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BVerwG - Entscheidung vom 05.09.2019

1 B 62.19

Normen:
RL 2011/95/EU Art. 10 Abs. 1d
AsylG § 3a Abs. 2 Nr. 5
AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 4
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1

BVerwG, Beschluss vom 05.09.2019 - Aktenzeichen 1 B 62.19

DRsp Nr. 2019/14530

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren; Nachweis einer konkreten Gefahrenlage bei einer Rückkehr nach Syrien; Berücksichtigung einer Wehrdienstverweigerung in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt

Im Hinblick auf syrische Wehrdienstentzieher schließt das selbständige Erfordernis der "deutlich abgegrenzten Identität" eine Auslegung aus, nach der eine "soziale Gruppe" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG / Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU allein dadurch begründet wird, dass eine Mehr- oder Vielzahl von Personen in vergleichbarer Weise von etwa als Verfolgungshandlung zu qualifizierenden Maßnahmen betroffen wird; nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut greift auch § 3b Abs. 2 AsylG / Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU erst bei der zugeschriebenen Zugehörigkeit zu einem der im jeweiligen Absatz 1 genannten Verfolgungsgründe, nicht für die Konstitution der "sozialen Gruppe" selbst.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. April 2019 wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zu einem Sechstel.

Normenkette:

RL 2011/95/EU Art. 10 Abs. 1d; AsylG § 3a Abs. 2 Nr. 5 ; AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 4 ; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (I.) und eines Verfahrensmangels (II.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

I. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) wird mit der Beschwerde schon nicht hinreichend dargelegt.

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Darlegung muss sich auch auf die Entscheidungserheblichkeit des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrunds erstrecken.

Soll die grundsätzliche Bedeutung aus der Klärungsbedürftigkeit von Unionsrecht und der Notwendigkeit, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union einzuholen, hergeleitet werden, ist darzulegen, dass in dem erstrebten Revisionsverfahren zur Auslegung einer entscheidungsrelevanten unionsrechtlichen Regelung voraussichtlich eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union einzuholen sein wird und keine hinreichenden Gründe vorliegen, die die Einholung einer Vorabentscheidung entbehrlich erscheinen lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 3 B 43.86 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 243 und vom 10. Oktober 1997 - 6 B 32.97 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 29 S. 17). Die bloße Behauptung unionsrechtlicher Zweifelsfragen ohne Auseinandersetzung mit der themenrelevanten Rechtsprechung reicht hierfür nicht aus.

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

2. Die von ihr als rechtsgrundsätzlicher Klärung bedürftig erachteten Fragen,

"ob den Wehrdienst verweigernde oder dem Dienst entfliehende Wehrpflichtige in einem Innerstaatlichen Bewaffneten Konflikt im Rahmen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG eine soziale Gruppe iSv. Art. 10 Abs. 1 lit d der RL 2011/95/EU darstellen"

und

"ob die Anwendung der Vorschrift eine gezielte und für die Flucht kausale Gewissensentscheidung verlangt",

legen einen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dar.

a) Die Fragen bezeichnen schon keine grundsätzlicher Klärung bedürftigen abstrakten Rechtsfragen zu Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU oder zu § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG , sondern betreffen die fallbezogene Anwendung dieser Normen auf Personen, welche in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt den Wehrdienst verweigern oder sich diesem entziehen. Derartige Fragen der Subsumtion eines bestimmten Sachverhalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Rechtsfrage von "grundsätzlicher Bedeutung" zu kennzeichnen, weil sie - allzumal in der Situation des Bürgerkrieges in Syrien - auf das Ergebnis einer komplexen Feststellung und Würdigung des Sachverhaltes zielen.

b) Selbst wenn eine derart unspezifisch formulierte Frage als im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO klärungsfähige Frage unterstellt wird, legt die Beschwerde nicht dar, in Bezug auf welche von der bloßen Ergebniskontrolle gelöste Rechtsfrage(n) eine Revisionszulassung oder eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union in Betracht kommen könnten; namentlich setzen sie sich nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union zu Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU und des Bundesverwaltungsgerichts zu § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG auseinander und zeigen weder neuerlichen noch weitergehenden Klärungsbedarf auf.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Gruppe gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe gilt, wenn a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Im Einklang mit Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 7. November 2013 - C-199/12, C-200/12, C-201/12 [ECLI:EU:C:2013:720], Minister voor Immigratie en Asiel/X und Y sowie Z/Minister voor Immigratie en Asiel - NVwZ 2014, 132 Rn. 45 und vom 25. Januar 2018 - C-473/16 [ECLI:EU:C:2018: 36], F/Bevándorlási és Állampolgársági Hivatal - Rn. 30) müssen die mit den Buchstaben a und b gekennzeichneten Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AsylG kumulativ erfüllt sein. Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU ist in Verbindung mit der vorstehend bezeichneten Rechtsprechung des Gerichtshofes hinreichend eindeutig zu entnehmen, dass eine bestimmte soziale Gruppe in diesem Sinne nicht vorliegt, wenn die betroffene Gruppe nicht in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat beziehungsweise nicht von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 Rn. 29 und 31).

Das selbständige Erfordernis der "deutlich abgegrenzten Identität" schließt jedenfalls ohne weitergehenden Klärungsbedarf eine Auslegung aus, nach der eine "soziale Gruppe" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG/Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU allein dadurch begründet wird, dass eine Mehr- oder Vielzahl von Personen in vergleichbarer Weise von etwa als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 oder 2 AsylG/Art. 9 Abs. 1 oder 2 Richtlinie 2011/95/EU zu qualifizierenden Maßnahmen betroffen wird; nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut greift auch § 3b Abs. 2 AsylG/Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU erst bei der zugeschriebenen Zugehörigkeit zu einem der im jeweiligen Absatz 1 genannten Verfolgungsgründe, nicht für die Konstitution der "sozialen Gruppe" selbst. Insofern verkennt die Beschwerde, dass die vom Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 7. November 2013 - C-199/12, C-200/12, C-201/12 - vorgenommene Auslegung, dass das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen, die spezifisch Homosexuelle betreffen, die Feststellung erlaube, dass diese Personen als eine bestimmte soziale Gruppe anzusehen sind, nicht auf die hier zu entscheidende Konstellation syrischer Wehrdienstentzieher übertragbar ist. Auch die Ausführungen auf S. 13 bis 15 der Beschwerdebegründung enthalten keine Gesichtspunkte, wonach eine Revisionszulassung oder eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union in Betracht kommen könnte.

Die in der Beschwerdebegründung herangezogene Entscheidung des Court of Appeal (England and Wales) vom 20. Mai 2008 (Case No: C5/2007/1310) [2008] EWCA Civ 540 weist schon deswegen nicht auf einen Klärungsbedarf, weil sie sich nicht zu den Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU (bzw. dessen Vorgängerregelung in Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 2004/83/EG ) verhält, sondern eine Verfolgung aus Gründen des Art. 10 Abs. 1 Buchst. e Richtlinie 2004/83/EG prüft.

Es kommt hinzu, dass das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob diese Voraussetzungen einer "sozialen Gruppe" in Bezug auf die Arabische Republik Syrien im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt erfüllt waren, ohne dass insoweit zulässige oder begründete Verfahrensrügen erhoben worden wären. Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung, Wehrdienstentzieher hätten eine deutlich abgegrenzte Identität, weil sie "- einfach zu erkennen - junge, gesunde Männer, die keine Armeeuniform tragen", seien, findet jedenfalls in den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts keine Stütze. Gleiches gilt für die Behauptung, Wehrdienstflüchtigen werde grundsätzlich nicht nur der reine Gesetzesverstoß vorgeworfen, sondern auch eine oppositionelle Grundhaltung.

c) Bei dieser Sachlage ist nicht zu vertiefen, ob sich aus den speziell für die Situationen der Wehrdienstentziehung geschaffenen Sonderregelungen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG/Art. 9 Abs. 2 Buchst. e Richtlinie 2011/95/EU zusätzliche Anforderungen in Bezug auf § 3b Abs. 2 AsylG/Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU ergeben können, die klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben.

3. Bei den weiterhin aufgeworfenen Fragen, denen die Beschwerde rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst, nämlich

"ob 'Kriegsverbrechen' iSd. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG bzw. iSd. Art. 9 Abs. 2 lit e i.V.m. Art. 12 Abs. 2 der RL 2011/95/EU nur solche Verbrechen sind, die in der kämpfenden Truppe an der Front oder sonst im Gebiet des Herkunftsstaates begangen werden können"

und

"ob die Anwendung der Vorschrift (des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ) eine gezielte und für die Flucht kausale Gewissensentscheidung verlangt",

fehlt es bereits an der gebotenen Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Denn das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, den Klägern nicht wegen der Wehrdienstentziehung des Klägers zu 1 Flüchtlingsschutz zu gewähren, selbständig tragend auch darauf gestützt, dass es, "selbst wenn hier eine hinreichend unmittelbare Beteiligung an den inkriminierten Handlungen und eine Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung in Rede stünden", an der erforderlichen Verknüpfung einer dann drohenden Strafverfolgung oder Bestrafung mit einem Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG fehlt (UA S. 14 f.), und damit insoweit seine Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt. Die hinreichende Darlegung von Zulassungsgründen setzt dann aber voraus, dass hinsichtlich jeder dieser Gründe ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. September 2013 - 5 B 60.13 - juris Rn. 2 m.w.N. und vom 26. Juni 2014 - 1 B 5.14 - Buchholz 402.242 § 81 AufenthG Nr. 3). Daran fehlt es hier aber, weil in der Beschwerdebegründung zugestanden wird, dass die Feststellung des Berufungsgerichts, "dass diese Bestrafung nicht an eine (unterstellte) oppositionelle Gesinnung anknüpfe", nicht "klärungsfähig" sei (S. 6 der Beschwerdebegründung), und das an das Bestehen einer "sozialen Gruppe" anknüpfende Beschwerdevorbringen nicht durchgreift (s.o. I.2.).

II. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) zuzulassen.

1. Ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) ist mit der Rüge, das Berufungsgericht habe entgegen Art. 267 Abs. 3 AEUV hinsichtlich verschiedener von den Klägern aufgeworfener Fragen nicht den Gerichtshof der Europäischen Union angerufen, schon nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ).

Eine Vorlagepflicht besteht nur, wenn die Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann (Art. 267 Abs. 3 AEUV ). Das Berufungsurteil kann aber mit der - hier auch eingelegten - Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision angefochten werden, die nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 - 10 B 21.04 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 8 S. 21 und vom 12. Oktober 2010 - 7 B 22.10 - juris Rn. 9) ein "innerstaatliches Rechtsmittel" im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV bildet.

2. Eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf Wahrung ihres rechtlichen Gehörs dadurch, dass das Berufungsgericht dem Antrag

"zum Beweis der Tatsache, dass in der Region Afrin islamistische Gruppen gezielt und nach einem Plan Kurden vertreiben bzw. foltern, verletzen, töten bzw entführen und dies gerade an die kurdische Volkszugehörigkeit anknüpft, wird die Einholung einer Auskunft des Europäischen Zentrums für kurdische Studien beantragt"

nicht nachgegangen ist, ist nicht in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt.

2.1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) umfasst nach ständiger Rechtsprechung die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Ablehnung eines erheblichen Beweisantrages kann das rechtliche Gehör und die gerichtliche Aufklärungspflicht verletzen, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet.

Das Tatsachengericht darf allerdings einen auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer amtlichen Auskunft gerichteten Beweisantrag insbesondere in asylgerichtlichen Verfahren, in denen regelmäßig eine Vielzahl amtlicher Auskünfte und sachverständiger Stellungnahmen über die politischen Verhältnisse im Heimatstaat zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden, im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen und die Gefährdungsprognose im Einzelfall auf der Grundlage einer tatrichterlichen Beweiswürdigung eigenständig vornehmen (BVerwG, Beschluss vom 8. März 2006 - 1 B 84.05 - Buchholz 402.242 § 6o Abs. 2 ff. Aufenthaltsgesetz Nr. 11 Rn. 7 m.w.N.). Eine solche Würdigung findet ihre Grundlage im Prozessrecht und verletzt weder das rechtliche Gehör noch die richterliche Aufklärungspflicht, wenn die in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse zur Beurteilung der geltend gemachten Verfolgungsgefahren ausreichen und dies spätestens im Rahmen der in der Berufungsentscheidung vorzunehmenden Beweiswürdigung dargestellt und belegt wird; dann kann das Gericht einen Beweisantrag auf Einholung weiterer Auskünfte unter Berufung auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen (BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 2000 - 9 B 613.99 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 228 S. 36 f., vom 8. März 2006 - 1 B 84.05 - Buchholz 402.242 § 6o Abs. 2 ff. Aufenthaltsgesetz Nr. 11 Rn. 7 m.w.N., vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4 und vom 4. März 2015 - 1 B 9.15 - juris Rn. 4; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Juni 1993 - 2 BvR 22/93 - InfAuslR 1993, 349 <353>). Es hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den jeweils in tatsächlicher Hinsicht in dem Verfahren in Streit stehenden Einzelfragen, ab, wie konkret das Gericht seine eigene Sachkunde nachweisen muss und inwieweit sich diese aus dem Gesamtinhalt der Entscheidungsgründe und der verarbeiteten Erkenntnisquellen ableiten lässt. Der Nachweis muss jedenfalls plausibel und nachvollziehbar sein (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2001 - 1 B 158.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 315 S. 21). Schöpft das Gericht seine besondere Sachkunde aus vorhandenen Gutachten und amtlichen Auskünften, so muss der Verweis hierauf dem Einwand der Beteiligten standhalten, dass in diesen Erkenntnisquellen keine, ungenügende oder widersprüchliche Aussagen zur Bewertung der aufgeworfenen Tatsachenfragen enthalten sind (BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 2001 - 1 B 206.00 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 46 S. 7). Ist dies der Fall, steht die Einholung eines (weiteren) Gutachtens beziehungsweise einer (weiteren) Auskunft auch dann im Ermessen des Gerichts (s.a. § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO ), wenn die Erkenntnisquellen, aus denen das Gericht seine eigene Sachkunde schöpft, nicht in dem jeweiligen Verfahren eingeholt oder gerade auch nach § 411a ZPO in das Verfahren eingeführt worden sind; die Ablehnung eines hierauf gerichteten Beweisantrages setzt dann auch nicht voraus, dass das im Antrag angebotene Beweismittel schlechterdings untauglich oder völlig ungeeignet sei. Das Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen ist nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO seitens der Beschwerde substantiiert darzulegen. Dabei muss der Tatsachenvortrag den behaupteten Verfahrensmangel schlüssig ergeben.

2.2 Gemessen daran legt die Beschwerdebegründung nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dar, dass und inwiefern die vom Berufungsgericht in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen für eine sachkundige Beurteilung der den Klägern als syrischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit in der Region Afrin drohenden Gefahren nicht ausreichend gewesen sein sollen, sondern das Gericht hinreichende Veranlassung gehabt hätte, hierzu eine Auskunft des Europäischen Zentrums für kurdische Studien einzuholen. Das Oberverwaltungsgericht hat zum Nachweis seiner Sachkunde nicht allein auf seine bisherige Rechtsprechung (Beschluss vom 6. November 2018 - 14 A 62o/18.A - juris Rn. 72), der zufolge die Erkenntnislage nichts dafür hergebe, dass Kurden in Afrin in Anknüpfung an ihre kurdische Volkszugehörigkeit oder aus religiösen Gründen von der Freien Syrischen Armee oder islamistischen Kampfverbänden politisch verfolgt würden, sondern auch auf den Bericht des Auswärtigen Amtes vom 13. November 2018 über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: November 2018, Gz. 508-516.80/3 SYR) verwiesen. Die Beschwerdebegründung zeigt keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür auf, dass die in dem Bericht erwähnten und auch im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Ausschreitungen der mit den türkischen Streitkräften verbundenen arabischen Hilfstruppen gegen die Bevölkerung im kurdisch geprägten Herkunftsgebiet der Kläger an einen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 AsylG anknüpfen. Die fragmentarischen Zitate in der Beschwerdeschrift aus den nach dem Vorbringen der Beschwerde im Berufungsverfahren vorgelegten Berichten reichen dazu nicht aus. Auch die bloßen Verweise auf Internetlinks genügen dem Darlegungserfordernis dann nicht, wenn sich aus der Beschwerdebegründungsschrift selbst nicht ergibt, auf welche Inhalte im Einzelnen Bezug genommen wird und aus welchen Gründen welche Inhalte geeignet sein könnten, darzulegen, dass das Gericht zu Unrecht eine hinreichende eigene Sachkunde in Anspruch genommen habe.

III. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG ; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 18.04.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 14 A 2608/18