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BVerwG - Entscheidung vom 02.10.2019

4 BN 42.19

Normen:
BauGB § 1 Abs. 7

BVerwG, Beschluss vom 02.10.2019 - Aktenzeichen 4 BN 42.19

DRsp Nr. 2019/16762

Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision; Abwägungsprozess im Falle eines Angebotsbebauungsplans mit einem konkreten Projekt als Anlass

Eine aufgeworfene Frage führt nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision, wenn ihre Entscheidungserheblichkeit nicht feststeht.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller zu 1 und 2 sowie die Antragsteller zu 4 und 5 tragen - jeweils als Gesamtschuldner - die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Normenkette:

BauGB § 1 Abs. 7 ;

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Rüge bleibt ohne Erfolg. Sie ist unbegründet.

I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , die ihr die Beschwerde beimisst.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).

Die Beschwerde sieht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf,

ob im Falle eines Angebotsbebauungsplans, für dessen Aufstellung ein konkretes Projekt der Anlass war, im Rahmen der Abwägung das konkrete Projekt generell außer Betracht zu lassen oder es in das Abwägungsmaterial des § 1 Abs. 7 BauGB einzustellen ist.

Sie stellt die Frage, weil der Verwaltungsgerichtshof den Antragstellern die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO abgesprochen hat. Im Hinblick auf eine mögliche Verkehrszunahme auf der L ... - W. Straße - fehlten private Belange der Antragsteller, die bei der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu beachten gewesen wären. Die Vorinstanz hat dabei die geplante Bodenverbesserungsanlage außer Betracht gelassen, die Anlass für die angegriffene Änderung des Bebauungsplans war (UA S. 13).

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil ihre Entscheidungserheblichkeit nicht feststeht. Die Vorinstanz hat nicht festgestellt, dass bei Errichtung der Bodenverbesserungsanlage eine andere Verkehrsentwicklung und damit höhere Lärmimmissionen bei den außerhalb des Plangebiets wohnenden Antragstellern zu erwarten wären als bei der Ansiedlung anderer, in dem festgesetzten Gebiet zulässigen Gewerbebetriebe. Der Verwaltungsgerichtshof hat also nicht die Tatsachen festgestellt, die vorliegen müssten, damit sich die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Frage in einem Revisionsverfahren stellen könnte. In diesem Fall kann die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, weil lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Frage erheblich werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 5. September 1996 - 9 B 387.96 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 12, vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62>, vom 21. Januar 2016 - 4 BN 36.15 - BRS 84 Nr. 17 Rn. 12 und vom 21. Dezember 2018 - 7 BN 3.18 - NVwZ-RR 2019, 384 Rn. 8). Denn es widerspricht dem Ziel der Grundsatzrevision, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>), wenn die Revision im Hinblick auf Fragen zugelassen würde, deren Entscheidungserheblichkeit nicht feststeht.

II. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

Eine die Revision nach dieser Vorschrift eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die jeweilige Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

Die Beschwerde entnimmt dem Urteil der Vorinstanz den Rechtssatz, dass Belange nicht abwägungsbeachtlich sind, die sich im Falle eines projektbezogenen Angebotsbebauungsplans aus dem konkreten, den Anlass für die Planung bildenden Projekt ergeben. Sie bezeichnet aber keinen hiervon abweichenden Rechtssatz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Die von ihr angeführte Rechtsprechung zur Antragsbefugnis wegen einer möglichen Verletzung des bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebots aus § 1 Abs. 7 BauGB (u.a. BVerwG, Urteile vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <217 ff.>, vom 30. April 2004 - 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165 S. 137 f. und vom 16. Juni 2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 Rn. 15) äußert sich nicht zum Abwägungsmaterial bei einem Bebauungsplan, der aus Anlass eines konkreten Projekts beschlossen wird. Dass der Verwaltungsgerichtshof aus den Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts nicht die von der Beschwerde für richtig gehaltenen Schlüsse gezogen hat, betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall und führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 , § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO , § 159 Satz 2 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 , § 39 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 21.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 S 1789/18