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BVerwG - Entscheidung vom 03.12.2019

1 B 82.19

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1-2

BVerwG, Beschluss vom 03.12.2019 - Aktenzeichen 1 B 82.19

DRsp Nr. 2020/2614

Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision; Darlegungsanforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde

Mit der bloßen Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung des Tatsachengerichts wird keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. August 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 -2;

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (1.), der Divergenz (2.) und des Verfahrensmangels (3.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

Die Beschwerde bezeichnet nicht eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Ihr Vorbringen, es müsse grundsätzliche Bedeutung haben, die Sicherheitslage im jeweiligen Zielland der Abschiebung des Betroffenen so detailliert und einzelfallbezogen zu prüfen, dass es im Zweifel zu einer Verneinung der Abschiebung komme (S. 10 der Nichtzulassungsbeschwerdebegründungsschrift), und die grundsätzliche Bedeutung liege darin, dass die Verwaltungsgerichte endlich erkennten, dass eine rein statistische Begründung zur Versagung eines Bleiberechts bei evident drohender Todesgefahr nicht menschenwürdig sein könne (S. 11 der Nichtzulassungsbeschwerdebegründungsschrift), wird den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht. Es setzt sich nicht mit den vom Verwaltungsgerichtshof herangezogenen (UA S. 8 f.), rechtsgrundsätzlich geklärten Maßstäben für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auseinander, sondern erschöpft sich der Sache nach darin, auf der Grundlage einer von dessen Beurteilung der Gefahrenlage abweichenden Gefahrenprognose die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs als fehlerhaft anzugreifen. Damit vernachlässigt die Beschwerde den grundsätzlichen Unterschied zwischen der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde und der Begründung einer bereits zugelassenen Revision. Mit der Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs kann die grundsätzliche Bedeutung allzumal dann nicht dargetan werden, wenn sich diese auf eine abweichende Beurteilung des Erkenntnismaterials stützt.

2. Eine die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der Rechtssätze, die das betreffende Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Darlegungsanforderungen nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Dem genügt das Vorbringen der Beschwerde nicht.

Zwar arbeitet diese aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 - (BVerwGE 137, 226 ) sowie aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. April 2018 - 2 BvR 2435/17 - (InfAuslR 2018, 295 ) einzelne Rechtssätze heraus. Sie stellt indes diesen Rechtssätzen nicht solche die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs tragende abstrakte Rechtssätze gegenüber, und wendet sich stattdessen gegen eine - vermeintliche - Nicht- oder fehlerhafte Anwendung der Rechtssätze der obersten Bundesgerichte durch das Berufungsgericht. Dies vermag eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht zu begründen.

3. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf beziehungsweise den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteilsinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2015 - 5 B 28.14 - juris Rn. 8 m.w.N.). Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 12 m.w.N.). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

a) Mit dem Vorbringen, dem Berufungsurteil lasse sich nicht entnehmen, auf welche tatsächlichen Feststellungen sich die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs stütze, der Kläger werde im Falle seiner Rückkehr nach K. möglicherweise in gewissem Umfang finanzielle Zuwendungen von seinen im Bundesgebiet verbleibenden Verwandten erhalten (UA S. 23 und 40), rügt die Beschwerde der Sache nach einen Begründungsmangel im Sinne des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO und einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO . Das diesbezügliche Vorbringen genügt indes den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO schon deswegen nicht, weil der Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit etwaiger finanzieller Zuwendungen von im Bundesgebiet verbliebenen Verwandten in dem von der Beschwerde bezeichneten Abschnitt zugunsten des Klägers im Rahmen der Beurteilung heranzieht, ob dieser Gefahr laufen kann, Opfer einer Erpressung oder Entführung durch die Taliban zu werden (UA S. 23), und sich die Beschwerde zudem nicht substantiiert mit der - im Rahmen der einzelfallbezogenen Gesamtbewertung der Rückkehrgefährdung des Klägers vorgenommenen - Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichtshofs auseinandersetzt, der zufolge drei Onkel und eine Tante des Klägers in H. lebten, wie sich aus Angaben seines - später verstorbenen - Vaters bei dessen Anhörung vor dem Bundesamt ergebe (UA S. 40).

b) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde darüber hinaus als Verfahrensmangel, der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hätte vom Berufungsgericht verworfen werden müssen, weil er nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen entsprochen habe. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensmangel auf. Bei der von ihr beanstandeten Berufungszulassung handelt es sich nämlich um eine unanfechtbare Vorentscheidung des Berufungsgerichts, in Bezug auf die eine Fehlerrüge nicht zu einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen kann (vgl. § 152 Abs. 1 , § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO ; vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2004 - 1 B 9.04 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 32 m.w.N.).

4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 RVG . Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Vorinstanz: VGH Hessen, vom 23.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 7 A 2750/15