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BVerwG - Entscheidung vom 17.07.2019

7 B 27.18

Normen:
BImSchG § 16

BVerwG, Beschluss vom 17.07.2019 - Aktenzeichen 7 B 27.18

DRsp Nr. 2019/12568

Erforderlichkeit einer Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG für eine Bodenreinigungsanlage; Erforderlichkeit eines Änderungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung

1. Soweit unanfechtbare Entscheidungen, die dem Urteil der Vorinstanz vorausgegangen sind, einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entzogen sind, zählen hierzu auch Beschlüsse im Zulassungsverfahren - hier: über die Zulassung der Berufung.2. Verneint das Tatsachengericht fehlerhaft das Vorliegen von Sachurteilsvoraussetzungen und weist es die Klage folglich zu Unrecht durch Prozessurteil ab, kann dies grundsätzlich einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen. Entsprechendes gilt, wenn eine Sachurteilsvoraussetzung unzutreffend bejaht und zu Unrecht ein Sachurteil ergeht. Ein rügefähiger Verfahrensfehler liegt aber nur dann vor, wenn die inkorrekte Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht, etwa einer Verkennung ihrer Begriffsinhalte und der zugrunde zu legenden Maßstäbe; demgegenüber liegt ein materiell-rechtlicher Mangel vor, wenn die Vorinstanz deswegen zu einer unzutreffenden Bewertung der Zulässigkeit gelangt, weil sie eine materiell-rechtliche Vorfrage unzutreffend beantwortet.3. Soweit die erforderlichen Voraussetzungen einer Anlagenänderung nach § 16 Abs. 1 BImSchG nicht schon deswegen gegeben sind, weil die Genehmigung aufgrund einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung erteilt worden und deswegen rechtswidrig ist, kommt eine erweiternde Auslegung der Vorschrift dahingehend, das zur rechtswidrigen (Änderungs-)Genehmigung führende Verfahren könne damit unmittelbar durch ein ordnungsgemäßes Änderungsverfahren ersetzt werden, nicht in Betracht.

Normenkette:

BImSchG § 16 ;

[Gründe]

I

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Bodenreinigungsanlage der Klägerin einer Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG bedurfte. Im Genehmigungsbescheid vom 22. Juni 2007 wurde die Anlage in Übereinstimmung mit dem Genehmigungsantrag unter Nr. 8.11 und 8.12 des Anhangs der 4. BImSchV a.F. eingestuft. Später vertrat der Beklagte die Auffassung, dass der Anlagenbetrieb formell rechtswidrig sei, weil die Anlage zutreffend unter Nr. 8.8 des Anhangs der 4. BImSchV a.F. einzuordnen sei; dies erfordere ein Änderungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Klägerin beantragte daraufhin beim Beklagten die Feststellung, dass die gegebenenfalls erforderliche Zuordnung der Anlage zu weiteren Anlagenbezeichnungen keine Änderung der Anlage darstelle. Mit Bescheid vom 4. September 2013 stellte der Beklagte fest, dass die von der Klägerin angezeigte Zuordnung der Anlage zu einer weiteren Anlagenbezeichnung einer Genehmigung nach § 16 BImSchG bedürfe. Das Verwaltungsgericht wies die Klage, mit der die Klägerin u.a. ein Verpflichtungsbegehren auf Feststellung, hilfsweise ein Feststellungsbegehren, des Inhalts geltend machte, dass die geänderte Zuordnung weder nach § 16 Abs. 1 BImSchG genehmigungsbedürftig noch gemäß § 15 BImSchG anzeigepflichtig sei, ab. Während des Berufungsverfahrens erteilte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 eine Änderungsgenehmigung u.a. zur Einbeziehung der zutreffenden Anlagenbezeichnung. Das Oberverwaltungsgericht hat dem weiterverfolgten Feststellungsbegehren hinsichtlich der fehlenden Genehmigungsbedürftigkeit stattgegeben und die Berufung im Übrigen - in Bezug auf die Anzeigepflicht - wegen Unzulässigkeit der Klage zurückgewiesen: Der Feststellungsantrag sei zulässig. Insbesondere habe die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung. Die beabsichtigte Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs sei nicht offensichtlich aussichtslos. Insbesondere könne die Kollegialgerichts-Richtlinie nicht herangezogen werden, um ein Verschulden von vornherein auszuschließen. Denn das Verwaltungsgericht sei in seiner Entscheidung von einer verfehlten Betrachtungsweise ausgegangen und habe wesentliche rechtliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen. Die Feststellungsklage sei nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär. Die im Parallelverfahren erhobene Anfechtungsklage gegen den Feststellungsbescheid der Beklagten sei nicht vorrangig. Die Feststellungsklage sei auch begründet. Die nachträgliche Zuordnung der Anlage zu einer anderen Anlagenbeschreibung stelle keine Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs der Anlage, sondern lediglich eine rechtliche Neubewertung der bereits genehmigten Anlage dar.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

II

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Auch soweit die Beschwerde sich nicht lediglich im Stile eines zulassungsfreien Rechtsmittels mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts auseinandersetzt und revisionsrechtliche Bezüge aufweist, legt sie einen Grund, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, nicht dar.

1. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor. Die Klägerin rügt ohne Erfolg, dem Oberverwaltungsgericht sei eine (Sach-)Entscheidung über das Feststellungsbegehren verwehrt gewesen.

a) Die Beschwerde sieht einen für die Revisionszulassung beachtlichen Verfahrensfehler darin, dass das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin unter Verstoß gegen § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO zugelassen habe, obwohl diese einen Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargelegt habe; es habe folglich zu Unrecht im Berufungsverfahren entschieden.

Die behauptete Fehlerhaftigkeit des Beschlusses über die Zulassung der Berufung begründet keinen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO . Sie stellt einen solchen nicht selbst und unmittelbar dar, denn Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sind nur Prozessrechtsverstöße im Zuge des zweitinstanzlichen Verfahrens zur Hauptsache. Der Zulassungsbeschluss ergeht aber nicht im Berufungsverfahren, sondern im Zulassungsverfahren, auch wenn dieses nach Ergehen des Zulassungsbeschlusses auch als Berufungsverfahren fortgesetzt wird (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO ). Die gerügte Rechtswidrigkeit des Zulassungsbeschlusses hat auch nicht die Fehlerhaftigkeit des durch ihn möglich gewordenen Berufungsverfahrens zur Folge. Zwar ist die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 1 VwGO Voraussetzung für eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in der Sache, so dass bei Unwirksamkeit des gerichtlichen Ausspruchs über die Berufungszulassung für eine Sachentscheidung des Oberverwaltungsgerichts in der Hauptsache kein Raum ist. Ein Beschluss nach § 124a Abs. 5 VwGO über die Berufungszulassung ist jedoch nicht deshalb unwirksam, weil er, wie der Beklagte geltend macht, auf einen unzulässigen oder unbegründeten Zulassungsantrag ergangen ist. Verfahrensfehlerhaft zustande gekommene oder sachlich unrichtige gerichtliche Entscheidungen sind in aller Regel - und so auch hier - nicht unwirksam, sondern, soweit gegeben, durch das statthafte Rechtsmittel anfechtbar und vernichtbar. Soweit - wie hier - ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist (§ 152 Abs. 1 VwGO ), verbleibt es bei der ergangenen Entscheidung sowie den durch sie herbeigeführten Wirkungen (BVerwG, Urteil vom 13. Juli 1999 - 1 C 15.98 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 9 S. 4; vgl. auch § 132 Abs. 3 VwGO ). Zu diesen gehört auch, dass gemäß § 124a Abs. 5 VwGO durch den erfolgreichen Zulassungsantrag das Verfahren in der durch den Zulassungsbeschluss eröffneten Berufungsinstanz anhängig wird. Ist aber ein Rechtsstreit in einer Instanz anhängig geworden, so hat das zur Entscheidung in diesem Rechtszug berufene Gericht schon nach den allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen keine Möglichkeit, diese Prozesslage ungeschehen zu machen und sich der Entscheidung zu entziehen (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 1988 - 9 CB 19.88 - Buchholz 402.25 § 32 AsylVfG Nr. 6 S. 1 f. und vom 12. Dezember 1997 - 9 B 1141.97 - juris Rn. 6).

Das Vorbringen des Beklagten führt jedenfalls deswegen nicht zur Zulassung der Revision, weil unanfechtbare Entscheidungen, die dem Urteil der Vorinstanz vorausgegangen sind, einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entzogen sind (§ 557 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO ). Hierzu zählen auch Beschlüsse im Zulassungsverfahren. Zwar ist im Zusammenhang mit einer unanfechtbaren Vorentscheidung die Rüge eines Verfahrensmangels insoweit zulässig, als sie sich nicht unmittelbar gegen die Vorentscheidung als solche richtet, sondern einen Mangel betrifft, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend dem angefochtenen Urteil selbst anhaftet. Dies ist aber nicht schon dann gegeben, wenn - wie hier - allein die inhaltliche Richtigkeit der Vorentscheidung im Streit steht. Deren inhaltliche Prüfung durch das Revisionsgericht würde im Ergebnis auf eine Missachtung der in § 557 Abs. 2 ZPO aus prozessökonomischen Gründen vorgeschriebenen Bindung des Revisionsgerichts an die unanfechtbare Vorentscheidung der Instanzgerichte hinauslaufen (BVerwG, Beschlüsse vom 11. November 1987 - 9 B 379.87 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 153, vom 14. Dezember 2006 - 1 B 272.06 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 33 Rn. 3 und vom 29. Mai 2009 - 2 B 74.08 - juris Rn. 2).

b) Der Vortrag, das Oberverwaltungsgericht sei zu Unrecht von der Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgegangen, führt ebenso wenig auf einen revisionsrechtlich beachtlichen Verfahrensmangel.

Verneint das Tatsachengericht fehlerhaft das Vorliegen von Sachurteilsvoraussetzungen und weist es die Klage folglich zu Unrecht durch Prozessurteil ab, kann dies grundsätzlich einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen. Entsprechendes gilt, wenn eine Sachurteilsvoraussetzung unzutreffend bejaht und zu Unrecht ein Sachurteil ergeht. Ein rügefähiger Verfahrensfehler liegt aber nur dann vor, wenn die inkorrekte Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht, etwa einer Verkennung ihrer Begriffsinhalte und der zugrunde zu legenden Maßstäbe; demgegenüber liegt ein materiell-rechtlicher Mangel vor, wenn die Vorinstanz deswegen zu einer unzutreffenden Bewertung der Zulässigkeit gelangt, weil sie eine materiell-rechtliche Vorfrage unzutreffend beantwortet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Januar 2016 - 7 B 3.15 - juris Rn. 18, vom 20. Dezember 2017 - 6 B 14.17 - NVwZ 2018, 739 Rn. 11 und vom 5. März 2019 - 7 B 3.18 - juris Rn. 7, jeweils m.w.N.).

Hiernach ist allein mit dem Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht ein Feststellungsinteresse wegen der beabsichtigten Erhebung einer Amtshaftungsklage angenommen, ein Verfahrensmangel nicht aufgezeigt; denn insofern sind materiell-rechtliche Vorgaben maßgeblich.

Eine verfahrensrechtliche Frage ist jedoch aufgeworfen, soweit die Klägerin rügt, das Oberverwaltungsgericht habe vor dem Hintergrund der im Parallelverfahren erhobenen Anfechtungsklage, die nach zwischenzeitlicher Erledigung des Verwaltungsakts als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt worden ist, die Subsidiarität der im vorliegenden Verfahren zu entscheidenden Feststellungsklage unter Verstoß gegen § 43 Abs. 2 VwGO verkannt.

Der Anwendungsbereich des § 43 Abs. 2 VwGO ist hier allerdings nicht mehr eröffnet. Die Vorschrift regelt nur das Verhältnis der Feststellungsklage zur Gestaltungs- oder Leistungsklage. In dem für das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 - 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 Rn. 17 ff. und vom 2. November 2017 - 7 C 25.15 - NVwZ 2018, 986 Rn. 19) war nicht mehr über eine Gestaltungsklage in Form einer Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung des Feststellungsbescheids zu entscheiden. Denn Gegenstand einer nach Erledigung des Verwaltungsakts fortgeführten Fortsetzungsfeststellungsklage ist ungeachtet ihrer Nähe zur Anfechtungsklage ein Feststellungsbegehren (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 1967 - 1 C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165 f.> und vom 22. September 2016 - 2 C 17.15 - BVerwGE 156, 159 Rn. 12).

Demgegenüber stellt sich auch hier weiterhin die Frage des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses, das in § 43 Abs. 2 VwGO eine besondere Ausprägung findet (Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO , 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 114). Das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage ist nur dann zu verneinen, wenn die Fortsetzungsfeststellungsklage die rechtsschutzintensivere Klageart wäre (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26. März 2014 - 4 B 55.13 - BRS 82, 789 Rn. 4 m.w.N.). Das ist nicht der Fall. Die - zulässige - Feststellungsklage eröffnet der Klägerin in jedem Fall die Prüfung ihres Begehrens, während bei der Fortsetzungsfeststellungsklage davon nicht ausgegangen werden kann.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist bezogen auf den Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll; diese kann sich auch bereits aus Gründen wie etwa dem Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage oder Mängeln des Verwaltungsverfahrens ergeben, die keinen Bezug zu den im Rahmen der Feststellungsklage zu prüfenden materiell-rechtlichen Gründen aufweisen. Wegen dieses insoweit erweiterten und folglich nicht notwendigerweise deckungsgleichen Prüfprogramms fehlt es der - insoweit fallübergreifenden - Feststellungsklage nicht am Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 2018 - 5 P 6.16 - Buchholz 250 § 25 BPersVG Nr. 20 Rn. 10; Rennert, in: Eyermann, VwGO , 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 25). Unbeachtlich ist insoweit, dass die gerichtliche Entscheidung im Parallelverfahren sehr wohl auf die materiell-rechtlichen Fragen abgestellt hat; denn in dem für die Beurteilung der Zulässigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung war die Entscheidung im Parallelverfahren jedenfalls nicht rechtskräftig.

2. Mit der Grundsatzrüge dringt die Beschwerde ebenso wenig durch.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine über den Einzelfall hinausgehende klärungsfähige und klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in einem künftigen Revisionsverfahren zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortentwicklung des Rechts beantwortet werden kann. Diese Voraussetzungen werden für keine der vom Beklagten als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen aufgezeigt.

a) Die im Zusammenhang mit den Verfahrensrügen stehenden (hilfsweise) als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen rechtfertigen die Revisionszulassung nicht.

Die Frage,

welche Anforderungen an die Darlegung eines Berufungszulassungsgrunds bei Erledigung des Verwaltungsakts im Laufe des Zulassungsverfahrens zu stellen sind,

war weder für das Oberverwaltungsgericht entscheidungserheblich, noch käme es im Revisionsverfahren darauf an. Die Revisionszulassung setzt indessen eine Rechtsfrage voraus, die für das angegriffene Urteil entscheidungserheblich war (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2018 - 7 BN 3.18 - NVwZ-RR 2019, 384 Rn. 11 m.w.N.).

Die Frage,

ob auch im Falle der sachidentischen Erledigung einer Feststellungs- und einer Anfechtungsklage sich der Aspekt eines weiterreichenden Rechtsschutzes nach den primären Anträgen der Klagen beurteilt oder nach den sekundären,

bedarf nicht der Klärung im angestrebten Revisionsverfahren. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegen (siehe nur BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 - 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 Rn. 17 ff. und vom 2. November 2017 - 7 C 25.15 - NVwZ 2018, 986 Rn. 19).

Ein Wechsel auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) kommt hier schon deswegen nicht in Betracht, weil eine vermeintliche Divergenz jedenfalls nicht erst nachträglich eingetreten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 1986 - 8 B 7.85 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 240). Im Übrigen wäre insoweit letztlich in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2016 - 2 B 17.16 - Buchholz 232.01 § 9 BeamtStG Nr. 4 Rn. 14 m.w.N.) von der Ergebnisrichtigkeit der Entscheidung auszugehen, wenn man des Weiteren annehmen wollte, dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts gleichwohl auf der Abweichung beruht.

b) Mit der Frage,

ob eine verfahrensfehlerhaft erteilte Änderungsgenehmigung nach dem BImSchG , und zwar bei Unheilbarkeit der Verfahrensfehler, nicht auch dann zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustands eine Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG voraussetzt, wenn die "Änderung" zwar nicht ausdrücklich dem Wortlaut des Gesetzes, aber doch einer gesetzesspezifischen Gesamtbetrachtung zu entnehmen ist,

die im Weiteren wie folgt ergänzt wird:

ob im Wege der teleologischen Ergänzung ein Verständnis des § 16 Abs. 1 BImSchG geboten ist, das in Fällen wie dem vorliegenden auch Änderungen der Genehmigung einschließt, wenn diese das Wesen, d.h. den Charakter der Anlage betreffen und diesen wesentlich prägen und was auch bei der Anlageneinstufung in den Anhang 1 zur 4. BImSchV a.F. der Fall sein kann, wenn es um dort genannte Tätigkeiten etc. geht,

wird ein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf nicht aufgezeigt. Die von der Beschwerde vertretene rechtsfortbildende Auslegung des § 16 Abs. 1 BImSchG ist verfehlt; diese Feststellung kann ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens getroffen werden.

Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die für die Anwendung des § 16 Abs. 1 BImSchG vorausgesetzte Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs der Anlage sich nach dem Inhalt der Genehmigung - einschließlich hinzutretender Änderungsgenehmigungen - bemisst, die für die Anlage erteilt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 1989 - 7 C 35.87 - BVerwGE 84, 220 <224> und vom 25. August 2005 - 7 C 25.04 - BVerwGE 124, 156 <159>). Ist die Anlage in Übereinstimmung mit dem Regelungsgehalt des Genehmigungsbescheids errichtet worden und wird sie dementsprechend betrieben, führt die gebotene Vergleichsbetrachtung nicht auf eine Abweichung, die eine neue Genehmigung erfordert (vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand April 2011, § 16 BImSchG Rn. 62).

Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen einer Anlagenänderung sind nicht schon deswegen gegeben, wenn die Genehmigung aufgrund einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung erteilt worden und deswegen rechtswidrig ist. Davon geht auch die Beschwerde aus. Sie meint aber, das Ziel, "mit mildestem Mitteleinsatz die Reparatur der verfahrensfehlerhaften Genehmigung zu ermöglichen", gebiete eine erweiternde Auslegung des § 16 Abs. 1 BImSchG . Das zur rechtswidrigen (Änderungs-)Genehmigung führende Verfahren könne damit unmittelbar durch ein ordnungsgemäßes Änderungsverfahren ersetzt werden. Damit beschreibt die Beschwerde indessen ein Regelungsmodell, das die Grenzen einer gesetzesgebundenen Auslegung überschreitet. Dies folgt jedenfalls daraus, dass die Bestandskraft der Genehmigung ohne Weiteres und ohne Berücksichtigung von zugunsten des Genehmigungsinhabers streitenden Vertrauensschutzerwägungen beseitigt würde. Nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ist dies ohne eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung aber nicht möglich.

c) Die auf die Voraussetzungen eines Präjudizinteresses zielenden Fragen,

ob fehlendes Verschulden wegen einer schwierigen Rechtslage und der Vertretbarkeit einer Rechtsansicht anzunehmen ist

und

welche Anforderungen an die Offensichtlichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens zu stellen sind,

beziehen sich ersichtlich auf die Umstände des Einzelfalles und sind einer fallübergreifenden Beantwortung nicht zugänglich.

3. Die Revision ist schließlich nicht wegen der vom Beklagten in Bezug auf verschiedene Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (siehe Beschwerdebegründung S. 6, 10, 19 und 21) geltend gemachten Abweichung des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zuzulassen.

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO öffnende Divergenz ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten und deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Daran fehlt es hier. Die Beschwerde stellt nicht, wie hiernach geboten, divergierende Rechtssätze gegenüber, sondern bemängelt - ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach - eine unzutreffende Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten rechtlichen Maßstäbe. Allein dies begründet noch keine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2013 - 7 B 39.12 - juris Rn. 8 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung und Änderung des Streitwerts folgen aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 sowie § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG .

Vorinstanz: OVG Sachsen-Anhalt, vom 18.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 L 45/15
Vorinstanz: VG Halle, vom 24.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 2 A 6/15