungsförderung hinsichtlich Anrechnung

Der aufgrund von § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG erlassene § 1 Nr. 2 Buchst. f BAföG -EinkommensVO enthält für Elterngeld, das den nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BEEG anrechnungsfreien Betrag von 300 € nicht übersteigt, eine materielle Freibetragsregelung, die auch für die Vorausleistung von Ausbildungsförderung nach § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG gilt.

1. Eine Gefährdung der Ausbildung ist nach § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG grundsätzlich in dem Umfang auszuschließen, in dem dem Auszubildenden finanzielle Mittel tatsächlich zufließen, wobei Elterngeld bis zur Höhe von 300 € im Monat vernachlässigt wird.2. Elterngeld in Höhe von bis zu 300 € im Monat ist kein Einkommen im Sinne des § 21 BAföG .

Normenkette:

BAföG § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 ; BAföG § 36 Abs. 1 Hs. 1; BAföG -EinkommensVO § 1 Nr. 2 Buchst. f); BEEG § 10 Abs. 1 S. 1;

[Tatbestand]

Die Beteiligten streiten über die Anrechnung des der Klägerin nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gewährten Elterngeldes auf den Anspruch auf Vorausleistung von Ausbildungsförderung nach § 36 Abs. 1 Halbs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes .

Die Klägerin hatte zum Sommersemester 2013 ein Fachhochschulstudium in der Fachrichtung Soziale Arbeit mit dem Abschlussziel Bachelor aufgenommen. Dafür gewährte ihr das beklagte Studentenwerk für den Bewilligungszeitraum April 2013 bis Februar 2014 unter anderem Ausbildungsförderung als Vorausleistung für nicht erfüllte Unterhaltsverpflichtungen ihres Vaters. Nach der Geburt ihres Sohnes am 21. Dezember 2013 erhielt sie außerdem antragsgemäß einen Kinderbetreuungszuschlag. Auch für den folgenden Bewilligungszeitraum März 2014 bis Februar 2015 bewilligte der Beklagte zunächst Ausbildungsförderung auch als Vorausleistung für den Vater.

Nachdem der Beklagte im Juni 2014 erfahren hatte, dass der Klägerin für die Zeit vom 21. Dezember 2013 bis zum 20. Dezember 2014 Elterngeld in Höhe von monatlich 300 € bewilligt worden war, berechnete er den Vorausleistungsanspruch unter Einbeziehung des Elterngeldes neu und setzte die Leistungen entsprechend fest. Danach überzahlte Leistungen forderte er unter entsprechender Abänderung der Bewilligungsbescheide zurück. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren unter anderem mit dem Ziel der Bewilligung von Vorausleistungen ohne Anrechnung des Elterngeldes erhobene Klage insoweit abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, die Änderungs- und Rückforderungsbescheide aufgehoben und den Beklagten zur Bewilligung von Vorausleistungen auch ohne Anrechnung des Elterngeldes verpflichtet, weil § 10 Abs. 1 BEEG eine Anrechnung des Elterngeldes auf die Vorausleistung nach § 36 BAföG verbiete.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision und trägt insbesondere vor, die Vorausleistung nach § 36 Abs. 1 BAföG sei allein von der Gefährdung der Ausbildung abhängig, die eine tatsächliche finanzielle Notlage voraussetze. § 10 Abs. 1 BEEG gelte insoweit nicht, die Berechnung des Einkommens nach §§ 21 ff. BAföG betreffe allein die Ermittlung des regulären Bedarfs des Auszubildenden und sei § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG vorgeschaltet.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und unterstützt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung die Revision des Beklagten.

[Entscheidungsgründe]

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ).

1. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Vorausleistung von Ausbildungsförderung nach § 36 Abs. 1 Halbs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes - BAföG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952 ; 2012 I S. 197), für die hier maßgeblichen Bewilligungszeiträume zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3484 ), ohne Anrechnung des ihr nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG - vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2748 ), für den hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2013 (BGBl. I S. 254 ), bewilligten Elterngeldes in Höhe von monatlich 300 € hat.

Gemäß § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG wird auf Antrag nach Anhörung der Eltern Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des nach den Vorschriften dieses Gesetzes angerechneten Unterhaltsbetrags der Eltern geleistet, wenn der Auszubildende glaubhaft macht, dass seine Eltern diesen Betrag nicht leisten und die Ausbildung - auch unter Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten oder Lebenspartners im Bewilligungszeitraum - gefährdet ist. Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass der Vater der Klägerin in den streitigen Bewilligungszeiträumen den gemäß §§ 21 ff. BAföG angerechneten Unterhaltsbeitrag nicht geleistet hat und dass die Ausbildung ohne die Berücksichtigung des der Klägerin gewährten Elterngeldes im Sinne des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG gefährdet wäre. Streitig ist allein, ob die Gefährdung der Ausbildung in Höhe des Elterngeldes von 300 € ausgeschlossen ist. Dies ist nicht der Fall, wie sich aus der Auslegung des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG ergibt.

a) Der Wortsinn des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG hindert nicht, das Elterngeld zu vernachlässigen. Zwar beschreibt das in dieser Vorschrift vorausgesetzte Merkmal der "Gefährdung" der Ausbildung einen tatsächlichen Zustand, der in einer durch den Ausfall einer Unterhaltsleistung der Eltern hervorgerufenen finanziellen Notlage besteht. Eine Gefährdung ist danach grundsätzlich in dem Umfang auszuschließen, in dem dem Auszubildenden finanzielle Mittel tatsächlich zufließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2014 - 5 C 3.14 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 18 Rn. 12). Aus diesem Begriffsinhalt folgt jedoch nicht zwingend, dass das Elterngeld im Umfang seiner Höhe eine Gefährdung ausschließt.

b) Die Nichtanrechnung von Elterngeld bis zu 300 € im Rahmen der Vorausleistung ergibt sich nicht unmittelbar aus dem systematischen Verhältnis des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG zu dem den Einkommensbegriff definierenden § 21 BAföG . Allerdings ist Elterngeld in dieser Höhe kein Einkommen im Sinne des § 21 BAföG . Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG gelten als Einkommen im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit Ausnahme der Unterhaltsleistungen der Eltern des Auszubildenden und seines Ehegatten oder Lebenspartners in Höhe der tatsächlich geleisteten Beträge auch sonstige Einnahmen, die zur Deckung des Lebensbedarfs bestimmt sind, soweit sie das Bundesministerium für Bildung und Forschung in einer Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat. Der aufgrund dieser Ermächtigung erlassene § 1 der Verordnung zur Bezeichnung der als Einkommen geltenden sonstigen Einnahmen nach § 21 Abs. 3 Nr. 4 BAföG ( BAföG -EinkommensVO) vom 5. April 1988 (BGBl. I S. 505 ), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 29. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246 ) legt fest, welche Leistungen der sozialen Sicherung als Einnahmen gelten, die zur Deckung des Lebensbedarfs bestimmt sind. Gemäß § 1 Nr. 2 Buchst. f BAföG -EinkommensVO gehört dazu Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz nur, soweit es die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge übersteigt. Nach § 10 Abs. 1 BEEG bleibt u.a. Elterngeld bei bestimmten Sozialleistungen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 € im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Aus der Nichtberücksichtigung einer Einnahme als Einkommen folgt aber nicht zugleich auch deren Nichtberücksichtigung im Rahmen des Merkmals der Gefährdung der Ausbildung. Die Qualifizierung als Einkommen wirkt sich vor allem bei der Ermittlung des regulären Bedarfs des Auszubildenden aus, die nicht Gegenstand des § 36 BAföG , sondern diesem "vorgeschaltet" ist (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2014 - 5 C 3.14 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 18 Rn. 18).

c) Die Nichtanrechnung von Elterngeld in Höhe von 300 € folgt auch nicht unmittelbar aus dem systematischen Zusammenhang des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG mit § 23 BAföG , der Freibeträge vom Einkommen des Auszubildenden bestimmt. Freibeträge nach § 23 BAföG sind im Rahmen der Prüfung der Gefährdung der Ausbildung zu berücksichtigen, wenn dies die Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorausleistung sowie der Anrechnungsvorschriften gebietet (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 22.93 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 14 S. 3). Für das Elterngeld folgt hieraus unmittelbar nichts, da es in § 23 BAföG nicht aufgeführt ist.

d) Das Gebot der Vernachlässigung des Elterngeldes bis zur Höhe von 300 € im Monat folgt hingegen aus dem systematischen Zusammenhang des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG zu einer diesen Betrag anrechnungsfrei stellenden Freibetragsregelung im materiellen Sinn.

aa) Eine dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu entnehmende oder auf ihm beruhende Freibetragsregelung im materiellen Sinn ist bei der Beurteilung einer Gefährdung im Sinne des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG zu berücksichtigen, wenn dies die Auslegung des Gesetzes ergibt. Eine materielle Freibetragsregelung liegt vor, wenn die in Betracht kommende Bestimmung bei wertender Betrachtung einer entsprechenden Norm gleichsteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelten die sich aus den Abschnitten IV und V des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ergebenden Anrechnungsvorschriften insoweit auch für die in Abschnitt VII des Gesetzes besonders geregelte Vorausleistung, wenn und soweit dies die Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorausleistung und der Anrechnungsvorschriften ergibt (BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 1994 - 11 C 22.93 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 14 S. 2 f. m.w.N. und vom 9. Dezember 2014 - 5 C 3.14 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 18 Rn. 19). Das Bundesverwaltungsgericht hat dies für die in den §§ 23 und 29 BAföG bestimmten Freibeträge vom Einkommen und Vermögen bejaht. Entsprechendes gilt für Bestimmungen außerhalb der §§ 23 und 29 BAföG für den Fall, dass diese sich als Freibetragsregelung im materiellen Sinne erweisen mit der Folge, dass Einnahmen bis zu der dort bestimmten Grenze eine Gefährdung der Ausbildung im Sinne des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG nicht ausschließen. Ob eine Regelung außerhalb der §§ 23 und 29 BAföG materiell als Regelung eines Freibetrags vom Einkommen anzusehen ist, bemisst sich in Anlehnung an die Voraussetzungen, unter denen normierte Freibetragsregelungen im Rahmen des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG zu berücksichtigen sind, am Zweck der Vorausleistung gemäß § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG und dem Zweck der jeweils in Betracht kommenden Bestimmung.

Nach ständiger Rechtsprechung kommt der Vorausleistung gemäß § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG eine Bedarfssicherungsfunktion zu (BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 1994 - 11 C 22.93 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 14 S. 3 und vom 9. Dezember 2014 - 5 C 3.14 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 18 Rn. 14). Sie dient nicht nur dazu, Beeinträchtigungen der Ausbildung infolge einer Nichterfüllung bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche zu verhindern, sondern soll zugleich die durch die unterschiedlichen Voraussetzungen entstehende Lücke zwischen dem bürgerlichen Unterhaltsrecht und dem Ausbildungsförderungsrecht schließen. Insofern handelt es sich nur scheinbar um Vorausleistungen, tatsächlich aber um eine endgültige Erweiterung der Förderung über den sonst nach dem Einkommen der Eltern pauschalierend bemessenen Rahmen hinaus. Wegen dieser Bedarfssicherungsfunktion der Leistungen nach § 36 Abs. 1 BAföG gelten die Freibetragsregelungen der Abschnitte IV und V des Bundesausbildungsförderungsgesetzes auch im Rahmen des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG , wenn die Gründe, die den Gesetzgeber dazu veranlasst haben, bestimmte Beträge vom Einkommen und Vermögen des Auszubildenden bei der staatlichen Förderung anrechnungsfrei zu lassen, auch im Bereich der Vorausleistung Geltung beanspruchen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 22.93 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 14 S. 3 f.). Für Regelungen, die zwar formell keine Freibetragsregelungen vom Einkommen sind, aber gemessen an ihrem Zweck den normierten Freibetragsregelungen wertungsmäßig gleichstehen, gilt nichts anderes.

bb) Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen bewirkt der auf der Verordnungsermächtigung des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG beruhende § 1 Nr. 2 Buchst. f BAföG -EinkommensVO nicht nur, dass Elterngeld bis zu einer Höhe von 300 € im Monat nicht als Einkommen gilt. Es handelt sich auch um eine Freibetragsregelung im materiellen Sinn, die im Rahmen des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG Geltung beansprucht.

Die Bestimmung ist mit den normierten Freibetragsregelungen der §§ 23 und 29 BAföG insoweit vergleichbar, als dem Auszubildenden ein Teil einer Einnahme verbleibt, während der überschießende Teil als Einkommen angerechnet wird. Entscheidend ist, dass § 1 Nr. 2 Buchst. f BAföG -EinkommensVO mit Blick auf seinen Zweck den normierten Freibetragsbestimmungen gleichsteht.

Ausweislich seiner Begründung soll die Ausgestaltung der Einkommensregelung sicherstellen, dass Elterngeld als Einkommen nur soweit berücksichtigt wird, wie es die Beträge nach § 10 BEEG übersteigt (BT-Drs. 16/1889 S. 29). Das nach § 10 BEEG auch für die Empfänger einkommensabhängiger Sozialleistungen anrechnungsfrei bleibende Elterngeld soll also dem Auszubildenden auf jeden Fall neben der staatlichen Ausbildungsförderung verbleiben, so dass er hierüber zusätzlich verfügen kann. Der Verordnungsgeber hat mit der Bezugnahme auf § 10 BEEG außerdem dessen Zweck als eigenständigen förderungsrechtlichen Zweck in das Bundesausbildungsförderungsgesetz übernommen. Elterngeld soll Eltern, die im ersten Lebensjahr auf eine volle Erwerbstätigkeit verzichten, um ihr Kind selbst zu betreuen und zu erziehen, bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage unterstützen und dazu beitragen, dass sich die gegenwärtige individuelle wirtschaftliche Situation und die späteren Möglichkeiten der Daseinsvorsorge für Mütter und Väter wegen der vorrangigen Betreuung ihres Kindes nicht verschlechtern, wobei den Mindestbeträgen vor allem der Zweck einer einheitlichen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen zukommt (BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 5 C 18.12 - Buchholz 436.511 § 93 SGB VIII Nr. 5 Rn. 15 m.w.N.). Damit verfolgt § 1 Nr. 2 Buchst. f BAföG -EinkommensVO auch eigene privilegierende Zwecke, die denjenigen der normierten Freibetragsregelungen gleichwertig sind.

Soweit es sich bei § 1 Nr. 2 Buchst. f BAföG -EinkommensVO um eine materielle Freibetragsregelung handelt, ist er im Rahmen des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG in der Weise zu berücksichtigen, dass Elterngeld in Höhe von bis zu 300 € im Monat nicht anzurechnen ist. Dies gebieten die für die Annahme einer materiellen Freibetragsregelung sprechenden Gründe, die insoweit entsprechend gelten.

Dem steht nicht entgegen, dass der Senat in seinem Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 22.93 - (Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 14 S. 3 f.) die Anreiz- und Vereinfachungsfunktion als für den Zweck einer Freibetragsregelung als maßgeblich angesehen hat. Dies bezog sich auf den hier nicht vorliegenden Fall von Einkommen nach § 23 Abs. 1 und § 29 Abs. 1 BAföG . Damit war nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Anreiz- und Vereinfachungsfunktion auch anderen Freibetragsregelungen zugrunde liegt. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 9. Dezember 2014 - 5 C 3.14 - (Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 18 Rn. 19).

2. Das Oberverwaltungsgericht hat auch die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide zu Recht aufgehoben. Da die Klägerin einen Anspruch auf Bewilligung von Vorausleistungen nach § 36 Abs. 1 BAföG ohne Anrechnung des Elterngeldes hat, sind diese Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 02.03.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 12 A 1736/16
Vorinstanz: VG Münster, vom 28.06.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 2162/14