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BVerwG - Entscheidung vom 29.07.2019

2 B 18.18

Normen:
BeamtStG § 49 Abs. 4
StPO § 477 Abs. 2 S. 3 Nr. 1

BVerwG, Beschluss vom 29.07.2019 - Aktenzeichen 2 B 18.18

DRsp Nr. 2019/14324

Disziplinargerichtliche Entfernung eines Justizvollzugsbeamten aus dem Beamtenverhältnis; Berücksichtigung verfassungsfeindlicher Äußerungen in dienstlichen Telefongesprächen; Verwertbarkeit von durch eine Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnissen

Die zur Kontrolle des Verwaltungshandelns berufenen Gerichte sind in ihrer Bewertung der Rechtslage unabhängig von der Rechtsauffassung der Verwaltung.

Normenkette:

BeamtStG § 49 Abs. 4 ; StPO § 477 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 ;

[Gründe]

Die Beschwerde betrifft die disziplinargerichtliche Entfernung eines Justizvollzugsbeamten aus dem Beamtenverhältnis.

1. Der geborene Beklagte steht als Amtsinspektor im Justizvollzugsdienst im Dienst des klagenden Landes und war zuletzt - bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung im Oktober 2010 aus Anlass der gegen ihn geführten straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen - in der Justizvollzugsanstalt W. überwiegend im Stationsdienst (Wechselschichtdienst) eingesetzt.

Im Jahr 2010 wurde im Rahmen eines gegen den Beklagten und dessen Kollegen S. geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie Bestechlichkeit bzw. Bestechung aufgrund amtsgerichtlicher Anordnung die Telekommunikation von einem Festnetz- und drei Mobiltelefonanschlüssen des Beklagten überwacht. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde im Jahr 2011 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Im Zuge dieser Telefonüberwachung ermittelte die Staatsanwaltschaft u.a., dass der Beklagte in mehreren Telefonaten im Zeitraum August bis September 2010 mit seinem Kollegen S. rechtsextremistische und gewaltverherrlichende Äußerungen ausgetauscht hat. Die Staatsanwaltschaft übermittelte dem Kläger diese Erkenntnisse in Gestalt einer Abschrift der Telefonüberwachung mit dem Hinweis, dass sich aus ihr konkrete Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ergäben; es bestehe die Gefahr erheblicher verbaler und körperlicher Übergriffe zum Nachteil von Gefangenen.

Der Kläger hat daraufhin Disziplinarklage erhoben, mit der er dem Beklagten im Wesentlichen rechtsextremistische, verfassungsfeindliche und menschenverachtende Äußerungen in den Telefongesprächen mit seinem Kollegen S. vorwarf (Komplex I). Weiter habe der Beklagte während einer Feier auf seinem privaten Hausgrundstück für die Nachbarschaft laut hörbar Musik mit rechtsextremistischen Hintergrund und Reden von Adolf Hitler abgespielt (Komplex II) und in den Jahren 2009 und 2010 bei verschiedenen Begebenheiten während der Dienstausübung rechtsextremistische und verfassungsfeindliche Äußerungen getätigt (Komplex III). Schließlich habe er gegenüber seinem Dienstherrn falsche Angaben in Bezug auf seine Steuerklasse und seinen Familienstand gemacht und dadurch unrechtmäßige Überzahlungen herbeigeführt (Komplex IV). Wegen des Komplexes III hat das Verwaltungsgericht die Vorwürfe als in der Klageschrift nicht hinreichend bezeichnet angesehen und die Disziplinarklage insoweit für unzulässig gehalten. Wegen der Äußerungen in den Telefonaten (Komplex I) hat es den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt; in den Entscheidungsgründen hat es u.a. ausgeführt, dass der Vorwurf zu Komplex II das Bild über den Beklagten "abrunde" (UA S. 22) und dass dem vom Beklagten zugestandenen Vorwurf zu IV keine weitergehende Wirkung im Hinblick auf die verwirkte Disziplinarmaßnahme zukomme (UA S. 24).

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Dass die Telefongespräche, wie sie in der Disziplinarklageschrift wiedergegeben seien, stattgefunden hätten, sei unstreitig. Die durch die Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse seien - sowohl für den Dienstherrn wie nachfolgend für die Disziplinargerichte - auch verwertbar. Zu Unrecht rüge der Beklagte, dass die Staatsanwaltschaft diese Erkenntnisse ohne hinreichende Rechtsgrundlage dem Dienstherrn übermittelt habe. Zutreffende Rechtsgrundlage hierfür sei allerdings nicht die von der Staatsanwaltschaft angeführte Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO , sondern § 49 Abs. 4 BeamtStG . Die Übermittlungsbefugnisse gemäß § 477 StPO seien nicht abschließend. Vielmehr blieben besondere gesetzliche Bestimmungen, die die Übermittlung von Daten aus Strafverfahren anordnen oder erlauben, gemäß § 480 StPO unberührt. Zu diesen Regelungen gehöre § 49 BeamtStG . Diese Vorschrift sei eine bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage für die Übermittlung von Daten von Gerichten und Strafverfolgungsbehörden an den Dienstherrn, um diesem dienstrechtliche Maßnahmen gegen den Beamten zu ermöglichen.

Die Voraussetzungen des § 49 Abs. 4 BeamtStG lägen vor. Zwar hätten die durch die Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse keinen Bezug zu den ursprünglich gegenüber dem Beklagten erhobenen strafrechtlichen Anschuldigungen, aber sie enthielten hinreichende Anhaltspunkte für gravierende Verletzungen von Dienstpflichten. Dass die Äußerungen im Rahmen von als vertraulich empfundenen Telefonaten des Beklagten mit seinem Kollegen S. getätigt und durch Art. 10 GG geschützt seien, sei unerheblich. Denn sie seien im Rahmen des Strafverfahrens rechtmäßig gewonnen worden und ihre anderweitige Verwendung diene der disziplinaren Ahndung des Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht. Ebenso unerheblich sei, dass es zu keiner strafrechtlichen Verurteilung des mitverfolgten Kollegen S. wegen dessen Äußerungen betreffend gewalttätige oder verbale Übergriffe gegenüber dem Gefangenen G. gekommen sei.

Dass die Staatsanwaltschaft die Weitergabe ihrer Erkenntnisse auf § 477 StPO gestützt habe, begründet keinen Fehler bei der nach § 49 Abs. 4 BeamtStG anzustellenden Ermessensausübung, weil das Ermessen auf Null reduziert gewesen sei. Aufgrund der Telefongespräche sei zu befürchten gewesen, dass es zu Übergriffen des Beklagten gegenüber Gefangenen bereits gekommen sei und weitere körperliche oder verbale Übergriffe jederzeit hätten erfolgen können, was ein unmittelbares dienstrechtliches Vorgehen notwendig gemacht habe.

Der Beklagte habe ein schweres außerdienstliches Dienstvergehen begangen, durch das er das Vertrauen seines Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Er habe gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen. Hierzu gehörten insbesondere die Achtung vor den Menschenrechten und die Absage an Taten und Gedankengut des Nationalsozialismus. Hiergegen habe der Beklagte in seinen Telefongesprächen mit seinem Kollegen S. verstoßen. Beide Beamte hätten sich darin in rechtsextremistischer und Gewalt befürwortender Weise geäußert, indem sie wechselseitig Aussagen des jeweils anderen zustimmten, diese bestätigten, bekräftigten oder steigerten. So hätten die beiden Beamten mit der Aussage, dass, "wenn es KZ's gegeben habe", sie als "legitim und unabkommbar" anzusehen seien, zum Ausdruck gebracht, dass sie die physische Vernichtung der Juden durch das NS-Unrechtsregime befürworteten. Auch hätten sie den Holocaust mehrfach ausdrücklich geleugnet ("die ganze KZ-Scheiße" sei "alles Lug und Trug" und vom "Engländer ... erfunden"). In weiteren Gewalt- und Tötungsfantasien hätten sich beide Beamte über Juden, über (während des Zweiten Weltkriegs zu vernichtende) Franzosen und Russen, "Neger" und Pakistani sowie über Gefangene ihrer Justizvollzugsanstalt in einer mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und den grundlegenden Prinzipien der Verfassung unvereinbaren Weise geäußert. In ihren Aussagen über "eine Säuberungsaktion in W. im Knast" und über reihenweise Erschießungen von Gefangenen "per Einzelschuss" hätten beide Beamte ihre Missachtung gegenüber dem rechtsstaatlichen Gewaltmonopol und dem System des Strafvollzugs zum Ausdruck gebracht sowie die Ausübung willkürlicher und extralegaler Gewalt befürwortet. Weitere Äußerungen über gewalttätige und sexualisierte Übergriffe bis hin zu Tötungsfantasien mit klarem Bezug zu ihren Dienstpflichten hätten sich konkret auf den Gefangenen G. bezogen.

Der in diesen Gewalt- und Tötungsfantasien liegende Verstoß gegen die Treuepflicht wiege schwer. Der Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt, insbesondere seien keine Anhaltspunkte für eine alkoholbedingte Verminderung der Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt gegeben. Bei Würdigung aller be- und entlastenden bemessungsrelevanten Umstände sei die disziplinare Höchstmaßnahme zu verhängen.

2. Die Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob sie den Darlegungsanforderungen gemäß § 73 HDG i.V.m. § 132 Abs. 2 und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f.). Zweifel daran rühren daher, dass sie sich eher in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels gegen das Berufungsurteil wendet und sich darin erschöpft, ihre abweichende Rechtsansicht gegen die des Berufungsgerichts zu setzen.

Dies kann jedoch auf sich beruhen. Denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

a) Bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung kann der Beschwerdebegründung immerhin entnommen werden, dass die Beschwerde mit ihrem Hinweis auf "die Frage der Anwendbarkeit des § 477 Abs. 1 StPO , § 49 BeamtStG und die Ermessensausübung durch den damals sachbearbeitenden Staatsanwalt" sowie mit ihrem Vorwurf, es sei "nicht mehr nachvollziehbar", dass der Verwaltungsgerichtshof "zwei Normen in eigener Rechtsauffassung ausgetauscht" habe, sinngemäß es für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hält,

ob ein Verwaltungsgericht ein Verwaltungshandeln aufgrund einer anderen als der von der Verwaltung benannten Rechtsgrundlage für rechtmäßig erachten kann

und

ob dies im Streitfall bei der Übermittlung der Protokolle über die Telefonüberwachung durch die Staatsanwaltschaft an den Dienstvorgesetzten des Beklagten konkret auch für die hier nach gerichtlicher Auffassung zutreffende, eine Ermessensentscheidung voraussetzende Vorschrift des § 49 Abs. 4 BeamtStG anstelle des von der Staatsanwaltschaft genannten § 477 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO gilt.

Dies rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil diese Fragen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens anhand des Gesetzes, allgemeiner Rechtsgrundsätze und vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung im Sinne des Berufungsurteils beantwortet - d.h. bejaht - werden kann.

aa) Es ist als allgemeiner Grundsatz anerkannt, dass die zur Kontrolle des Verwaltungshandelns berufenen Gerichte in ihrer Bewertung der Rechtslage, namentlich in der Frage, anhand welcher Rechtsnormen das Verwaltungshandeln zu überprüfen und aufgrund welcher Rechtsnormen es als rechtmäßig erachtet werden kann, unabhängig von der Rechtsauffassung der Verwaltung sind. Dies kommt bereits in dem römisch-rechtlichen Rechtssatz "iura novit curia" zum Ausdruck. Im geltenden Verwaltungsprozessrecht findet er seinen Niederschlag in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO , wonach das Verwaltungsgericht einen angefochtenen Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid (nur) aufhebt, (wenn und) soweit er rechtswidrig (und den Kläger in seinen Rechten verletzt). Kommt das Gericht zu der Erkenntnis, dass der Verwaltungsakt zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt ist, ist das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet zu prüfen, ob (und ggf. in welchem Umfang) der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern der Bescheid durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsnorm und die dadurch geänderte Begründung nicht in seinem Wesen verändert wird. Bei gebundenen Verwaltungsakten schadet eine inhaltlich fehlerhafte Begründung (auch) zur zugrunde liegenden Rechtsgrundlage daher grundsätzlich nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile 27. Januar 1982 - 8 C 12.81 - BVerwGE 64, 356 <357 f.>, vom 27. Oktober 1983 - 3 C 64.82 - BVerwGE 68, 143 <150>und vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96 <97 f.>; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO , 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 23 f.). Bei einer solchen Konstellation bedarf es auch keiner (richterlichen) Umdeutung, so dass die Bestätigung des Behördenhandelns nicht davon abhängt, ob die Voraussetzungen für eine Umdeutung erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96 <97 f.>). Auch § 39 Abs. 1 VwVfG normiert für Verwaltungsakte lediglich eine formelle Begründungspflicht; aus der Regelung folgt keine Pflicht zur objektiv richtigen Begründung mit der Folge eines Rechtswidrigkeitsverdikts, falls die von der Behörde genannte Rechtsnorm nicht die materiell-rechtlich richtige ist, um ihren Entscheidungsausspruch zu tragen (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG , 9. Aufl. 2018, § 39 Rn. 30).

All dies gilt nicht nur für Verwaltungsakte (auf die sich § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 39 Abs. 1 VwVfG allein beziehen), sondern auch für sonstiges Verwaltungshandeln jenseits der Rechtsform des Verwaltungsaktes. Das Gericht hat demnach nicht nur zu überprüfen, ob das Handeln der Verwaltung durch die von ihr als zutreffend angenommene Rechtsnorm gerechtfertigt ist, sondern auch, ob es von (irgend-)einer anderen Rechtsnorm getragen wird. Ob die von der Behörde zur Rechtfertigung ihres Handelns gegebene Begründung zutreffend ist, ist dagegen für dessen Rechtmäßigkeit nicht entscheidungserheblich.

Die Beschwerde zeigt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, dass oder warum im Streitfall bei der Frage, ob das Berufungsgericht § 49 Abs. 4 BeamtStG anstelle von § 477 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO "nachträglich austauschen" und als maßgebliche Rechtsgrundlage für die in Rede stehende Übermittlung der Telefonüberwachung ansehen durfte, Anderes gelten sollte.

bb) Auch der Einwand der Beschwerde, dass die vom Berufungsgericht für zutreffend erachtete Regelung des § 49 Abs. 4 BeamtStG eine Ermessensentscheidung vorsehe, während dies bei der von der Staatsanwaltschaft für maßgeblich erachteten Regelung des § 477 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO - entsprechend dem im Bereich der Strafverfolgung geltenden Legalitätsprinzip - nicht der Fall sei, begründet keine derartige Klärungsbedürftigkeit.

Das Berufungsgericht hat aufgrund seiner Würdigung der streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten während der Telefonüberwachung angenommen, dass diese Äußerungen ein unmittelbares dienstrechtliches Vorgehen des Dienstherrn gegen den Beklagten unabdingbar machten, weil nicht auszuschließen war, dass die beiden Telefongesprächspartner jederzeit bereit waren, die von ihnen geäußerten gewalttätigen Übergriffe gegenüber ihrem unmittelbaren Zugriff ausgesetzten Gefangenen der Justizvollzugsanstalt auch in die Tat umzusetzen. Das Berufungsgericht hat daraus geschlossen, dass der Staatsanwaltschaft keine andere Entscheidung blieb als die, ihre Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung dem Dienstherrn zu übermitteln, damit dieser dienstrechtliche Maßnahmen umgehend prüfen konnte. Gegen diese Annahme, d.h. dass der Fall einer sog. Ermessensreduzierung auf Null vorlag, macht die Beschwerde keinen Revisionsgrund geltend.

Hiervon ausgehend zeigen auch die Ausführungen der Beschwerde, dass seitens der Staatsanwaltschaft eine Ermessensentscheidung gar nicht getroffen worden sei oder ihre Entscheidung fehlerhaft sei, keinen Revisionszulassungsgrund auf. Soweit die Beschwerde mit Blick auf den von ihr beanstandeten Eingriff in Grundrechte und den weiteren Lebenslauf des Beamten wissen will, "welche Prüfungsanforderung an einen Staatsanwalt als ermittelnden Sachbearbeiter zu stellen ist", fehlt es an einer konkreten Frage, die - über den Hinweis auf die gesetzlichen Anforderungen hinaus - in einem Revisionsverfahren in verallgemeinender Form näher beantwortet werden könnte.

b) Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung scheidet ferner aus, soweit die Beschwerde diese damit zu begründen sucht, dass "die Anwendung des § 49 Abs. 4 BeamtStG vorliegend nicht greifen kann", weil § 49 Abs. 4 BeamtStG lediglich die Übermittlung solcher Erkenntnisse erlaube, die im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Dritte bekannt geworden seien, nicht dagegen, wenn dieses gegen den Beamten selbst eingeleitet worden sei (Beschwerdebegründung S. 2 unten). Es bedarf indes keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens um zu klären, dass dies rechtsirrig ist. Für eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

Schon dem Wortlaut der Norm lässt sich dafür nichts entnehmen. Vielmehr hätte es nahe gelegen, dass der Normgeber dies durch eine einfache und klare Formulierung (in einem Strafverfahren "gegen Dritte") deutlich gemacht hätte. Da als Anwendungsbereich der Norm in § 49 Abs. 1 BeamtStG Strafverfahren "gegen Beamtinnen und Beamte" genannt werden, hätte es einer solchen Einschränkung bedurft, wenn innerhalb derselben Norm in einem folgenden Absatz (Abs. 4) eine derartige Eingrenzung gewollt gewesen wäre. Auch aus den Gesetzesmaterialien, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich nichts dergleichen herleiten. Vielmehr ist § 49 BeamtStG (in seiner Gesamtheit) nach Wortlaut, Aufbau sowie Sinn und Zweck zwangslos als eine abgestufte Gesamtregelung zu verstehen (vgl. B. Hoffmann, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Bd. 2, Stand Januar 2015, § 49 BeamtStG Rn. 2; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG 2009, Stand Mai 2019, § 115 BBG Rn. 8 <zur Parallelregelung in § 115 BBG>), die in ihrem Absatz 1 im Fall einer öffentlichen Klage (§ 152 Abs. 1 und § 170 Abs. 1 StPO ) wegen vorsätzlich begangener Straftaten die Übermittlung bestimmter formaler Rechtsakte anordnet (beschränkt auf einen "numerus clausus" von Dokumenten, nämlich Anklage-/Antragsschrift, Antrag auf Erlass eines Strafbefehls und den Rechtszug abschließende Entscheidung), während Absatz 2 diese Übermittlungspflicht bei fahrlässig begangenen Straftaten weiter einschränkt und Absatz 3 sie auf (noch nicht von Absatz 1 oder 2 erfasste) Verfahrenseinstellungen erweitert. Hiernach erfasst § 49 Abs. 4 BeamtStG nach seinem klaren Wortlaut alle "sonstige Tatsachen, die in einem Strafverfahren bekannt werden", ohne dass dies näher eingeschränkt wird, mithin auch solche Erkenntnisse, die keinen unmittelbaren Bezug zu der verfolgten Straftat haben (vgl. Reich, BeamtStG , 3. Aufl. 2018, § 49 Rn. 19). Sie hat damit die Funktion einer Auffangnorm mit generalklauselartig formulierten Voraussetzungen, nämlich dass die Kenntnis der übermittelten Tatsachen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls für dienstrechtliche Maßnahmen gegen einen Beamten erforderlich ist und keine für die übermittelnde Stelle erkennbaren schutzwürdigen Interessen des Beamten an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen. Der Anwendungsbereich von Absatz 4 ist damit deutlich weiter als in den Absätzen 1 und 3 (so zutreffend Lemhöfer, a.a.O. § 115 BBG Rn. 8; B. Hoffmann, a.a.O. § 49 BeamtStG Rn. 27, jeweils m.w.N.). Diese Systematik übersieht die - soweit ersichtlich einzige - die Ansicht der Beschwerde teilende Literaturstimme (Burkholz, in: von Roetteken/Rothländer, Hessisches Beamtenrecht, § 49 BeamtStG , Stand Januar 2011, Rn. 31, in der unzutreffenden Annahme, dass nach Abs. 4 "letztlich doch das Gleiche wie nach Abs. 1" gelte <ebenda R. 32>).

3. Soweit der Beschwerde mit ihrem Hinweis (Beschwerdebegründung S. 5 unten), dass "zwischen den Verfahrensfehlern und der Entscheidung des Gerichts eine Kausalität" bestehe und die "Beruhensfrage" zu bejahen sei, ist damit auch kein Verfahrensmangel i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargetan. Abgesehen davon, dass bereits unklar bleibt, ob die Beschwerde mit den behaupteten "Verfahrensfehlern" solche des behördlichen oder solche des gerichtlichen Disziplinarverfahrens meint, wird jedenfalls nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dargelegt, gegen welche das gerichtliche Verfahren betreffende Vorschrift das Berufungsgericht verstoßen hätte.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 1 HDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO . Einer Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (§ 82 Abs. 1 Satz 1 HDG i.V.m. Nr. 11 und 62 der Anlage zu § 82 Abs. 1 Satz 1 HDG).

Vorinstanz: VG Wiesbaden, vom 11.05.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 28 K 976/13
Vorinstanz: VGH Hessen, vom 19.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 28 A 2326/16