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BVerwG - Entscheidung vom 05.12.2019

5 PB 21.19

Normen:
BPersVG § 9
PersVG BB § 95 Abs. 2
ArbGG § 92 Abs. 1 S. 2
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1

BVerwG, Beschluss vom 05.12.2019 - Aktenzeichen 5 PB 21.19

DRsp Nr. 2020/2451

Zumutbarkeit der Übernahme eines durch § 9 BPersVG geschützten Auszubildenden aus betrieblichen Gründen; Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde; Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage

Die Weiterbeschäftigung des Jugend- und Auszubildendenvertreters ist dem Arbeitgeber im Sinne des § 9 Abs. 4 S. 1 BPersVG insbesondere dann nicht zumutbar, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt kein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz vorhanden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Brandenburg - vom 31. Januar 2019 in Form des Berichtigungsbeschlusses vom 7. August 2019 wird verworfen.

Normenkette:

BPersVG § 9 ; PersVG BB § 95 Abs. 2 ; ArbGG § 92 Abs. 1 S. 2; ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage gestützte Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist unzulässig.

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 95 Abs. 2 PersVG BB i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Die Rechtsfrage muss zudem klärungsfähig sein, was der Fall ist, wenn sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantwortet werden kann. Das Darlegungserfordernis des § 95 Abs. 2 PersVG BB i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 ArbGG setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 2014 - 5 PB 1.14 - juris Rn. 4 und vom 29. November 2016 - 5 PB 7.16 - juris Rn. 8). Die Beschwerde erfüllt die Darlegungsanforderungen nicht.

Die Beschwerde erachtet die Frage für rechtsgrundsätzlich bedeutsam:

"Ist dem Arbeitgeber die Übernahme eines durch § 9 BPersVG geschützten Auszubildenden aus betrieblichen Gründen allein deshalb unzumutbar, weil sich der Arbeitgeber entschlossen hat, in der Dienststelle dauerhaft vorhandene Arbeitsaufgaben einfach oder mehrfach befristet an ausgelernte Auszubildende zu übertragen?"

Damit ist eine entscheidungserhebliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht den Anforderungen des § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG entsprechend dargelegt, weil sich die Frage in dieser Allgemeinheit weder im Beschwerdeverfahren gestellt hat noch in einem Rechtsbeschwerdeverfahren stellen würde.

Nach der vom Oberverwaltungsgericht zutreffend wiedergegebenen und dem angefochtenen Beschluss zugrunde gelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG ausschließlich ausbildungsadäquate Arbeitsplätze in den Blick zu nehmen. Denn nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Weiterbeschäftigung des Jugend- und Auszubildendenvertreters dem Arbeitgeber im Sinne dieser Vorschrift insbesondere dann nicht zumutbar, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt kein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz vorhanden ist. Ein Arbeitsplatz ist ausbildungsadäquat, wenn auf ihm diejenige Qualifikation gefragt ist, welche der Jugend- und Auszubildendenvertreter in der beruflichen Abschlussprüfung - hier die Qualifikation als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung nach einer dreijährigen Berufsausbildung - erlangt hat. Bei einem Mitglied der örtlichen Jugend- und Auszubildendenvertretung ist dabei ausschließlich auf den Bereich der Ausbildungsstätte abzustellen (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 9. März 2017 - 5 P 5.15 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 51 Rn. 18 m.w.N.). Um einen Dauerarbeitsplatz handelt es sich, wenn die ihm zugeordneten Aufgaben und Tätigkeiten auf Dauer angelegt sind (BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - 6 PB 19.13 - PersV 2014, 269 m.w.N.). Maßgeblich für die Beurteilung der Unzumutbarkeit sind grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung. Im Einzelfall kann der Dreimonatszeitraum davor einzubeziehen sein, vorausgesetzt der Auszubildende war - wie hier - während dieses Zeitraums Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 9. März 2017 - 5 P 5.15 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 51 Rn. 18 m.w.N.). Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Frage, ob der öffentliche Arbeitgeber in dem maßgeblichen Zeitpunkt über einen ausbildungsadäquaten Dauerarbeitsplatz verfügte, eine Tatsachenfrage ist, wenn es - wie hier - an normativen Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers fehlt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - 6 PB 19.13 - PersV 2014, 269). In Anknüpfung an diese rechtlichen Vorgaben kann sich im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung hier allenfalls die Frage stellen, ob bei einem dauerhaften Bedarf nach einem (weiteren) Beschäftigten mit der Qualifikation des Jugend- und Auszubildendenvertreters im maßgeblichen Zeitpunkt die befristete Einstellung eines Beschäftigten mit derselben Qualifikation wie der des Jugend- und Auszubildendenvertreters der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung entgegenstehen kann.

Sollte die Beschwerde ihre Frage auch in diesem Sinne verstanden wissen wollen, vermag allerdings auch diese Frage die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht zu rechtfertigen. Denn sie geht von Tatsachen und Annahmen aus, die das Oberverwaltungsgericht nicht fest- bzw. aufgestellt hat. Dem angefochtenen Beschluss sind keine Tatsachenfeststellungen des Inhalts zu entnehmen, dass in der Dienststelle des Antragstellers im Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung des Beteiligten zu 1 am 13. Juni 2016 und in den drei Monaten davor, ein dauerhafter Bedarf an der Beschäftigung eines weiteren Fachinformatikers für Anwendungsentwicklung bestand, der durch eine (einmalige oder wiederholte) befristete Beschäftigung ausgelernter Auszubildender mit einer entsprechenden Qualifikation gedeckt wurde. Die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen für das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO bindend sind, weisen vielmehr in die entgegengesetzte Richtung.

Das Oberverwaltungsgericht hat in Bezug auf die nach dem Vorbringen des Beteiligten zu 1 im maßgeblichen Zeitraum konkret für eine Besetzung zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze festgestellt, dass die Planstellen 20001178 und 20001211 Informatikerstellen seien, für die jeweils ein Hochschulabschluss erforderlich sei, über den der Beteiligte zu 1 anders als der jeweilige Stelleninhaber nicht verfüge. Zudem seien diese Planstellen bis zum 31. Mai bzw. 30. Juni 2016 befristet gewesen. Die Planstelle 20001205 sei ebenfalls eine Informatikerstelle, die nach der Stellenausschreibung ein abgeschlossenes Studium der Informatik/Digitale Medien oder eine vergleichbare Ausbildung, fundierte Kenntnisse der Webtechnologien, umfangreiche Programmiererfahrung mit PHP und Javascript, vorzugsweise Berufserfahrung in Internetagenturen, hohe Lernbereitschaft, Teamfähigkeit und ausgezeichnetes Kommunikationsverhalten sowie sehr gute Englischkenntnisse voraussetze. Die geforderten besonderen Fachkenntnisse fehlten aber dem Beteiligten zu 1 im Gegensatz zu dem Beschäftigten, dem die Stelle mit Wirkung zum 10. Juni 2016 zugewiesen worden sei (BA S. 15). Die Planstelle 20001815 sei allein aus datentechnischen Gründen geschaffen worden, um eine Gehaltsabrechnung für den Beteiligten zu 1 zu ermöglichen (BA S. 16). Die Planstelle 20001203 sei schließlich eine der beiden nicht als Dauerarbeitsplatz bestimmten Azubi-Umlaufstellen (BA S. 15). Die beiden Azubi-Umlaufstellen habe es schon gegeben, als der Beteiligte zu 1 noch kein Mitglied der Jugendvertretung gewesen sei. Sie seien allein deshalb geschaffen worden, weil der Antragsteller über Bedarf ausbilde und dienten dazu, ehemaligen Auszubildenden zum Zwecke der Förderung des beruflichen Einstiegs in die Arbeitswelt eine befristete Weiterbeschäftigung anzubieten (BA S. 14). In Würdigung dieser Umstände ist das Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsteller dem Beteiligten zu 1 im maßgeblichen Zeitraum keinen ausbildungsadäquaten Dauerarbeitsplatz habe bereitstellen können (BA S. 14). In den bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass es sich insbesondere bei der Planstelle 20001203 um einen Arbeitsplatz handelt, der für einen ausgebildeten Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung geeignet war, oder dass diese Planstelle im maßgeblichen Zeitpunkt mit einem derart qualifizierten Beschäftigten besetzt war. Ebenso wenig ist ihnen ein tatsächlicher Anknüpfungspunkt für die Annahme zu entnehmen, dass am 13. Juni 2016 und in den drei Monaten davor in der Dienststelle des Antragstellers ein dauerhafter Bedarf nach einem weiteren Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung bestand.

2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 95 Abs. 2 PersVG BB i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.

Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 31.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 61 PV 6.17