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BVerwG - Entscheidung vom 21.10.2019

4 BN 24.19

Normen:
BauNVO § 1 Abs. 4 S. 2
BauNVO § 1 Abs. 9

BVerwG, Beschluss vom 21.10.2019 - Aktenzeichen 4 BN 24.19

DRsp Nr. 2020/210

Anforderungen an die Bestimmtheit eines Bebauungsplans; Dokumentation eines gebietsübergreifenden planerischen Gliederungswillens der Gemeinde

Die Wirksamkeit einer gebietsübergreifenden Gliederung hängt davon ab, dass ihr auch ein darauf gerichteter planerischer Wille der Gemeinde zugrundeliegt.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 € festgesetzt.

Normenkette:

BauNVO § 1 Abs. 4 S. 2; BauNVO § 1 Abs. 9 ;

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Bebauungsplan "Unteres Wörth Allmanden - 3. Änderung" der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2016 aus zwei Gründen beanstandet. Zum einen seien einzelne seiner Festsetzungen als zu unbestimmt anzusehen. Das gelte insbesondere für die textliche Regelung unter Nr. 1.1.3 in Bezug auf den darin verwendeten Begriff der "Nutzungen mit erheblichen An- und Abfahrverkehr" (UA S. 16). Unabhängig von der Frage der Bestimmtheit sei die in Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans getroffene Regelung zum anderen insgesamt rechtswidrig, weil es hierfür an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehle (UA S. 17 ff.). Nach der Konzeption des angefochtenen Urteils ist letzterer Mangel der umfassendere, weil nur er zur Gesamtunwirksamkeit der textlichen Festsetzung unter Nr. 1.1.3 führt. Wenn insofern kein Zulassungsgrund gegeben ist, dann kann die erste Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (BVerwG, Beschlüsse vom 9. September 2009 - 4 BN 4.09 - ZfBR 2010, 67 = juris Rn. 5 und vom 21. August 2018 - 4 BN 44.17 - Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 21 Rn. 3) und kann offenbleiben, ob hinsichtlich dieser Begründung ein Grund für die Zulassung der Revision vorliegt. So liegt es hier. Die Sache hat in Bezug auf das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die textliche Festsetzung unter Nr. 1.1.3 nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ), die ihr die Beschwerde beimisst.

1. Die Antragsgegnerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

wie in geeigneter Weise im Bebauungsplan selbst oder seiner Begründung dokumentiert werden muss, dass und wie der Plangeber von der Ermächtigung in § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO Gebrauch gemacht hat, d.h. welche Anforderungen an die Dokumentation eines gebietsübergreifenden, planerischen Gliederungswillens der Gemeinde erfüllt sein müssen, wenn die Bebauungsplanbegründung diesen Willen für eine andere Festsetzung klar zum Ausdruck bringt,

bzw.

welche Anforderungen und welche Reichweite an die Dokumentation des Gliederungswillens im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO zu stellen sind.

Die Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würden. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht angenommen, dass der Wille der Antragsgegnerin, von der Ermächtigung des § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO Gebrauch zu machen, im Bebauungsplan oder in dessen Begründung nicht ausreichend dokumentiert worden sei, sondern dass es an einer solchen Dokumentation überhaupt fehle. Da die Antragsgegnerin die Festsetzungen nicht auf § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO , sondern auf § 1 Abs. 9 BauNVO habe stützen wollen, liege das sozusagen in der Natur der Sache. Auch aus der Begründung des Bebauungsplans ergebe sich nichts anderes. An diese Auslegung des Bebauungsplans wäre der Senat in einem nachfolgenden Revisionsverfahren gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO ).

2. Die weiter für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Fragen,

ob für die Bestimmung des planerischen Willens auch eine objektive Gesamtschau aller mit Hilfe von § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO zu gliedernden Bebauungspläne der Gemeinde ausreichend ist,

bzw.

ob sich der nach § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO notwendige planerische Wille der Gemeinde nicht auch aus einer objektiven Gesamtschau der übrigen Bebauungspläne der Gemeinde ergeben kann und dies für eine Gesamtgliederung ausreichend ist,

rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil es hierfür an entsprechenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs fehlt. Allein die Möglichkeit, dass die Fragen nach einer Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung durch die Vorinstanz entscheidungserheblich werden könnten, reicht nicht aus (stRspr. vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62>). Die Fragen lassen sich im Übrigen auf der Grundlage des Urteils des Senats vom 7. Dezember 2017 - 4 CN 7.16 - (BVerwGE 161, 53 Rn. 17 f.) ohne Weiteres verneinen. Danach hängt die Wirksamkeit einer gebietsübergreifenden Gliederung davon ab, dass ihr auch ein darauf gerichteter planerischer Wille der Gemeinde zugrunde liegt. Es gehört zu einer geordneten Städtebaupolitik, dass sich die Gemeinde darüber klar wird, ob und welche geeigneten Baugebiete nicht nur im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses, sondern auch zukünftig die Funktion von Ergänzungsgebieten übernehmen sollen. Der planerische Wille muss in geeigneter Weise im Bebauungsplan selbst oder seiner Begründung dokumentiert werden. Der Wille zur externen Gliederung kann sich also nicht aus einer "objektiven Gesamtschau der übrigen Bebauungspläne der Gemeinde" ergeben.

3. Im Zusammenhang mit der Rechtskraftwirkung des dem angefochtenen Urteil vorausgehenden Normenkontrollurteils hält die Antragsgegnerin für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob es aufgrund der objektiven Gesamtüberprüfung eines Bebauungsplans im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens ausgeschlossen ist, dass ein Bebauungsplan für unwirksam erklärt wird, wenn die inhaltsgleichen, nunmehr beanstandeten Festsetzungen eines Bebauungsplans in einem früheren, den vorherigen Bebauungsplan für unwirksam erklärenden Normenkontrollverfahren, nicht behandelt bzw. nicht beanstandet wurden,

ob eine Gemeinde bei einer negativen Kontrollentscheidung und in Bezug auf ein durchgeführtes Heilungsverfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB darauf vertrauen kann, dass die nichtbeanstandeten Festsetzungen eines Bebauungsplans in einem weiteren Normenkontrollverfahren deswegen standhalten, da sie im vorherigen Normenkontrollverfahren nicht behandelt und damit nicht beanstandet wurden,

ob diese Rechtskraftwirkung auch dann Bedeutung erlangt, wenn der Bebauungsplan aufgrund bestimmter, ausdrücklich benannter Fehler für unwirksam erklärt wird und danach einem Heilungsverfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB unterzogen wird,

ob die bei einer Aufhebung des Bebauungsplans festgestellten Fehler als abschließend gelten (müssen) und mit der Folge in Rechtskraft erwachsen, dass weitere Fehler in einem folgenden Normenkontrollverfahren mit denselben Beteiligten nicht relevant sein können,

ob der Gegenstand der Normenkontrolle (Satzung) gegenüber dem Planfeststellungsbeschluss (Verwaltungsakt) und die unterschiedlichen Verfahrensarten (Normenkontrolle/Anfechtungsklage mit "gekapptem Aufhebungsanspruch") so differieren, dass unterschiedliche Folgen der Rechtskraftwirkung "nicht gefundener Fehler" gerechtfertigt und angezeigt sind,

und schließlich,

ob im Normenkontrollverfahren, ebenso wie im Verfahren gegen eine Planfeststellung keine Rechtsfrage "dahingestellt" bleiben kann, wenn schon ein anderer zur Unwirksamkeit führender Fehler gefunden worden ist.

Auch diese Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision. Dies gilt bereits deshalb, weil sie für den Verwaltungsgerichtshof nicht maßgeblich waren. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Bundesverwaltungsgerichts, Rechtsfragen zu klären, die sich die Vorinstanz nicht gestellt und die sie deshalb auch nicht beantwortet hat (BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2016 - 4 B 10.16 - juris Rn. 5, vom 11. April 2017 - 4 B 11.17 - ZfBR 2017, 587 Rn. 11 und vom 24. Oktober 2018 - 4 B 50.18 - juris Rn. 1). Außerdem gehen die Fragen, die die Antragsgegnerin mit § 214 Abs. 4 BauGB verbindet, daran vorbei, dass nach den tatrichterlichen, den Senat nach § 560 ZPO , § 173 Satz 1 VwGO bindenden Feststellungen der angefochtene Plan trotz seiner Bezeichnung als Änderungsplan im Erlass eines neuen Bebauungsplans besteht (UA S. 11). Da er nicht Streitgegenstand früherer verwaltungsgerichtlicher Verfahren war, würden sich Fragen zum Umfang der Rechtskraft von Normenkontrollurteilen im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 21.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 3 S 1705/17