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BVerwG - Entscheidung vom 02.12.2019

20 F 6.18

Normen:
VwGO § 99 Abs. 1 S. 1, 2

BVerwG, Beschluss vom 02.12.2019 - Aktenzeichen 20 F 6.18

DRsp Nr. 2020/2613

Bestehen eines presserechtlichen Anspruchs auf Einsicht in Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes zur argentinischen Militärdiktatur im Zeitraum von 1975 bis 1983 anhand mehrerer Stichworte; Nennung der Weigerungsgründe der drohenden Nachteile für das Wohl des Bundes und der ihrem Wesen nach bestehenden Geheimhaltungsbedürftigkeit einzelner Vorgänge

1. Ein Nachteil für das Wohl des Bundes im Sinne von § 99 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 VwGO ist gegeben, wenn die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden, zumal mit Nachrichtendiensten anderer Staaten, erschweren würde. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die vom ausländischen Nachrichtendienst übermittelten Informationen vom Bundesnachrichtendienst unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit gleichwohl an Dritte bekannt gegeben würden.2. Bei seit langem abgeschlossenen Vorgängen muss erkennbar sein, dass ihre vollständige Offenlegung auch heute noch Rückschlüsse auf die gegenwärtige Arbeitsweise oder die gegenwärtige Aufklärungsarbeit des Bundesnachrichtendienstes zulässt.3. Für die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste des Bundes ist die Vertraulichkeit und der Schutz ihrer Informanten von essentieller Bedeutung.

Tenor

Die Sperrerklärung des Beigeladenen vom 15. Oktober 2018 ist rechtswidrig, soweit die Blätter 124, 125, 149 und 150 aus den Unterlagen mit der Signatur 200.899 vollständig entnommen sind.

Im Übrigen wird der Antrag der Klägerin abgelehnt.

Normenkette:

VwGO § 99 Abs. 1 S. 1, 2;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Rechtsstreit auf der Grundlage des Bundesarchivgesetzes, des Informationsfreiheitsgesetzes sowie des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse Einsicht in Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes zur argentinischen Militärdiktatur im Zeitraum von 1975 bis 1983 anhand der Stichworte "Argentinien 1975 bis 1983, Militärdiktatur, Elisabeth Käsemann und Klaus Zieschank, politische Gefangene, Terrorismus, verschwundene deutsche Staatsbürger, Berichte des BND-Residenten 1975 bis 1983, Atomwaffen".

Das vorliegende Verfahren ist mit Beschluss vom 27. Oktober 2017 vom Klageverfahren BVerwG 6 A 4.15 abgetrennt worden; in dem dort von der Klägerin beantragten Zwischenverfahren hat der Fachsenat mit Beschluss vom 22. November 2019 - 20 F 14.17 - entschieden.

Mit Beschluss vom 11. September 2018 hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts der Beklagten aufgegeben, aus den beim Bundesnachrichtendienst unter der Signatur 200.899 zugeordneten Unterlagen die Blätter 1 bis 11, 18, 25, 28 bis 65, 74 bis 122, 124 bis 125, 127 bis 141 und 148 bis 150 sowie die Blätter 68, 126 und 144 ungeschwärzt vorzulegen. Bei den drei letztgenannten Blättern geht es um Teilschwärzungen; alle übrigen aufgeführten Blätter sind aus den vorgelegten Akten vollständig entnommen.

Die Beklagte hat daraufhin die Blätter 11 und 87 offengelegt; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat das beigeladene Bundeskanzleramt unter dem 15. Oktober 2018 eine Sperrerklärung abgegeben.

Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2018 hat die Klägerin eine Entscheidung durch den Fachsenat beantragt.

II

Der - sinngemäß gestellte - Antrag der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung des Beigeladenen vom 15. Oktober 2018 festzustellen, ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der Gegenstand des Zwischenverfahrens ist durch den für die Hauptsache zuständigen 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts mit dem Beschluss vom 11. September 2018 ordnungsgemäß und damit für den Fachsenat bindend festgestellt. Dem Beweisbeschluss liegt insbesondere bereits das am 16. März 2017 in Kraft getretene neue Bundesarchivgesetz vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 410 ) zugrunde.

2. Die Weigerung, die noch strittigen Aktenbestandteile ungeschwärzt vorzulegen, ist größtenteils rechtmäßig. Hinsichtlich der Blätter 124, 125, 149 und 150 der Signatur 200.899 ist deren vollständige Entnahme jedoch rechtswidrig; insoweit genügt eine Teilschwärzung nach Maßgabe der unter II. 2. a) bb) (1) dargelegten Gründe.

a) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ).

aa) Für die von dem Beigeladenen geltend gemachten Weigerungsgründe der drohenden Nachteile für das Wohl des Bundes (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO ) und der ihrem Wesen nach bestehenden Geheimhaltungsbedürftigkeit einzelner Vorgänge (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO ) gelten nach der Rechtsprechung des Fachsenats die folgenden Grundsätze:

(1) Ein Nachteil für das Wohl des Bundes (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO ) ist gegeben, wenn die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden, zumal mit Nachrichtendiensten anderer Staaten, erschweren würde (vgl. zum gesamten Folgenden BVerwG, Beschlüsse vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 38 f., 41 f. und vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - Rn. 38 f., 41 f., jeweils m.w.N.).

Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die vom ausländischen Nachrichtendienst übermittelten Informationen vom Bundesnachrichtendienst unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit gleichwohl an Dritte bekannt gegeben würden. Ob hiernach die Geheimhaltung der Akten geboten ist, unterliegt im Hinblick auf mögliche außenpolitische Folgen einer Beurteilungs- und Einschätzungsprärogative der Bundesregierung. Für die Regelung der auswärtigen Beziehungen räumt das Grundgesetz der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Gestaltungsspielraum ein. Demgemäß ist auch die Prognose, ob eine Offenlegung bestimmter Dokumente eine Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen erwarten lässt, verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Das gilt auch im Zwischenverfahren vor dem Fachsenat im Sinne des § 189 VwGO .

Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann ferner erschwert und damit dem Wohl des Bundes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen. Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit des Bundesnachrichtendienstes die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt, vorzulegen. Dieser Schutz nachrichtendienstlicher Belange besteht aber nicht um ihrer selbst willen, sondern wird nur im Hinblick auf die künftige Arbeit der Sicherheitsbehörden gewährt. Bei seit langem abgeschlossenen Vorgängen muss daher erkennbar sein, dass ihre vollständige Offenlegung auch heute noch Rückschlüsse auf die gegenwärtige Arbeitsweise oder die gegenwärtige Aufklärungsarbeit des Bundesnachrichtendienstes zulässt (BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 41 f.)

(2) Personenbezogene Daten sind im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht. Dazu gehören auch Informationen über Verbindungen zu anderen namentlich oder mit Deck- bzw. Tarnnamen erwähnten Personen. Das grundrechtlich abgesicherte Interesse betroffener Dritter an einer Geheimhaltung erfasst allerdings zum einen regelmäßig nur die Daten als solche und nicht die gesamten Vorgänge, in denen sie erwähnt werden. Zum anderen greift der Schutz persönlicher Daten nur, soweit diese Daten tatsächlich (noch) schutzwürdig sind. Daran fehlt es namentlich dann, wenn es sich um Personen der Zeitgeschichte handelt, die in den Unterlagen nur in ohnehin bereits bekannten Zusammenhängen angeführt werden, oder wenn es sich um persönliche Daten handelt, die in allgemein zugänglichen Quellen erwähnt worden sind und diese Quellen - wie etwa Zeitungsberichte oder sonstige Publikationen - in den Unterlagen lediglich wiedergegeben sind, ohne dass dadurch weiterführende Rückschlüsse ermöglicht werden. Ansonsten wird dem Schutz dieser Daten durch ihre Schwärzung hinreichend Rechnung getragen.

Der Schutz persönlicher Daten besteht grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten.

Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund. Um solche Personen handelt es sich bei den in der Sperrerklärung sogenannten "Nachrichtendienstlichen Verbindungen". Ein Weigerungsgrund besteht unter dem Aspekt des Informantenschutzes zunächst solange, wie der geschützte Informant noch am Leben ist. Sind seine Lebensdaten nach der Beendigung der Zusammenarbeit und dem Verlust des Kontaktes nicht mehr zu ermitteln, wird vermutet, dass er noch lebt, bis 90 Jahre nach seiner Geburt vergangen sind.

Der Schutz von Grundrechten (vermutlich) verstorbener nachrichtendienstlicher Verbindungen begründet einen Weigerungsgrund nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO in den Fällen, in denen der postmortale Ehrenschutz dies gebietet. Der aus der Menschenwürde fließende allgemeine Achtungsanspruch schützt Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung sowie den sittlichen, personalen und sozialen Geltungswert, den der Verstorbene durch seine Lebensleistung erworben hat. Die Veröffentlichung wahrer Tatsachenangaben über einen Verstorbenen verletzt seine Menschenwürde grundsätzlich nicht. Auch aus dem Schutz der Grundrechte - insbesondere von Leib und Leben - von Angehörigen (vermutlich) verstorbener Informanten können sich Weigerungsgründe ergeben, wenn eine Gefährdung nicht nur theoretisch möglich ist und schematisch behauptet wird, sondern aufgrund konkreter Umstände nachvollziehbar dargelegt werden kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 11 f., 14, 16, 20 bis 24 und vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - Rn. 12 bis 19, jeweils m.w.N.).

(3) Allerdings kann wiederum das Wohl des Bundes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO nach dem Tod eines Informanten eine weitere Geheimhaltung seiner Daten rechtfertigen, wenn deren Bekanntgabe die künftige effektive Erfüllung der Aufgaben einer Sicherheitsbehörde des Bundes erschweren würde. Denn die Erhaltung der Funktionsfähigkeit und Effektivität der Sicherheitsbehörden des Bundes sowie ihr Tätigwerden im Rahmen der ihnen durch Gesetz übertragenen Aufgaben liegen im öffentlichen Interesse.

Das für die Gewinnung von Informanten notwendige Vertrauen in die Verlässlichkeit von Vertraulichkeitszusagen rechtfertigt grundsätzlich den Schutz von Informanten über deren Tod hinaus und begründet damit einen Weigerungsgrund im öffentlichen Interesse. Liegt der (mutmaßliche) Tod eines Informanten länger als etwa 30 Jahre zurück, bedarf die Notwendigkeit einer weiteren Geheimhaltung bei weit zurückliegenden, abgeschlossenen Vorgängen aber zusätzlicher Erläuterungen.

Für die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste des Bundes ist die Vertraulichkeit und der Schutz ihrer Informanten von essentieller Bedeutung. Denn Behörden werden die Informationen, die für eine effektive Erfüllung ihrer Aufgaben unentbehrlich sind, von Dritten in der Regel nur erhalten, wenn sie dem Informanten Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten - zu Lebzeiten oder wie hier über den Tod hinaus - zusichern. Das Bekanntwerden quellenbezogener Informationen kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigen. Insbesondere ist die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen als unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von Informanten von besonderer Bedeutung. Bereits der subjektive Eindruck, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, kann aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abhalten und die Gewinnung weiterer Quellen erschweren. Neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen, seine persönlichen Daten geheim zu halten, tritt daher das öffentliche Interesse, die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben sicherzustellen.

Deshalb ist beim Informantenschutz unter dem Aspekt des Schutzes der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden nicht schematisch zwischen lebenden und verstorbenen Informanten zu differenzieren. Selbst dann, wenn weder die Enttarnung noch aktiver Informanten droht, noch der Erfolg eines konkret laufenden Vorganges durch die Offenlegung von Informantendaten gefährdet ist, lässt der Tod eines Informanten das Interesse an der Geheimhaltung von dessen persönlichen Daten aus Gründen des Staatswohls grundsätzlich nicht entfallen. Denn das Vertrauen aktiver Informanten in die allgemeine Verlässlichkeit von Vertraulichkeitszusagen kann auch dadurch erschüttert werden, dass unmittelbar nach dem Tode eines Informanten ohne Vorliegen besonderer Umstände dessen Identität preisgegeben wird.

Allerdings ist durch die Bekanntgabe der Identität eines verstorbenen Informanten nicht stets eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit eines Nachrichtendienstes ernsthaft zu befürchten. Es kann nämlich nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potenzieller Informanten zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Damit auch die fraglichen nachrichtendienstlichen Verbindungen nicht bereits aus dieser Information erkennbar sind, ist zwar nicht zu verlangen, dass in der Sperrerklärung die genauen Todesdaten offengelegt werden. Jedoch sind - soweit dies nicht aus öffentlich zugänglichen Informationsquellen allgemeinkundig ist - zumindest Angaben dazu erforderlich, ob der Tod der weiterhin als schützenswert angesehenen nachrichtendienstlichen Verbindungen erst wenige Jahre oder mehrere Jahrzehnte zurückliegt. Ist Letzteres der Fall, muss die Sperrerklärung zudem erkennen lassen, dass die Behörde differenziert nach dem Umfeld, in dem der konkrete Informant tätig war, geprüft hat, ob Auswirkungen auf die Bereitschaft anderer Personen dieses Umfeldes zur Aufnahme oder Fortführung einer Informantentätigkeit nicht nur theoretisch möglich, sondern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ernsthaft zu befürchten sind. Es ist zwar nachvollziehbar, dass aus diesen Gründen auf Vertraulichkeit für einen etwa eine Generation, also ca. 30 Jahre, umfassenden Zeitraum nach dem Tod Wert gelegt wird. Denn in diesem Zeitraum ist die Erinnerung an einen Verstorbenen typischerweise in dessen Umfeld noch präsent und lebendig. Dass für die Gewinnung und Aufrechterhaltung aktueller nachrichtendienstlicher Verbindungen eine längere posthume Vertraulichkeit erforderlich ist, bedarf dagegen zusätzlicher Erläuterungen. Ist so viel Zeit nach dem Abschluss des Vorganges und dem Tod eines Informanten verstrichen, dass in aller Regel niemand mehr lebt, der noch eine aus dem unmittelbaren Kontakt gewonnene persönliche Erinnerung an den oder emotionale Nähe zu dem Informanten hat, ist bereits der reine Zeitablauf grundsätzlich ein ausreichender Grund für das Entfallen von Geheimhaltungsgründen. Denn es ist nicht nachvollziehbar, dass die Verlässlichkeit einer Vertraulichkeitszusage auch noch nach so großem Zeitablauf potenzielle Informanten in ihrer Entscheidung für diese Tätigkeit beeinflussen könnte (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 26 bis 33 und vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - Rn. 23 bis 29, jeweils m.w.N.).

bb) Der Senat hat nach diesen Maßstäben durch Einsicht in die vollständigen und ungeschwärzten Unterlagen der Signatur 200.899, soweit sie Gegenstand des vorliegenden Zwischenverfahrens sind, überprüft, ob die in der Sperrerklärung bezeichneten Weigerungsgründe im jeweiligen Einzelfall gegeben sind. Von einer über das Folgende hinausgehenden Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 10 Halbs. 2 VwGO ).

(1) Bei den folgenden Blättern ist eine vollständige Entnahme nicht geboten; es genügt vielmehr eine Teilschwärzung:

(a) Signatur 200.899 Blatt 124 und 125:

Bei dem Fernschreiben vom April 1978 liegen auf Blatt 124 hinsichtlich der mit "betr.:" und "hier:" beginnenden Zeilen sowie des gesamten, mit dem Wort "bezugs-fs" beginnenden Textes bis zum Seitenende (mit Ausnahme der Bezeichnung der Behörde, an die das Fernschreiben gesteuert wurde) die geltend gemachten Weigerungsgründe nicht vor. Der Schutz der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten und der Daten zweier noch lebender Menschen kann durch eine Schwärzung der Eintragungen im oberen Teil des Blattes und der mit "bezug:" beginnenden Zeile gewährleistet werden.

Auf Blatt 125 sind aus Gründen des Schutzes personenbezogener Daten und der Identität einer nachrichtendienstlichen Verbindung die Schwärzung der Namen in den Zeilen 3 (erstes Wort), 5 (letztes Wort) und 6 (erstes Wort), des Textteils von Zeile 9 (nach dem Wort "konnte") bis Zeile 11 (bis zum Wort "angetroffen") und der Umschreibung von Klaus Zieschank in Zeile 12 (siebtes und achtes Wort) sowie aus Gründen des Wohls des Bundes (Schutz der nachrichtendienstlichen Aufgabenerfüllung und der Identität lebender Mitarbeiter) die Schwärzung der Behördenbezeichnung am Ende der Zeile 4 von unten und der gesamten letzten Zeile geboten. Im Übrigen liegen die angegebenen Weigerungsgründe nicht vor.

Ein Schutz der allgemein bekannten Identität (siehe z.B. den Wikipedia-Artikel "Klaus Zieschank" und die dort zitierten Quellen) und von Meldeadressen des im Mai 1976 ermordeten Klaus Zieschank und seiner vor rund 20 Jahren verstorbenen Mutter ist nicht erforderlich.

(b) Signatur 200.899 Blatt 149 und 150:

Die Blätter 149 und 150 sind Teil eines Vermerks über ein Gespräch im April 1980 zwischen - auf beiden Seiten hochrangigen - Vertretern Deutschlands und Argentiniens in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten. Die vollständige Entnahme dieser Blätter ist nicht geboten. Ausreichend ist vielmehr eine Teilschwärzung, die den Text zu Punkt "6. Menschenrechtsfrage" (Blatt 149 letzte zwei Absätze und Blatt 150 erster Absatz) - mit der folgenden Einschränkung - ausnimmt und diesen offenlegt. Im Text zu Punkt 6 rechtfertigt lediglich der Schutz von Vertretern eines ausländischen Nachrichtendienstes eine Schwärzung des ohnehin nur abgekürzt wiedergegebenen Namens (Blatt 149 Zeile 1 und 13 von unten). Im Übrigen liegen die geltend gemachten Weigerungsgründe (Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen in Bezug auf Informationen, die ein ausländischer Nachrichtendienst selbst geheim hält oder nur unter Zusage gegenseitiger Geheimhaltung zur Verfügung stellt; Informationen zu einer spezifischen Form der Zusammenarbeit mit einem ausländischen Nachrichtendienst), soweit es Punkt 6 des Gesprächsvermerks betrifft, nicht vor.

(2) Hinsichtlich aller anderen Blätter liegen die in der Sperrerklärung differenziert bezeichneten Weigerungsgründe im jeweiligen Einzelfall vor.

Bei den Unterlagen handelt es sich ganz überwiegend um Berichte oder Vermerke zur Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten, die thematisch im Schwerpunkt Fragen der Ausbildung und Ausrüstung betreffen, sowie um vereinzelte operative Meldungen. Für diese Unterlagen sind die angegebenen Gründe - namentlich solche der Funktionsfähigkeit der nachrichtendienstlichen Aufgabenerfüllung, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten anderer Staaten, der Gewährleistung von Vertraulichkeitszusagen und des Schutzes der Identität von eigenen Mitarbeitern, Mitarbeitern fremder Nachrichtendienste und nachrichtendienstlichen Verbindungen (sowohl hinsichtlich von Klar- als auch von Decknamen) - gegeben. Sie rechtfertigen unter dem Blickwinkel des Wohls des Bundes und des Schutzes ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftiger Daten (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und Alt. 3 VwGO ) die vorgenommenen Entnahmen und Schwärzungen. Angesichts der Häufung von (Klar- und Deck-)Namen und der Dichte geheimhaltungsbedürftiger Details in den Texten durfte bei der Zurückhaltung ganzer Seiten berücksichtigt werden, dass eine Schwärzung, die nur zu einem inhaltsleeren und nichtssagenden Restbestand führen würde, nicht in Erwägung gezogen werden muss (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 18 und vom 2. November 2015 - 20 F 9.14 - juris Rn. 20).

Plausibel dargelegt und aus den vorgelegten ungeschwärzten Unterlagen nachvollziehbar ist ferner, dass den betroffenen Vorgängen, auch wenn sie sich auf einen rund vier Jahrzehnte zurückliegenden Zeitraum beziehen, Bedeutung für die aktuelle und künftige nachrichtendienstliche Arbeit zukommt. Die Berichte und Vermerke lassen organisatorische und methodische Muster erkennen, deren Offenlegung Rückschlüsse auf die gegenwärtige Arbeitsweise des Bundesnachrichtendienstes zuließen.

Plausibel gemacht ist auch, dass die Tätigkeit nachrichtendienstlicher Verbindungen auf grundsätzlich unbefristeten Vertraulichkeitszusagen beruht und - wegen möglicher Repressalien gegen lebende Familienmitglieder, aber nicht zuletzt auch wegen der Bedeutung solcher Vertraulichkeitszusagen für die generelle Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst - den Schutz der Identität auch dann gebieten, wenn die betreffende Person - was nicht stets ermittelbar ist - schon verstorben sein sollte. Der Senat hat nicht feststellen können, dass die in den Unterlagen als nachrichtendienstliche Verbindungen genannten Personen, etwa wegen eigener schwerer Straftaten, nicht schutzwürdig wären.

b) Nicht zu beanstanden ist schließlich die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung des Beigeladenen.

In die Ermessensausübung eingestellt wurden alle relevanten Rechtspositionen und rechtlich geschützten Interessen, auf Seiten der Klägerin insbesondere deren durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschütztes journalistisch-publizistisches Interesse an der Erforschung und Veröffentlichung von historisch bedeutsamen Sachverhalten und auf Seiten der Beklagten der Schutz der Funktionsfähigkeit nachrichtendienstlicher Arbeit und der dadurch wahrgenommenen Sicherheitsinteressen sowie das Geheimhaltungsinteresse, das sich aus dem grundrechtlichen Persönlichkeitsschutz für die betroffenen nachrichtendienstlichen Verbindungen und Mitarbeiter ergibt. Dabei wurden auch der inzwischen eingetretene Zeitablauf und das Alter der gegenständlichen Archivunterlagen berücksichtigt. Hiernach ist es nicht zu beanstanden, dass in der Gesamtabwägung im Ergebnis hinsichtlich der geschwärzten Stellen den Funktions- und Sicherheitsinteressen des Staates und dem Schutz der betroffenen Personen, dabei unter dem Blickwinkel des Wohls des Bundes auch einzelner bereits Verstorbener, der Vorrang eingeräumt wurde.

3. Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren vor dem Fachsenat nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht, weil es sich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren um einen unselbstständigen Zwischenstreit handelt (BVerwG, Beschluss vom 15. März 2017 - 20 F 12.15 - juris Rn. 32 m.w.N.).