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BVerwG - Entscheidung vom 26.08.2019

4 BN 1.19

Normen:
BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 4
BauGB § 1 Abs. 7
LEP NRW Nr. 6.5-1, 6.5-2, 6.5-7
BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 4
BauGB § 1 Abs. 7
LEP NRW Nr. 6.5-1 und 6.5-2 und 6.5-7
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1
BauGB § 1 Abs. 4

Fundstellen:
BauR 2020, 59
DÖV 2020, 37
NVwZ 2020, 326

BVerwG, Beschluss vom 26.08.2019 - Aktenzeichen 4 BN 1.19

DRsp Nr. 2019/14917

Frage des Einsetzens der gemeindlichen Planungspflicht im Hinblick auf die Verwirklichung der Raumordnungsziele; Planungsrechtliche Unzulässigkeit eines womöglich den Zielen der Raumordnung widersprechenden Vorhabens auch ohne gemeindliche Planung; Voraussetzungen einer Revisionszulassung wegen Divergenz; Großflächiger Einzelhandel

Eine gemeindliche Planungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB setzt ein, wenn die Verwirklichung der Raumordnungsziele bei Fortschreiten der "planlosen" städtebaulichen Entwicklung auf unüberwindbare (tatsächliche oder rechtliche) Hindernisse stoßen oder wesentlich erschwert würde (BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <38>). Sie besteht nicht, wenn ein womöglich den Zielen der Raumordnung widersprechendes Vorhaben schon ohne eine gemeindliche Planung planungsrechtlich unzulässig ist.

Da eine gemeindliche Planungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB erst dann einsetzt, wenn die Verwirklichung der Raumordnungsziele bei Fortschreiten der "planlosen" städtebaulichen Entwicklung auf unüberwindbare (tatsächliche oder rechtliche) Hindernisse stoßen oder wesentlich erschwert würde, besteht sie hinsichtlich eines Vorhabens - hier bezüglich der Erweiterung der Verkaufsfläche eines Lebensmitteldiscounters - nicht, das bereits ohne eine gemeindliche Planung planungsrechtlich unzulässig ist. Es bedarf dann keiner Planung, um das - den Zielen des entsprechenden LEP womöglich zuwiderlaufende - Vorhaben zu verhindern.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Normenkette:

BauGB § 1 Abs. 3 S. 1; BauGB § 1 Abs. 4 ;

Gründe

Die Antragstellerin betreibt auf dem einzigen Grundstück im Gebiet des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans einen Lebensmitteldiscounter mit einer Verkaufsfläche von 856 qm. Sie beantragte die Erteilung eines Vorbescheids für einen Lebensmitteldiscounter mit rund 1 350 qm Verkaufsfläche. Die Antragsgegnerin nahm den Antrag zum Anlass, für das zuvor unbeplante Grundstück einen Bebauungsplan zu erlassen und ein Sondergebiet "Lebensmitteldiscounter" mit einer Verkaufsfläche von bis zu 860 qm festzusetzen. Die Klage auf Erteilung des Vorbescheides blieb erfolglos (OVG Münster, Urteil vom 8. Oktober 2018 - 10 A 1803/16 - BauR 2019, 215 = NWVBl. 2019, 69 ). Mit dem angegriffenen Urteil hat das Oberverwaltungsgericht die Unwirksamkeit des Bebauungsplans festgestellt (OVG Münster, Urteil vom 8. Oktober 2018 - 10 D 56/18.NE - BauR 2019, 206 = NWVBl. 2019, 70 ), weil die Festsetzung eines Sondergebiets nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sei. Planungsrechtlicher Handlungsbedarf habe sich für die Gemeinde auch nicht aus den Nrn. 6.5-1 bis 6.5-7 LEP NRW ergeben. Ferner verstoße der Plan gegen das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB .

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie zeigt hinsichtlich der selbständig tragenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu § 1 Abs. 7 BauGB keinen Revisionszulassungsgrund auf. Die Beschwerde legt weder einen Revisionszulassungsgrund zur Annahme der Vorinstanz dar, die Antragsgegnerin sei zur Überplanung des Grundstücks nicht verpflichtet gewesen (I.), noch zu der Annahme, Nr. 6.5-7 LEP NRW binde die Antragsgegnerin nicht (II.). Damit besteht kein Klärungsbedarf, wie sich eine Planungspflicht und Ziele der Raumordnung auf die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB auswirken könnten (III.). Schließlich besteht hinsichtlich der Abwägung der Eigentümerbelange kein Grund, die Revision zuzulassen (IV.).

I. Das Oberverwaltungsgericht hat eine Planungspflicht verneint (UA S. 9). Gründe für eine Zulassung der Revision zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf.

1. Nach Auffassung der Vorinstanz stellt sich die Frage einer Anpassung an die Ziele der Raumordnung erst, wenn die Aufstellung eines Bebauungsplans nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (UA S. 7). Die Beschwerde meint, diese Annahme weiche im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von dem Senatsurteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - (BVerwGE 119, 25 <39, 43>) ab. Dies bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

a) Allerdings steht die Aussage der Vorinstanz nicht in Einklang mit der Senatsrechtsprechung zu § 1 Abs. 4 BauGB . Danach sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Die Gemeinde muss daher (unter dem Vorbehalt der materiellrechtlichen und zeitlichen Erforderlichkeit im Einzelfall) planerisch aktiv werden, wenn allein geänderte oder neue Ziele der Raumordnung eine Anpassung der Bauleitpläne erfordern (BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <39>). § 1 Abs. 4 BauGB kann dabei als eigenständige Rechtsgrundlage einer Pflicht zur (erstmaligen) Aufstellung eines Bauleitplans neben § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB treten, wenn die Gemeinde planungsunwillig ist oder ein planerisches Einschreiten nicht aus städtebaulichen (bodenrechtlichen) Gründen, sondern auch zur konkretisierenden Umsetzung raumordnungsrechtlicher Zielaussagen erforderlich ist (BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 a.a.O. S. 43). Die Gemeinde kann also durch § 1 Abs. 4 BauGB zu einer Erstplanung verpflichtet sein (ebenso die h.M., vgl. etwa Kümper, ZfBR 2018, 119 <126>; Ingold, Erstplanungspflichten im System des Planungsrechts, 2007, S. 245 ff.; Bartram, Die Ziele der Raumordnung, 2012, S. 111 ff.; Kuschnerus/Bischopink/Wirth, Der standortgerechte Einzelhandel, 2. Aufl. 2018, Rn. 423; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB , Stand Mai 2019, § 1 Rn. 67; Gierke/Blessing, in: Brügelmann, BauGB , Stand Januar 2019, § 1 Rn. 434 ff.; Schrödter/Wahlhäuser, in: Schrödter, BauGB , 9. Aufl. 2019, § 1 Rn. 135; alle m.w.N.)

b) Die Beschwerde legt aber nicht dar, dass die vorinstanzliche Entscheidung auf dieser Abweichung beruhen kann. Nach der Rechtsprechung des Senats setzt die gemeindliche Planungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB ein, wenn die Verwirklichung der Raumordnungsziele bei Fortschreiten der "planlosen" städtebaulichen Entwicklung auf unüberwindbare (tatsächliche oder rechtliche) Hindernisse stoßen oder wesentlich erschwert würde (BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <38>).

aa) Der bestehende Einzelhandelsbetrieb der Antragstellerin löst eine Planungspflicht nicht aus. Dies gilt selbst dann, wenn sein Bestand den Integrationsgeboten nach Nr. 6.5-1 und Nr. 6.5-2 LEP NRW in der Fassung der Verordnung über den Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2016 (GV. NRW. 2017 S. 122) widerspräche. Nach diesen als Ziele der Raumordnung festgesetzten Bestimmungen dürfen Kerngebiete und Sondergebiete für Vorhaben nach § 11 Abs. 3 BauNVO , also auch für großflächige Einzelhandelsbetriebe, nur in regionalplanerisch festgelegten allgemeinen Siedlungsgebieten dargestellt und festgesetzt werden (Nr. 6.5-1 LEP NRW). Dabei dürfen nach Nr. 6.5-2 Satz 1 LEP NRW jedenfalls grundsätzlich für Vorhaben mit zentrenrelevanten Kernsortimenten Kerngebiete und Sondergebiete nur in bestehenden zentralen Versorgungsbereichen oder in neu geplanten zentralen Versorgungsbereichen in städtebaulich integrierten Lagen dargestellt und festgesetzt werden, die aufgrund ihrer räumlichen Zuordnung sowie verkehrsmäßigen Anbindung für die Versorgung der Bevölkerung zentrale Funktionen des kurz-, mittel- oder langfristigen Bedarfs erfüllen sollen.

Nach Nr. 6.5-7 Satz 1 LEP NRW dürfen indes abweichend von Nrn. 6.5-1 bis 6.5-6 LEP NRW vorhandene Standorte von Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO außerhalb von zentralen Versorgungsbereichen als Sondergebiete gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO dargestellt und festgesetzt werden. Dabei sind die Sortimente und deren Verkaufsflächen nach Satz 2 in der Regel auf die Verkaufsflächen, die baurechtlichen Bestandsschutz genießen, zu begrenzen. Die Raumordnung nimmt damit hin, dass vorhandene Standorte jedenfalls im Umfang ihres Bestandsschutzes erhalten bleiben, auch wenn sie außerhalb von zentralen Versorgungsbereichen liegen. Davon geht auch die Antragsgegnerin aus, die ihren Bebauungsplan im Einklang mit § 1 Abs. 4 BauGB sieht.

bb) Das geplante Vorhaben löst keine Planungspflicht aus. Allerdings erscheint nicht ausgeschlossen, dass ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit einer vergrößerten Verkaufsfläche den Festsetzungen der Nrn. 6.5-1 und 6.5-2 LEP NRW widerspräche und einem solchen Betrieb die Regelung der Nr. 6.5-7 LEP NRW "Ziel Überplanung von vorhandenen Standorten mit großflächigem Einzelhandel" nicht zugutekäme. Eine Planungspflicht aus § 1 Abs. 4 BauGB setzt jedoch voraus, dass eine "planlose" Entwicklung die Errichtung eines solchen großflächigen Einzelhandels mit größerer Verkaufsfläche zuließe (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <39>). Mit seinem rechtskräftigen Urteil vom 8. Oktober 2018 in der Sache 10 A 1803/16 lehnte das Oberverwaltungsgericht indes einen Anspruch auf einen Vorbescheid für den Neubau eines vergrößerten Lebensmitteldiscounters aus planungsrechtlichen Gründen ab. Es bedurfte also keiner Planung, um ein - den Zielen des LEP NRW womöglich zuwiderlaufendes - Vorhaben zu verhindern.

c) Hiervon unabhängig reichen die tatrichterlichen Feststellungen nicht aus, um die Entscheidungserheblichkeit des zu § 1 Abs. 4 BauGB aufgestellten Rechtssatzes zu beurteilen. Das Oberverwaltungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt konsequent - Feststellungen zur Lage des Grundstücks im Hinblick auf Nr. 6.5-1 und Nr. 6.5-2 LEP NRW nicht getroffen. Damit scheidet eine Revisionszulassung aus. Denn der Sinn der Zulassung der Divergenzrevision, die Rechtseinheit zu gewährleisten, kann nur erfüllt werden, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Abweichung im Revisionsverfahren unmittelbar und nicht erst durch Zurückverweisung der Sache und auf Grund weiter Sachaufklärung feststellen kann (BVerwG, Beschluss vom 13. April 1971 - 4 B 61.70 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 76 S. 22).

2. Die Beschwerde legt nicht dar, dass die Verneinung einer Planungspflicht eine Frage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufwirft.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).

Die Beschwerde hält insoweit für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob ein gegen ein kommunales Einzelhandelskonzept der planenden Gemeinde und Ziele der Raumordnung verstoßendes Erweiterungsvorhaben das Erfordernis zur Überplanung eines bestehenden großflächigen Einzelhandelsbetriebs im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO mit einem Sondergebiet nach § 11 BauNVO mit Regelungen zur Größe der Verkaufsfläche begründet.

Soweit die Frage auf das Bestehen einer Planungspflicht abstellt, bedarf ihre Beantwortung angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens. Es liegt auf der Hand, dass eine Planungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB nicht besteht, wenn ein womöglich den Zielen der Raumordnung widersprechendes Vorhaben schon ohne eine gemeindliche Planung planungsrechtlich unzulässig ist. Damit wird auch die weitere Frage nicht aufgeworfen, ob die Gemeinde verpflichtet wäre, bei einer Überplanung bestimmte Festsetzungen zu treffen.

Das Oberverwaltungsgericht hat im Übrigen nicht festgestellt, dass das Vorhaben der Antragstellerin gegen Ziele der Raumordnung und ein kommunales Einzelhandelskonzept verstößt. Die Vorinstanz hat also Tatsachen nicht festgestellt, die vorliegen müssten, damit sich die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Frage in einem Revisionsverfahren stellen könnte. Es widerspricht aber dem Ziel der Grundsatzrevision, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (stRspr; BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>), wenn die Revision im Hinblick auf Fragen zugelassen würde, deren Entscheidungserheblichkeit nicht feststeht (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 4 BN 36.15 - juris Rn. 12 m.w.N.).

II. Die Beschwerde zeigt hinsichtlich der Ausführungen der Vorinstanz zu Nr. 6.5-7 LEP NRW keinen Revisionszulassungsgrund auf.

1. Die Beschwerde möchte insoweit grundsätzlich klären lassen,

ob es mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG in Gestalt der kommunalen Planungshoheit und den Anforderungen an die Letztabgewogenheit von Zielen der Raumordnung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG vereinbar ist, wenn Ziele der Raumordnung der planenden Gemeinde bei der Überplanung eines vorhandenen Standorts, der gegen Ziele der Raumordnung verstößt, als Sondergebiet für den großflächigen Einzelhandel die regelmäßige Begrenzung der Verkaufsflächen und zentrenrelevanter Sortimente auf den geschützten Bestand und die Zulassung nur geringfügiger Erweiterungen vorgeben.

Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil die Beschwerde keinen bundesrechtlichen Klärungsbedarf darlegt. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht gerügt, so ist näher darzulegen, inwieweit der bundesrechtliche Maßstab seinerseits entscheidungserhebliche ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 4 BN 3.14 - BRS 82 Nr. 1 Rn. 4 m.w.N.). Daran lässt es die Beschwerde fehlen, die solchen Klärungsbedarf weder im Hinblick auf Art. 28 Abs. 2 GG noch in Hinblick auf § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG darlegt.

2. Die Beschwerde bezeichnet auch keine Abweichung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu dem Urteil des Senats vom 15. Mai 2003 - 4 CN 9.01 - (BVerwGE 118, 181 <184>) und den Beschlüssen des Senats vom 7. Februar 2005 - 4 BN 1.05 - (NVwZ 2005, 584 <585>) und vom 8. März 2006 - 4 B 75.05 - (Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 124 Rn. 16). Sie entnimmt diesen Entscheidungen den Rechtssatz, dass Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG der Bindung der gemeindlichen Bauleitplanung an Ziele der Raumordnung nicht prinzipiell entgegensteht.

Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht nicht aufgestellt. Es hat bezogen auf die konkreten Regelungen des LEP NRW von einer übermäßigen Beschränkung des Planungsspielraums der Gemeinden gesprochen (UA S. 7). Ferner entnimmt die Beschwerde dem angegriffenen Urteil die Rechtssätze, (1.) dass die landesplanerische Vorgabe der regelmäßigen Begrenzung der Verkaufsflächen und zentrenrelevanten Sortimente auf den geschützten Bestand bei Überplanung eines vorhandenen Standorts als Sondergebiet und die Zulassung nur geringfügiger Erweiterungen den Planungsspielraum der Gemeinden unverhältnismäßig einengten (UA S. 8) und (2.) dass eine generelle Interessenbewertung auf einer übergeordneten Planungsebene die notwendige Ermittlung, Beurteilung und Gewichtung der örtlichen Umstände und konkret berührten Belange bei der Aufstellung eines Bebauungsplans nicht zu ersetzen vermöge (UA S. 8).

Diese, auf konkrete Regelungen eines Landesentwicklungsplans gemünzten Formulierungen sagen nicht, dass Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG einer Bindung der gemeindlichen Bauleitplanung an Ziele der Raumordnung prinzipiell entgegensteht. Sie weichen auch nicht von der Aussage im Senatsurteil vom 16. Dezember 2010 - 4 C 8.10 - (BVerwGE 138, 301 Rn. 18) ab, dass die raumordnerische Standortplanung für raumbedeutsame Einzelhandelsgroßbetriebe ein überörtliches Interesse darstellt, das eine Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit rechtfertigen kann.

III. Die von der Beschwerde mit Bezug auf § 1 Abs. 7 BauGB formulierten Fragen,

ob die Überplanung eines bestehenden großflächigen Einzelhandelsbetriebs im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO mit einem Sondergebiet und der Zulassung einer einzigen Nutzung abwägungsgerecht ist, wenn Ziele der Raumordnung nach § 1 Abs. 4 BauGB die Gemeinde verpflichten, die Fläche zu überplanen und dabei die zulässige Verkaufsfläche auf den Bestand einschließlich geringfügiger Erweiterungen zu begrenzen,

und

ob in der bauleitplanerischen Abwägung die Auswirkungen der Planung auf die Eigentümerinteressen zu berücksichtigen sind, wenn die Planung Ziele der Raumordnung umsetzt und eine Planungsalternative fehlt,

rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Sie würden sich in dem angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich nicht stellen, weil das Oberverwaltungsgericht aus den Festsetzungen Nrn. 6.5-1 bis 6.5-7 LEP NRW keine Planungspflicht abgeleitet und Nr. 6.5-7 LEP NRW eine Bindungswirkung abgesprochen hat, und die Beschwerde hinsichtlich dieser Annahmen zum Landesrecht keine Gründe für die Zulassung der Revision darlegt.

IV. Die Beschwerde legt auch im Hinblick auf die Abwägung der Eigentümerbelange keinen Revisionszulassungsgrund dar.

1. Sie hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob dem Eigentümer eines zur baulichen Nutzung vorgesehenen Grundstücks in einem festgesetzten Baugebiet grundsätzlich eine Bandbreite möglicher Nutzungen verbleiben muss.

Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Der von der Beschwerde kritisierte Satz (UA S. 13) stellt die Festsetzung des Sondergebietes dem in der Praxis üblichen vollständigen oder teilweisen Ausschluss von verschiedenen Formen des Einzelhandels in Misch- oder Gewerbegebieten gegenüber. In solchen Fällen verbliebe dem Eigentümer regelmäßig eine Bandbreite möglicher Einzelhandelsnutzungen oder anderer Nutzungsarten. Das Oberverwaltungsgericht hält der Antragsgegnerin vor, den besonderen Aspekt ihrer Planung verkannt zu haben. Aus dem Zusammenhang und den Bezug auf § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB wird deutlich, dass das Oberverwaltungsgericht keinen Rechtssatz zum Abwägungsergebnis aufstellen, sondern einen Fehler im Abwägungsvorgang bezeichnen wollte. Daran geht die Beschwerde vorbei.

2. Die vorinstanzliche Entscheidung weicht insoweit nicht von einem Rechtssatz aus dem Senatsurteil vom 10. November 2011 - 4 CN 9.10 - (BVerwGE 141, 144 Rn. 18) ab. Das Bundesverwaltungsgericht hat dort auf die Möglichkeit hingewiesen, ein Sondergebiet für einen einzigen großflächigen Einzelhandelsbetrieb festzusetzen und den Betrieb dann in einem zweiten Schritt nach Bedarf entsprechend den raumordnerischen Anforderungen nach Sortimenten und (Sortiments-)Verkaufsflächen zu untergliedern und/oder zu begrenzen. Von diesem, den Inhalt des Bebauungsplans betreffenden Satz ist die Vorinstanz mit ihren Ausführungen zum Abwägungsvorgang nicht abgewichen.

V. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund mit ihren weiteren Ausführungen zu § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und § 11 BauNVO darlegt. Ist ein Urteil auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, setzt die Zulassung der Revision voraus, dass in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund erfolgreich geltend gemacht wird (stRspr; BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2016 - 3 B 38.16 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 3 und vom 15. August 2018 - 4 BN 9.18 - juris Rn. 11). Daran fehlt es, weil die Ausführungen der Vorinstanz zu § 1 Abs. 7 BauGB die Entscheidung selbständig tragen und insoweit kein Revisionszulassungsgrund dargelegt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 08.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 10 D 56/18
Fundstellen
BauR 2020, 59
DÖV 2020, 37
NVwZ 2020, 326