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BVerwG - Entscheidung vom 15.07.2019

1 B 60.19

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 86 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 15.07.2019 - Aktenzeichen 1 B 60.19

DRsp Nr. 2019/12654

Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision; Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung; Anspruch auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises

Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kommt schon dann nicht in Betracht, wenn weder dargelegt wird, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen Beweisantrag hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, noch aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen.

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Februar 2019 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3 ; VwGO § 86 Abs. 1 ;

Gründe

Die Beschwerde, mit der sinngemäß Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) geltend gemacht werden, bleibt ohne Erfolg.

1. Der sinngemäß geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) einer Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO ) ist schon nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 VwGO ).

a) Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht erfordert eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen Beweisantrag hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Februar 2013 - 8 B 58.12 - ZOV 2013, 40 und vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - juris Rn. 23).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

aa) Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Anspruch auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises verneint, weil es angesichts des wechselnden Vorbringens zu seiner Herkunft und der jeweils hierzu vorgelegten Dokumente an der erforderlichen präzisen und widerspruchsfreien Darlegung der behaupteten ehelichen Abstammung von dem angeblichen deutschen Vater J. v. L. durch den Kläger fehle, auch die Vielzahl der von diesem vorgelegten, überwiegend aus der Zeit seit 2008 stammenden russischen Personenstands- und sonstigen Urkunden ungeeignet sei, seinen Vortrag schlüssig zu machen, die behauptete eheliche Abstammung auch nicht nach den Grundsätzen des unverschuldeten Beweisnotstandes als bewiesen angesehen werden könne und für eine weitergehende Amtsermittlung nach den Umständen keine Veranlassung bestehe.

bb) Dieser Bewertung des Sachverhalts tritt der Kläger, ohne sich differenziert und substantiiert mit den eingehenden Erwägungen des Berufungsgerichts auseinanderzusetzen, mit pauschalierenden Erwägungen entgegen und macht u.a. geltend, seiner Mitwirkungspflicht genüge getan zu haben, dass es in seinen Angaben keine Widersprüche gebe, das Berufungsgericht seine Amtsermittlungspflicht dadurch verletzt habe, dass es zur Echtheit der vorgelegten Urkunden keine Anfragen an die russischen Behörden gestellt habe, das Berufungsgericht seine Entscheidung voreingenommen "und mit absoluter Ablehnung aller logischer und nachgewiesener Vorgänge getroffen" habe, seine Entscheidung als "eine Beleidigung und Verleumdung des Klägers, der Russischen Föderation und jeden russischen Bürgers anzusehen" sei, die Zurückweisung der Berufung "offensichtlich, grob rechtswidrig und rechtsmissbräuchlich" und es notwendig sei, im Rahmen "der Revision über die grundsätzlichen Feststellungen des Senats zu entscheiden".

cc) Die Möglichkeit einer Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO ) oder anderer Verfahrensrechte des Klägers legt dies nicht dar (§ 133 Abs. 3 VwGO ).

Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht anwaltlich vertretene Kläger hat auch nach der Einführung von Erkenntnismitteln zu dem Erkenntniswert von Urkunden, die nach 1990 in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion ausgestellt worden sind, keinen Antrag gestellt, der "Echtheit" der vorgelegten Urkunden, die zudem mit dem Beweiswert der bekundeten Inhalte nicht identisch sein muss, durch Anfragen an die russischen Behörden nachzugehen.

Eine weitere Aufklärung musste sich dem Berufungsgericht hier auch nicht aufdrängen. Es hat den Beweiswert der zuletzt vorgelegten Urkunden und ihre Eignung, ein auch nur ansatzweise schlüssiges Bild von der Abstammung des Klägers zu zeichnen, auch mit Blick auf die Angaben im vertriebenenrechtlichen Verfahren und die dort vorlegten ausländischen öffentlichen Urkunden, deren Inhalt mit jenen zu der nunmehr geltend gemachten Abstammung in unauflöslichem Widerspruch stehe, durchgreifend in Zweifel gezogen. Dass das Berufungsgericht keine hinreichende Erklärung für diese Widersprüche gesehen und hierfür u.a. das Vorbringen des Klägers nicht hat ausreichen lassen, diese seien allein durch eine ihm nicht zuzurechnende, "strafrechtlich noch zu bewertende Tat" seines vormaligen Rechtsvertreters verursacht worden, ist als tatrichterliche Würdigung nicht zu beanstanden und weist nicht auf einen Verfahrensfehler, zumal das Berufungsgericht die Anträge auf Berichtigung des Protokolls über die mündliche Verhandlung als auch auf Berichtigung des Tatbestandes des angegriffenen Urteils abgelehnt bzw. verworfen hat.

2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG ; Nr. 42 .2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/ 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 27.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 19 A 1999/16