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BVerwG - Entscheidung vom 10.04.2019

6 C 19/18

Normen:
GG Art. 12 Abs. 1

Fundstellen:
BVerwGE 165, 202
DVBl 2020, 125

BVerwG, Urteil vom 10.04.2019 - Aktenzeichen 6 C 19/18

DRsp Nr. 2019/9157

Anspruch eines Studenten auf erneute Durchführung der zweiten Wiederholungsprüfung eines mündlichen Diplom-Prüfungsteils; Entbehrlichkeit der Durchführung eines Überdenkensverfahrens

1. Der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit und der effektive Schutz der Berufswahlfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG ) verlangen, dass der zuständige Normgeber die Zahl der Prüfer und das Verfahren im Falle von Bewertungsdifferenzen der Prüfer bei berufsbezogenen Prüfungen rechtssatzmäßig festlegt.2. Die Durchführung eines Überdenkensverfahrens kann nicht wegen einer zuvor auf Verlangen des Prüflings von den Prüfern abgegebenen schriftlichen Begründung der Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistung als entbehrlich angesehen werden. Eine solche Begründung eröffnet dem Prüfling erst die Möglichkeit, substantiierte Einwendungen zu erheben, anhand derer die Prüfer ihre Bewertung zu überdenken haben.

Normenkette:

GG Art. 12 Abs. 1 ;

[Tatbestand]

Der Kläger begehrt die erneute Durchführung der zweiten Wiederholungsprüfung eines mündlichen Diplom-Prüfungsteils.

Im WS ... begann der Kläger das Studium Diplom-Dolmetscher bei der Beklagten und wählte die Hauptfächer Englisch und Spanisch. Er bestand den mündlichen Diplom-Prüfungsteil Unilaterales Konsekutivdolmetschen Englisch-Deutsch (Komplexprüfung Dolmetschen) auch in der zweiten Wiederholung nicht. Diese Prüfung musste wegen eines Verfahrensfehlers der Beklagten nochmals durchgeführt werden. Die Beklagte bestellte hierfür vier Prüfer, darunter den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses des Instituts für A. der Philologischen Fakultät der Beklagten. Der Kläger absolvierte die erneute zweite Wiederholungsprüfung und erhielt für seine Leistungen als Bewertung wiederum die Gesamtnote 5,0.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 4. Oktober 2012 mit, dass er die Prüfung nicht bestanden und den Anspruch auf weitere Prüfungen im Studienfach Englisch im Studiengang Diplom-Dolmetscher verloren habe. Der Kläger verlangte eine schriftliche Begründung der Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistung und legte gegen den Bescheid Widerspruch ein. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses gab dem Kläger die von allen Prüfern erstellte Begründung der Leistungsbewertung schriftlich bekannt. Daraufhin rügte der Kläger in seiner Widerspruchsbegründung unter anderem, dass das Verfahren der Leistungsbewertung zu beanstanden sei, weil dieses in der Prüfungsordnung nicht geregelt sei. Auch weiche die im Anschluss an die mündliche Prüfung abgegebene Begründung, mit der lediglich drei Fehler bezeichnet worden seien, von der schriftlichen Begründung ab, die eine ganze Reihe weiterer Fehler benenne. Die schriftliche Begründung hebe zudem ausschließlich die negativen Aspekte hervor, ohne die positiven Aspekte zu erwähnen. Hinzu komme, dass die Prüfer von einem überzogenen Bewertungsmaßstab ausgegangen seien, da sich das Institut für A. der Fakultät einem "claim of excellence" verpflichtet fühle. Dieser Maßstab entspreche nicht den in der Prüfungsordnung geregelten Anforderungen. Das Prüfungsthema E-Mobilität sei überdurchschnittlich schwierig gewesen. Dieses Thema sei erst im Masterstudiengang im Bereich Fachdolmetschen vorgesehen und den Prüflingen werde dort eine Woche Vorbereitungszeit gegeben. Die Beklagte wies aufgrund einer Entscheidung des Prüfungsausschusses den Widerspruch zurück, ohne zuvor von sämtlichen Prüfern eine Stellungnahme zu den Einwendungen eingeholt zu haben.

Seine Klage, mit der der Kläger unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide die erneute Durchführung der zweiten Wiederholungsprüfung des bisher nicht bestandenen Prüfungsteils und hilfsweise unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides die Nachholung des Überdenkensverfahrens begehrt, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Durchführung der streitgegenständlichen Prüfung den landesrechtlichen Vorgaben genügt habe. Soweit § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 der einschlägigen Prüfungsordnung vorsehe, dass jeder Kandidat in einem Prüfungsfach nur von einem Prüfer geprüft werde und nur dieser Prüfer nach Anhörung der anderen an der Kollegialprüfung mitwirkenden Prüfer die Note festsetze, verstießen diese Regelungen zwar gegen § 35 Abs. 7 Satz 2 SächsHSFG . Denn nach dieser Norm müssten bei Kollegialprüfungen sämtliche Prüfer an der Notenfestsetzung mitwirken und seien nicht auf die Wahrnehmung eines Anhörungsrechts beschränkt. Aus der gesetzlichen Vorschrift, die als Übergangsregelung heranzuziehen sei, ergäben sich aber hinreichend konkret die Anforderungen an die Durchführung mündlicher Kollegialprüfungen, die vorliegend gewahrt worden seien. Danach hätten vier Prüfer einschließlich des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses bestellt werden dürfen, die bei der Bewertung der Leistung gleichrangig mitentscheiden durften. Die unterlassene Durchführung des Überdenkensverfahrens aus Anlass der mit dem Widerspruch erhobenen Einwendungen begründe keinen Verfahrensfehler. Der Kläger habe in der Widerspruchsbegründung Einwendungen zu prüfungsspezifischen Wertungen betreffend die Themen Fehlerfokussierung und Abwägungsausfall, überzogener Bewertungsmaßstab sowie Schwierigkeit und Ungeeignetheit des Prüfungsthemas geltend gemacht. Zu diesen Aspekten hätten die Prüfer bereits hinreichend in der schriftlichen Begründung Stellung genommen, so dass hier ausnahmsweise ein Überdenken entbehrlich gewesen sei. Die schriftliche Begründung der Note sei in einem den Anforderungen an ein Überdenken genügenden Verfahren zustande gekommen. Schließlich führe die Mitwirkung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses bei der Entscheidung über den Widerspruch nicht zur Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheides.

Der Kläger macht mit seiner Revision im Wesentlichen geltend, dass er aufgrund seiner Einwendungen einen Anspruch auf Durchführung eines Überdenkensverfahrens habe. Die Berechtigung seiner Einwendungen sei allein von den Prüfern zu beurteilen. Die Verletzung dieses Anspruchs müsse zu einer Wiederholung des mündlichen Prüfungsteils führen, da das Überdenkensverfahren sechs Jahre nach Durchführung der mündlichen Prüfung nicht mehr nachgeholt werden könne. Ansonsten sei der Widerspruchsbescheid aufzuheben und das Überdenkensverfahren durchzuführen. Des Weiteren sei das Bewertungsverfahren nicht hinreichend geregelt. Es fehle an Regelungen betreffend die konkrete Zahl der zu bestellenden Prüfer und bei Uneinigkeit der Prüfer hinsichtlich der Bewertung der erbrachten Prüfungsleistung.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Mit einer Gegenrüge macht sie geltend, das Berufungsurteil habe keine ausreichenden Feststellungen zur Substanz der im Widerspruchsverfahren erhobenen Einwände getroffen.

[Entscheidungsgründe]

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ) und erweist sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO ). Die durch die Vorinstanz getroffenen Tatsachenfeststellungen bieten für den Senat eine ausreichende Grundlage, um in der Sache selbst zu entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO ). Danach ist der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und die Beklagte zur erneuten Durchführung des streitgegenständlichen Prüfungsteils zu verurteilen (§ 113 Abs. 4 VwGO ).

Maßgebend für die Beurteilung des Klagebegehrens ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Prüfung (1.). Die satzungsrechtlichen Regelungen der Beklagten zur Durchführung des mündlichen Teils der Diplom-Dolmetscherprüfung genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (2.). Darüber hinaus gebietet Art. 12 Abs. 1 GG aufgrund der Einwendungen des Klägers die Durchführung eines Überdenkensverfahrens (3.). Da das Überdenkensverfahren infolge Zeitablaufs nicht mehr nachgeholt werden kann, besteht ein Anspruch des Klägers auf erneute Durchführung der zweiten Wiederholungsprüfung des für endgültig nicht bestanden erklärten Prüfungsteils (4.).

1. Die Rechtmäßigkeit der Durchführung einer berufsbezogenen Prüfung und deren Bewertung sowie die darauf beruhende Feststellung ihres endgültigen Nichtbestehens sind anhand der zum Zeitpunkt der Erbringung der Prüfungsleistung maßgebenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen. Danach ist auf die Anfang Oktober 2012 geltende Rechtslage abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt galt für die Hochschulabschlussprüfungen der Universitäten § 35 Abs. 7 des Gesetzes über die Hochschulen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Hochschulgesetz - SächsHSG) vom 10. Dezember 2008 (SächsGVBl. S. 900), in der hier anwendbaren, zuletzt durch Art. 5 des Gesetzes vom 4. Oktober 2011 (SächsGVBl. 380, 391) geänderten Fassung. Diese Regelung entspricht nach der irrevisiblen berufungsgerichtlichen Auslegung dem von der Vorinstanz herangezogenen § 35 Abs. 7 des erst am 18. November 2012 in Kraft getretenen Gesetzes über die Freiheit der Hochschulen im Freistaat Sachsen ( Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz - SächsHSFG ; s. Art. 1 und 14 des Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Bestimmungen vom 18. Oktober 2012 <SächsGVBl. S. 568>).

2. Das angefochtene Urteil verletzt revisibles Recht, soweit es davon ausgegangen ist, dass die Regelungen in der Prüfungsordnung der Beklagten zur Durchführung des mündlichen Prüfungsteils Unilaterales Konsekutivdolmetschen mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Die Regelungen sind an Art. 12 Abs. 1 GG und dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit zu messen (a)). Die Ausgestaltung dieser Prüfung als Kollegialprüfung, bei der jeder Prüfer an der Notenfestsetzung mitwirken muss, begegnet keinen Bedenken (b)). Verfassungsrechtlich gefordert sind jedoch normative Festlegungen der Zahl der Prüfer und des Verfahrens bei Bewertungsdifferenzen zwischen den Prüfern (c)). Da die Prüfungsordnung insoweit ein Regelungsdefizit aufweist, muss das Gericht Übergangsregelungen treffen (d)).

a) Bei der streitgegenständlichen Prüfung handelt es sich um den Teil einer den Berufszugang eröffnenden Hochschulabschlussprüfung. Gemäß § 18 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b der nach der bindenden Auffassung des Berufungsgerichts anzuwendenden Prüfungsordnung für den Studiengang Diplom-Dolmetscher der Beklagten vom 28. Juli 1995 (nachfolgend Prüfungsordnung) gehört der streitgegenständliche Prüfungsteil zur Diplom-Prüfung im Studiengang Diplom-Dolmetscher. Die Diplom-Prüfung ist ein berufsqualifizierender Abschluss (§ 1 Satz 1 Prüfungsordnung). Ihr Bestehen eröffnet dem Prüfling den Zugang zu diesem Beruf, so dass deren normative Regelungen in die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ) eingreifen und einer den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG genügenden Rechtfertigung bedürfen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2013 - 6 C 18.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 418 Rn. 18 und vom 15. März 2017 - 6 C 46.15 [ECLI:DE:BVerwG:2017:150317U6C46.15.0] - Buchholz 451.33 SprG Nr. 4 Rn. 9). Aufgrund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG müssen danach Regelungen über das Verfahren der Bewertung der Prüfungsleistungen, die Bestehensvoraussetzungen und die Notenvergabe rechtssatzmäßig, d.h. für Staatsprüfungen in einer Rechtsverordnung, für Hochschulprüfungen in einer Satzung der Hochschule, festgelegt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2015 - 6 B 32.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:201115B6B32.15.0] - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 187 Rn. 7 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82 und 174/84 - BVerfGE 80, 1 <20 ff.>).

Zudem müssen die Regelungen dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG ) genügen. Der Normgeber muss dafür Sorge tragen, dass für alle Teilnehmer vergleichbarer Prüfungen so weit wie möglich gleiche Prüfungsbedingungen und Bewertungsmaßstäbe gelten. Für das Prüfungsverfahren, d.h. für Form und Verlauf der Prüfungen, müssen einheitliche Regeln gelten, die auch einheitlich angewandt werden. Bevorzugungen und Benachteiligungen einzelner Teilnehmer oder Teilnehmergruppen müssen vermieden werden, um gleiche Erfolgschancen zu gewährleisten (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <52>; BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 1990 - 7 C 17.90 - BVerwGE 87, 258 <261 f.> und vom 15. März 2017 - 6 C 46.15 - Buchholz 451.33 SprG Nr. 4 Rn. 25; Beschlüsse vom 30. Juni 2015 - 6 B 11.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:300615B6B11.15.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 422 Rn. 9, vom 22. Juni 2016 - 6 B 21.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016:220616B6B21.16.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 424 Rn. 13 und vom 16. Februar 2017 - 6 B 58.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:160217B6B58.16.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 428 Rn. 9).

b) Sowohl § 35 Abs. 7 Satz 2 Alt. 1 SächsHSG bzw. SächsHSFG als auch § 21 i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 Prüfungsordnung eröffnen für den mündlichen Teil der Diplom-Prüfung die Möglichkeit einer Kollegialprüfung. Am Maßstab des Bundesverfassungsrechts ist das berufungsgerichtliche Verständnis dieser landesrechtlichen Normen, bei einer Kollegialprüfung müssten alle Prüfer an der Bewertung mitwirken, nicht zu beanstanden. Denn die Prüfer haben ihre Aufgaben eigenständig und unabhängig voneinander wahrzunehmen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 5. März 2018 - 6 B 71.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:050318B6B71.17.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 429 Rn. 8).

c) Die konkrete Zahl der Prüfer und die Regelung der Notenfestsetzung bei Bewertungsdifferenzen bedürfen der rechtssatzmäßigen Festlegung in der Prüfungsordnung.

Die Zahl der Prüfer betrifft nicht nur das Prüfungsverfahren, indem sie die Größe der gegenüber dem Prüfling auftretenden Prüfungskommission bestimmt. Sie gewährleistet vor allem zur Verwirklichung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit so weit wie möglich gleiche Erfolgschancen für alle Prüfungsteilnehmer, weil sie die Grundlage für die endgültige Bewertung der Prüfungsleistung beeinflusst. Eine Kollegialprüfung bietet gegenüber der Prüfung durch einen einzelnen Prüfer eine erhöhte Richtigkeitsgewähr für die zu treffende Bewertungsentscheidung. Dies liegt in der Natur der Bewertungsentscheidung des Prüfers. Der jeweilige Prüfer nimmt die Bewertung anhand von Maßstäben vor, die er in Bezug auf die konkrete Prüfungsaufgabe autonom erstellt. Sie beruhen auf einem Bezugssystem, das vor allem durch seine persönlichen Erfahrungen, Einschätzungen und Vorstellungen gebildet wird. Diese Maßstäbe muss der Prüfer aus Gründen der Chancengleichheit auf die Bewertung aller Bearbeitungen derselben Prüfungsaufgabe anwenden. Auf ihrer Grundlage trifft er eine Vielzahl fachlicher und prüfungsspezifischer Wertungen; diese Wertungen setzt er nach der Bedeutung, die er ihnen aufgabenbezogen beimisst, in ein Verhältnis zueinander. Aufgrund der Gewichtung der einzelnen Vorzüge und Nachteile der Prüfungsleistung und deren Vergleich mit anderen Bearbeitungen vergibt der Prüfer die Note, d.h. er ordnet die Prüfungsleistung in eine normativ vorgegebene Notenskala ein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <50 ff.>; Kammerbeschluss vom 16. Januar 1995 - 1 BvR 1505/94 - NVwZ 1995, 469 <470>; BVerwG, Beschluss vom 5. März 2018 - 6 B 71.17 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 429 Rn. 8). Wird eine Prüfungsleistung von mehreren Prüfern bewertet, stellt sich die Bewertung der Prüfungsleistung nicht als Ergebnis einer einzelnen Bewertungsentscheidung dar, sondern sie ist das Ergebnis der auf den verschiedenen subjektiven Wertungen und Gewichtungen beruhenden Bewertungsentscheidungen der jeweiligen Prüfer. Durch die Einschaltung mehrerer Prüfer wird das Ergebnis objektiviert, was zugleich Bevorzugungen und Benachteiligung einzelner Prüflinge minimiert (ebenso BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417 Rn. 7 m.w.N.; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 26, 547 ff.). Hängt das Resultat der Prüfung aber maßgeblich von der gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Ausübung des Beurteilungsspielraums durch den jeweiligen Prüfer ab, dann ist die Anzahl der Prüfer wesentlich für das Prüfungsergebnis und muss für alle Teilnehmer einer berufsbezogenen Abschlussprüfung vorab und vorhersehbar festgelegt sein.

Entsprechendes gilt für die Regelung der Notenfestsetzung bei Bewertungsdifferenzen zwischen den Prüfern. Die Note kann bei Bewertungsdifferenzen anhand eines Stichentscheids, einer Mehrheitsentscheidung oder einer Bildung des arithmetischen Mittels der Einzelbewertungen festgesetzt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <46>; Kammerbeschluss vom 16. Januar 1995 - 1 BvR 1505/94 - NVwZ 1995, 469 <470>). Die Wahl der Methode kann im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Notenfestsetzung führen. Daher muss auch sie zur Wahrung der Chancengleichheit für alle Prüfungsteilnehmer vorab und vorhersehbar einheitlich festgelegt sein.

Angesichts des mit der Bewertung einer den Zugang zu einem Beruf eröffnenden Prüfung verbundenen intensiven Eingriffs in die freie Wahl des Berufs ist den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG und des Art. 3 Abs. 1 GG nur genügt, wenn die Zahl der zu bestellenden Prüfer und das Verfahren der Notenfestsetzung bei Bewertungsdifferenzen zwischen den Prüfern rechtssatzmäßig bestimmt sind. Neben der von Art. 12 Abs. 1 GG geforderten Neutralität und Objektivität des Prüfungsverfahrens kommt hier dem Erfordernis des Grundrechtsschutzes durch Verfahren angesichts der nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte prüfungsspezifischer Wertungen ein hohes Gewicht für den effektiven Grundrechtsschutz zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <45 f.>; BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417 Rn. 5, 7). Daher können solche Regelungen nicht der Verwaltungspraxis überlassen bleiben, sondern sie sind von den zuständigen Normgebern - hier von Hochschulen aufgrund der in § 34 SächsHSG bzw. SächsHSFG enthaltenen Ermächtigung auf der Ebene der Prüfungsordnung - unter Beachtung des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG rechtssatzmäßig zu erlassen (vgl. unter a)).

Das Regelungsgebot verletzt die in Art. 5 Abs. 3 GG verankerte Wissenschaftsfreiheit der Hochschulen nicht. Die Wissenschaftsfreiheit umfasst die Befugnis zum Erlass von Studien- und Prüfungsordnungen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Juni 2015 - 1 BvR 2218/13 [ECLI:DE:BVerfG:2015:rk20150626.1bvr221813] - NVwZ 2015, 1444 Rn. 18 m.w.N.). Die mit dem Regelungsgebot verbundene Einschränkung der Satzungsautonomie der Hochschulen ist durch den erforderlichen effektiven Grundrechtsschutz des Prüflings gerechtfertigt und auch verhältnismäßig. Den Hochschulen bleibt ein hinreichender Gestaltungsspielraum in Ausübung ihrer Wissenschaftsfreiheit bei der Festsetzung der Prüferzahl und der Regelung von Bewertungsdifferenzen für den jeweils zu regelnden Studiengang.

d) Diesen bundesverfassungsgerichtlichen Anforderungen genügt die hier anzuwendende Prüfungsordnung der Beklagten nicht. Nach den Ausführungen im berufungsgerichtlichen Urteil lässt sich der Prüfungsordnung weder die konkrete Zahl der Prüfer in dem mündlichen Prüfungsteil noch eine Regelung bei Bewertungsdifferenzen zwischen den Prüfern entnehmen. § 13 Abs. 2 Satz 1 Prüfungsordnung sieht lediglich vor, dass Kollegialprüfungen in der Regel vor mindestens zwei Prüfern abgelegt werden.

Aufgrund dieses auf der Ebene der Prüfungsordnung bestehenden Regelungsdefizits ist der Senat zur Vermeidung einer verfassungsferneren Regelungslücke und zur Wahrung der Berufsfreiheit gehalten, bis zur Herstellung verfassungsgemäßer Zustände durch den Satzungsgeber eine unerlässliche Übergangsregelung zu treffen, damit den aus Art. 12 Abs. 1 GG resultierenden Gewährleistungen der Prüflinge Rechnung getragen wird (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15. März 2017 - 6 C 46.15 - Buchholz 451.33 SprG Nr. 4 Rn. 29 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 1976 - 1 BvR 2325/73 - BVerfGE 41, 251 <267>). Die Übergangsregelung hat sich sachgerechter Weise an der Praxis der Beklagten zu orientieren. Danach werden - so auch die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung - die mündlichen Prüfungen der Diplom-Prüfung im Regelfall von drei Prüfern abgenommen und ein Prüfer kann bei der Festsetzung der Endnote überstimmt werden. Dementsprechend sind übergangsweise für die auf der Grundlage der Prüfungsordnung noch zu absolvierenden mündlichen Prüfungen der Diplom-Prüfung für Dolmetscher drei Prüfer zu bestellen und bei Bewertungsdifferenzen ist die Note aufgrund einer Mehrheitsentscheidung festzulegen.

3. Unter Verletzung revisiblen Rechts ist das Berufungsgericht in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass ein Überdenkensverfahren entbehrlich sei (a)). Der Kläger hat einen Anspruch auf Überdenken seiner Einwendungen (b)).

a) Das Überdenkensverfahren kann nicht aufgrund einer von den Prüfern abgegebenen schriftlichen Begründung der Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung als entbehrlich angesehen werden. Hierfür sprechen die unterschiedlichen Zwecke, die mit der Begründung einerseits (aa)) und dem Überdenkensverfahren andererseits (bb)) zum Schutz des Grundrechts auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG ) und des Rechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ) verfolgt werden. Während die Begründung dazu dient, dem Prüfling die Erhebung von Einwendungen zu ermöglichen, soll das Überdenken eine Kontrolle der Bewertungen anhand der Einwendungen durch die Prüfer selbst eröffnen:

aa) Der effektive Grundrechtsschutz verlangt zunächst, dass die Prüfungskommission die Bewertung einer berufsrelevanten Prüfungsleistung begründet und die tragenden Erwägungen darlegt, die zu ihrer Bewertung der Prüfungsleistung geführt haben. Der Grundrechtsschutz umfasst einen Informationsanspruch des Prüflings, der sich auf eine angemessene Begründung der Prüfungsentscheidung richtet, das heißt auf die Bekanntgabe der wesentlichen Gründe, mit denen die Prüfer zu einer bestimmten Bewertung der Prüfungsleistungen gelangt sind. Die maßgeblichen Gründe müssen zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein. Dieser Informationsanspruch soll den Prüfling in den Stand versetzen, diejenigen Informationen zu erhalten, die er benötigt, um feststellen zu können, ob die rechtlichen Vorgaben und Grenzen der Prüfung, insbesondere der Beurteilung seiner Leistungen, eingehalten worden sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 15. Juli 2010 - 2 B 104.09 - juris Rn. 5, 8 und vom 8. November 2005 - 6 B 45.05 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 408 Rn. 6, jeweils m.w.N.).

Das Begründungserfordernis gilt sowohl für schriftliche als auch für mündliche berufsbezogene Prüfungsleistungen. Während sich allerdings die wesentlichen Gründe der Prüfungsentscheidung bei schriftlichen Prüfungsleistungen regelmäßig aus den schriftlich fixierten Korrekturbemerkungen der Prüfer ergeben und der Prüfling auf die Einsicht in die Prüfungsakten verwiesen ist, hängt der Informationsanspruch des Prüflings bei mündlichen Prüfungsleistungen von einem entsprechend spezifizierten Begründungsverlangen ab (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 6. September 1995 - 6 C 18.93 - BVerwGE 99, 185 <191 f.>). Begehrt der Prüfling ungeachtet einer bereits im Anschluss an die Prüfung gegebenen mündlichen Begründung die Abgabe einer schriftlichen Begründung der Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistung, um konkrete Einwendungen gegen seine Bewertung vorbringen zu können, ist dem Informationsanspruch des Prüflings nachzukommen, damit der Prüfling ein Überdenken der fachlichen Einschätzungen und Wertungen der Prüfer veranlassen kann.

bb) Demgegenüber eröffnet das anschließende Überdenkensverfahren den Prüfern innerhalb des ihnen zustehenden prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums die Möglichkeit, ihre frühere Bewertung in fachlicher Hinsicht und in Bezug auf die prüfungsspezifischen Wertungen anhand der substantiiert erhobenen Einwendungen zu überdenken. Das Überdenkensverfahren stellt den mit Blick auf den effektiven Schutz der Berufsfreiheit erforderlichen Ausgleich dafür dar, dass den Prüfern bei prüfungsspezifischen Wertungen ein gerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbarer Spielraum eingeräumt ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417 Rn. 5 und vom 5. März 2018 - 6 B 71.17 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 429 Rn. 10, jeweils m.w.N.).

Das Überdenken dient nicht dazu, eine vollständig neue Bewertung vorzunehmen. Vielmehr handelt es sich um eine inhaltlich beschränkte Nachbewertung: Der Prüfer darf das komplexe, im Wesentlichen auf seinen Einschätzungen und Erfahrungen beruhende Bezugssystem, das er der Bewertung zugrunde gelegt hat, nicht ändern. Er hat sich auf der Grundlage dieses Bezugssystems mit Blick auf die vom Prüfling erhobenen Einwendungen lediglich mit den beanstandeten Einzelwertungen auseinanderzusetzen. Er muss entscheiden, ob er an diesen Wertungen festhält, und dies begründen. Ändert er eine Einzelwertung, weil er den Einwendungen Rechnung trägt, muss er weiter entscheiden, ob dies Auswirkungen für die Benotung hat (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1994 - 6 C 4.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 S. 34, 36 f.; Beschlüsse vom 11. Juni 1996 - 6 B 88.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 368 S. 142, vom 15. Juli 2010 - 2 B 104.09 - juris Rn. 10 und vom 19. Mai 2016 - 6 B 1.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016:190516B6B1.16.0] - juris Rn. 14). Aufgrund dieses Zwecks muss jeder Prüfer seine Bewertungen eigenständig überdenken, so dass nicht ausgeschlossen ist, dass die Prüfer in jeweils unterschiedlichem Umfang die vorgebrachten Einwendungen für begründet bzw. unbegründet erachten (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Februar 1993 - 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132 <137> und vom 30. Juni 1994 - 6 C 4.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 S. 34, 36 f.; Beschlüsse vom 15. Juli 2010 - 2 B 104.09 - juris Rn. 10 und vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417; grundlegend: BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <45 ff.>). Die Prüfer müssen zu den Einwendungen Stellung nehmen. Der Umfang und die Begründungstiefe, die eine im Überdenkensverfahren abgegebene Stellungnahme aufweisen muss, hängen von der Substanz der im konkreten Fall vorgebrachten Einwendungen des Prüflings ab (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2016 - 6 B 14.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016:210916B6B14.16.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 426 Rn. 11).

b) Die Revision ist nicht zurückzuweisen, weil sich das angefochtene Urteil auch nicht aus anderen Gründen gemäß § 144 Abs. 4 VwGO als richtig darstellt.

Voraussetzung für den Anspruch auf Durchführung des Überdenkensverfahrens ist, dass der Prüfling gegen einzelne prüfungsspezifische Wertungen substantiiert Einwendungen erhebt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1994 - 6 C 4.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 S. 34). Als unsubstantiiert können Einwendungen nur dann angesehen werden, wenn sich der Prüfling nur generell gegen eine bestimmte Bewertung seiner Prüfungsleistung wendet und etwa pauschal eine zu strenge Korrektur bemängelt (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132 <138>). An das notwendige Maß der Substantiierung von Einwendungen sind keine hohen Anforderungen zu stellen, da sonst der durch das Überdenkensverfahren gewährleistete verfahrensrechtliche Grundrechtsschutz leerzulaufen droht. Es reicht aus, wenn der Prüfling mit seinen Einwendungen in Bezug auf einzelne prüfungsspezifische Wertungen die Begründung der Prüfer in Zweifel zieht. Der effektive Grundrechtsschutz gebietet in der Regel, aufgrund von Einwendungen des Prüflings das Überdenkensverfahren durchzuführen.

Weder die Prüfungsbehörde noch die Verwaltungsgerichte im Rahmen ihrer gerichtlichen Kontrolle sind ermächtigt, substantiierte Einwendungen selbst auf ihre Berechtigung zu überprüfen oder in größerem Umfang vorgebrachte Einwendungen, die nur in Teilen substantiiert sind, in dem Sinne "vorzustrukturieren", dass sie die substantiierten Einwendungen herausfiltern und diese isoliert der Prüfungskommission vorlegen (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 B 104.09 - juris Rn. 13). Vielmehr haben allein die Prüfer sich mit sämtlichen Einwendungen auseinanderzusetzen.

Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Widerspruchsbegründung Einwendungen zu den Themen Fehlerfokussierung und Abwägungsausfall, überzogener Bewertungsmaßstab sowie Schwierigkeit und Ungeeignetheit des Prüfungsthemas erhoben und die Wertungen der Prüfer in Zweifel gezogen hat. Diese tatsächlichen Feststellungen sind für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend, weil die von der Beklagten erhobene Gegenrüge der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung nicht ansatzweise erkennen lässt, welche weiteren Feststellungen zum Inhalt der Einwendungen die Vorinstanz hätte aufklären können und müssen. Vielmehr reichen die berufungsgerichtlichen Feststellungen dem Senat für eine Entscheidung in der Sache aus (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO ).

Die Würdigung der Vorinstanz, dass sich diese Einwendungen auf einzelne prüfungsspezifische Wertungen beziehen und damit als substantiiert anzusehen sind, ist einer Aufklärungsrüge nicht zugänglich und zudem in der Sache nicht zu beanstanden. Denn prüfungsspezifische Wertungen sind solche, die sich damit befassen, wie ein Prüfling die Anforderungen der konkreten Prüfungsaufgabe bewältigt hat; sie beruhen auf dem autonomen Bezugssystem des jeweiligen Prüfers. Hierzu zählen die Bestimmung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabe, die Bewertung der Überzeugungskraft der Argumente, des Aufbaus der Darstellung und der Folgerichtigkeit des Begründungsgangs sowie die Gewichtungen der einzelnen fachlichen und prüfungsspezifischen Wertungen; d.h. die Bestimmung ihrer Bedeutung für die Notenvergabe (stRspr, vgl. im Einzelnen nur BVerwG, Beschluss vom 5. März 2018 - 6 B 71.17 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 429 Rn. 10 m.w.N.). Da sich die Einwendungen hiernach auf einzelne prüfungsspezifische Wertungen beziehen, hat ein Anspruch des Klägers auf Durchführung des Überdenkensverfahrens bestanden.

4. Das Unterlassen des Überdenkensverfahrens ist ein Verfahrensfehler, der im vorliegenden Fall auf die Entscheidung über den Widerspruch von Einfluss gewesen sein könnte und daher beachtlich ist (vgl. allgemein zur Kausalität von Verfahrensfehlern bei einer Prüfungsentscheidung: BVerwG, Beschluss vom 8. November 2005 - 6 B 45.05 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 408 Rn. 4 m.w.N.). Kann ein solcher Verfahrensfehler nicht mehr behoben und damit der fehlerbehaftete Teil des Prüfungs- oder Bewertungsverfahrens nicht mehr ordnungsgemäß nachgeholt werden, wie das namentlich bei mündlichen Prüfungen nach gewisser Zeit der Fall ist, ist die Prüfungsentscheidung insgesamt aufzuheben und es muss dem Prüfling die Möglichkeit eingeräumt werden, die Prüfungsleistung erneut zu erbringen. Hierdurch wird dem in Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gebot der Chancengleichheit im Prüfungsrecht nicht widersprochen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2001 - 6 C 14.01 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400 S. 38 f.; Beschluss vom 11. April 1996 - 6 B 13.96 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 363). So verhält es sich hier.

Aufgrund des Zeitablaufs von über sechs Jahren seit Ableistung der mündlichen Prüfung ist davon auszugehen, dass das Überdenkensverfahren nicht mehr nachgeholt werden kann. Dies ergibt sich schon aus der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen erstinstanzlichen Zeugenaussage der Prüferin E., dass sie sich nur noch unvollständig an die Prüfung erinnern könne (vgl. im Übrigen zur fehlenden Nachholbarkeit der Neubewertung der mündlichen Prüfung bei einer Zeitspanne von dreieinhalb bzw. vier Jahren: BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2019 - 6 C 3.18 [ECLI:DE:BVerwG:2019:270219U6C3.18.0] - juris; Beschluss vom 11. April 1996 - 6 B 13.96 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 363 S. 132 ff.). Die abschließende Bewertung der Prüfungsleistung kann daher nicht mehr verfahrensfehlerfrei erbracht werden, weshalb die angefochtenen Bescheide aufzuheben sind und dem Kläger ein Anspruch auf erneute Durchführung der zweiten Wiederholungsprüfung des streitgegenständlichen Prüfungsteils zuzuerkennen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO . Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO .

Vorinstanz: VG Leipzig, vom 24.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 624/13
Vorinstanz: OVG Sachsen, vom 13.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 5 A 538/16
Fundstellen
BVerwGE 165, 202
DVBl 2020, 125