Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 09.04.2019

20 F 15.17

Normen:
NVerfSchG § 30 Abs. 2 S. 1
VwGO § 99 Abs. 1 S. 2 Alt. 2

BVerwG, Beschluss vom 09.04.2019 - Aktenzeichen 20 F 15.17

DRsp Nr. 2019/8858

Auskunft über die beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport zur Person gespeicherten Daten; Abgabe einer Sperrerklärung in Bezug auf teilweise geschwärzte Akten; Verweigerung der Informationsherausgabe aufgrund von Geheimhaltungsinteressen

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. September 2017 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 16. Juni 2017 ist auch teilweise rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 16, 20, 30 und 31 der Sachakte und Blatt 10, 11 und 17 der Verwaltungsakte bezieht.

Die weitergehende Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

NVerfSchG § 30 Abs. 2 S. 1; VwGO § 99 Abs. 1 S. 2 Alt. 2;

Gründe

I

In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger Auskunft über die beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport zu seiner Person gespeicherten Daten.

Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Daraufhin wurden durch den Beklagten ein teilweise geschwärzter Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Abgabe einer Sperrerklärung vom 16. Juni 2017 verweigert. Mit Beschluss vom 5. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren auf sinngemäßen Antrag des Klägers, die Rechtswidrigkeit der Verweigerung festzustellen, dem Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens vorgelegt. Der Beklagte habe sich darauf berufen, dass die nicht vorgelegten bzw. geschwärzten Unterlagen ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig seien bzw. einer Herausgabe § 30 Abs. 2 Satz 1 NVerfSchG entgegenstehe. Damit habe er dem Begehren des Klägers Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative VwGO entgegengehalten, deren Berechtigung vom erkennenden Gericht nur in Kenntnis des Akteninhaltes überprüft werden könne.

Mit Beschluss vom 28. September 2017 hat der Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtswidrig ist, soweit sie sich auf einen im Einzelnen konkret bezeichneten Teil der Unterlagen bezieht. Im Übrigen sei sie rechtmäßig. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

Die zulässige Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Über die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts hinaus ist die Sperrerklärung auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf die im Entscheidungsausspruch bezeichneten Dokumente bezieht. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet. Insoweit hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zutreffend entschieden, dass die Weigerung des Beklagten, die angeforderten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtmäßig und der Antrag daher abzulehnen ist.

1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat auf den - nach ordnungsgemäßer Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen durch das Verwaltungsgericht - zulässigen Antrag des Klägers das Vorliegen der mit der Sperrerklärung vom 16. Juni 2017 differenzierend auf die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe geprüft.

a) Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (BVerwG, Beschlüsse vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 4, vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 18 f. und vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - Rn. 7). Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2009 - 20 F 11.08 - juris Rn. 9 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörde die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt vorzulegen.

Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO . Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 13). Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten. Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 10 und vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - NVwZ 2019, 406 Rn. 14).

b) Hiernach ist die Weigerung des Beklagten, die im Entscheidungsausspruch aufgeführten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtswidrig. Für diese Aktenteile ist nämlich nicht ersichtlich, dass die in der Sperrerklärung insoweit in Anspruch genommenen Weigerungsgründe ihre Vorlage vollständig ausschließen (a). Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden (b).

aa) Nicht von Weigerungsgründen gedeckt sind Schwärzungen von Rechtsvorschriften im Rahmen von Hinweisen auf offengelegte Vorfälle unter Beteiligung des Klägers. In den Dokumenten Blatt 15 bis 22 der Sachakte und Blatt 10 bis 19 der Verwaltungsakte werden Hinweise auf solche Vorschriften an zahlreichen Stellen offengelegt, an einigen Stellen aber ohne ersichtlichen Grund für die Differenzierung von Schwärzungen umfasst.

Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat insofern bereits mit Recht für die Schwärzung solcher Vorschriften auf Blatt 15 der Sachakte das Fehlen von Geheimhaltungsgründen festgestellt. Rechtswidrig sind aus demselben Grund aber auch die entsprechenden Schwärzungen von Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit dem Bericht über die auch auf Blatt 15 der Sachakte angeführten Vorfälle in A. am 8. Oktober 2012 und am 11. März 2012, soweit sich diese auch auf Blatt 10 und 11 der Verwaltungsakte finden.

Aus diesem Grunde rechtswidrig sind weiter Schwärzungen auf Blatt 16 der Sachakte, wo in Bezug auf den Versuch mehrerer Personen, eine Polizeisperre in B. am 6. August 2011 zu durchbrechen, der Verweis auf eine Strafrechtsnorm geschwärzt wurde, der in Bezug auf denselben Vorfall auf Blatt 12 der Verwaltungsakte offengelegt wurde.

Rechtswidrig ist auch die Schwärzung einer Rechtsvorschrift auf Blatt 20 der Sachakte in Zusammenhang mit einer Spontandemonstration in A. am 27. Januar 2010. Entsprechendes gilt für die korrespondierende Schwärzung in Bezug auf denselben Vorgang auf Blatt 17 der Verwaltungsakte.

Weigerungsgründe rechtfertigen es auch nicht, die Namen von Mitangeklagten zu schwärzen, die dem Kläger bereits aus einem auch gegen ihn geführten Strafverfahren mit einer öffentlichen Hauptverhandlung bekannt sind. Dies betrifft Blatt 30 und 31 der Sachakte. Dort wird über eine am 12. März 2013 gegen drei Personen, darunter den Kläger, geführte Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht A. und deren um 12.50 Uhr verkündetes Ergebnis berichtet. Hinsichtlich der Namen der Mitangeklagten, deren Verfahren von dem des Klägers nach der Hauptverhandlung abgetrennt wurden, besteht jedenfalls nach der gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG öffentlichen Hauptverhandlung kein Geheimhaltungsgrund mehr. Dementsprechend gibt es auch keine Rechtfertigung für die Schwärzung der Namen der Mitangeklagten des genannten Verfahrens auf Blatt 10 der Verwaltungsakte.

Auf Blatt 31 der Verwaltungsakte ist - neben den vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts beanstandeten Schwärzungen der abstrakten Angabe der Art einzelner biographischer Daten - auch kein Geheimhaltungsinteresse ersichtlich, soweit eine Zeile des Textes darüber geschwärzt wurde, die den Ausgang des Ermittlungsverfahrens der Polizeiinspektion A. zu dem auf diesem Blatt 31 angesprochenen Vorfall vom 10. April 2014 betrifft. Diese Schwärzung wird von keinem der für dieses Blatt in Anspruch genommenen Weigerungsgründe gedeckt. Es ist nicht ersichtlich, was aus dieser Information über die Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörden geschlossen werden sollte. Einer Ergänzung des Tenors des angegriffenen Beschlusses bedurfte es insoweit nicht, weil der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts im Hinblick auf diese Seite bereits die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung festgestellt hatte.

bb) Hinsichtlich der weiteren Aktenbestandteile und der weitergehenden Schwärzungen auf den im Tenor genannten Seiten, soweit diese im Rahmen der Beschwerde zur Überprüfung des Senats standen, ist die Sperrerklärung rechtmäßig.

Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO abgesehen. Weitere Teilschwärzungen, die über diejenigen, die dem Verwaltungsgericht bereits vorgelegten Aktenteile zu entnehmen sind, hinausgehen, kommen in Bezug auf diese Aktenbestandteile nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 18 und vom 29. November 2016 - 20 F 10.16 - juris Rn. 12).

c) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.) genügt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO . Der Kläger obsiegt im Beschwerdeverfahren nur in geringem Umfang, weil über die vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts bereits als rechtswidrig erkannten Schwärzungen hinaus nur wenige weitere Schwärzungen - Rechtsvorschriften und ihm bereits notwendig bekannte Informationen wie Namen von Mitangeklagten - nicht durch Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gedeckt sind.

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 28.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 14 PS 8/17