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BVerwG - Entscheidung vom 15.07.2019

6 B 12.19

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1

BVerwG, Beschluss vom 15.07.2019 - Aktenzeichen 6 B 12.19

DRsp Nr. 2019/12980

Anspruch auf Wiederholung der für die Fortsetzung des Studiums erforderliche Erfolgskontrolle (Prüfung) der Lehrveranstaltung "Praktikum der Chemie für Mediziner"; Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iSv § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO

1. Das Satzungsrecht der Hochschulen, das diese im Bereich der akademischen Selbstverwaltung erlassen, ist irrevisibles Landesrecht.2. Bei Multiple-Choice-Prüfungen kann ein Überdenken der Bewertungen nicht stattfinden, weil hier das Prüfungsergebnis durch eine rechnerische Auswertung der Antworten ermittelt wird. Die Prüfertätigkeit ist in den Bereich der Aufgabenstellung vorverlagert.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. November 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 500 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Die Klägerin hat im Rahmen ihres Medizinstudiums an der beklagten Universität die für die Fortsetzung des Studiums erforderliche Erfolgskontrolle (Prüfung) der Lehrveranstaltung "Praktikum der Chemie für Mediziner" im Antwort-Wahl-Verfahren (Multiple Choice) dreimal nicht bestanden. Die beiden ersten Prüfungen wurden mit papiernen Unterlagen, die zweite Wiederholungsprüfung wurde am Computer durchgeführt. Weitere Prüfungsversuche sind nach der Studienordnung der Beklagten nicht möglich. Die Klägerin will erreichen, dass sie die zweite Wiederholungsprüfung nochmals ablegen kann.

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat in dem Berufungsurteil ausgeführt: Das Ergebnis der zweiten Wiederholungsprüfung der Klägerin beruhe nicht auf Verfahrens- oder Bewertungsfehlern. Es stehe fest, dass die Klägerin die Bestehensgrenzen auch dann verfehlt hätte, wenn drei der 44 Prüfungsfragen fehlerhaft gestellt gewesen sein sollten und aus diesem Grund bei der Ermittlung der Prüfungsergebnisse nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Der Einsatz von Computern in der zweiten Wiederholungsprüfung stelle keinen unzulässigen Wechsel der Prüfungsform dar. Die Klägerin habe die zweite Wiederholungsprüfung nicht bestanden, weil sie sowohl die absolute Bestehensgrenze von mindestens 60 % gutgeschriebener Antwortpunkte als auch die relative Bestehensgrenze verfehlt habe, wonach die Anzahl der Antwortpunkte 22 % des Durchschnittswerts der Erstteilnehmer nicht unterschreiten dürfe. Daher komme es auf die Rechtswirksamkeit der weiteren absoluten Bestehensgrenze von mindestens 50 % (Ankerklausel) ebenso wenig an wie auf die Rechtswirksamkeit der weiteren relativen Bestehensgrenze der Unterschreitung des Durchschnittswerts um nicht mehr als 12 % bei weniger als 15 % Erstteilnehmern. Beide Grenzen seien hier nicht zur Anwendung gekommen.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin kann keinen Erfolg haben. Aus ihrer Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren auf die Prüfung derjenigen Gesichtspunkte beschränkt, auf die der Zulassungsantrag gestützt wird.

1. Die Klägerin macht vorrangig geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO . Dies setzt voraus, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein genereller Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden kann und der Beschwerdeführer keine neuen, bislang nicht behandelten Gesichtspunkte aufzeigt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 &lt91 f.> und vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8).

Die Zulassung der Grundsatzrevision zur Beantwortung landesrechtlicher Fragen kommt nicht in Betracht, weil Landesrecht nicht revisibel ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 , § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO ). Dem Landesrecht gehören auch Rechtsgrundsätze an, die herangezogen werden, um eine Regelungslücke des geschriebenen Landesrechts zu schließen. Das Bundesverwaltungsgericht muss die Auslegung und Anwendung landesrechtlicher Vorschriften und Rechtsgrundsätze durch die Vorinstanz seinen Entscheidungen ohne inhaltliche Nachprüfung zugrunde legen. Es ist insoweit darauf beschränkt nachzuprüfen, ob das obergerichtliche Verständnis mit Bundesverfassungs- und Unionsrecht vereinbar ist (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 3. Juni 2014 - 4 CN 6.12 - BVerwGE 149, 373 Rn. 23 und vom 14. Dezember 2016 - 6 C 19.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016: 141216U6C19.15.0] - BVerwGE 157, 46 Rn. 6). Das Satzungsrecht der Hochschulen, das diese im Bereich der akademischen Selbstverwaltung erlassen, ist irrevisibles Landesrecht, weil die Hochschulen Teil der Staatsorganisation der Länder sind (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 26. Februar 2007 &ltNds. GVBl. S. 69>; BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 45.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015: 300915U6C45.14.0] - BVerwGE 153, 79 Rn. 11 f.).

a) Danach kann der von der Klägerin aufgeworfenen Frage,

ob eine verfahrensfehlerhafte Prüfungsgestaltung möglicherweise für das Prüfungsergebnis ursächlich ist, wenn von der Verfahrensfehlerhaftigkeit 6 Aufgabenpunkte betroffen sind, der Prüfling 17 Punkte erlangte und die Bestehensgrenze bei 36 von maximal erreichbaren 60 Punkten lag,

keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommen, weil sie auf der Grundlage irrevisiblen Landesrechts zu beantworten ist. Maßgebend für die Durchführung der Erfolgskontrollen der Lehrveranstaltungen im vorklinischen Abschnitt des Medizinstudiums sind die Richtlinien der Beklagten für die Durchführung von leistungsnachweispflichtigen Lehrveranstaltungen und die Bewertung von Leistungsnachweisen nach § 27 ÄAppO . Diese Richtlinien sind als Anlage 1 Bestandteil der Studienordnung der Beklagten und damit des Hochschulsatzungsrechts.

Der Frage liegt die Annahme der Klägerin zugrunde, aus § 8 Abs. 2 der Anlage 1 ergebe sich, dass die Beklagte bei der Gestaltung der Prüfungsaufgaben strikt an die Vorgaben der Praktischen Hinweise des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) zur Durchführung der schriftlichen Prüfungen nach der ÄAppO gebunden sei. In diesem Fall wären drei der 44 Prüfungsaufgaben fehlerhaft gewesen. Davon ausgehend moniert die Klägerin, dass das Oberverwaltungsgericht diese Fragen eliminiert, d.h. das Erreichen der Bestehensgrenzen der Anlage 1 auf der Grundlage von 41 Prüfungsaufgaben und maximal möglichen 54 Punkten ermittelt habe. Hierfür bietet die Anlage 1 nach der Ansicht der Klägerin keine Handhabe, obwohl nach § 8 Abs. 3 der Anlage 1 § 14 Abs. 4 ÄAppO Anwendung findet, dessen Satz 2 die Nichtberücksichtigung von fehlerhaften, weil keine zuverlässigen Ergebnisse ermöglichenden Prüfungsaufgaben bei der Feststellung des Prüfungsergebnisses vorschreibt. Jedenfalls kann die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, eine solche Vorgehensweise gelte auch für Prüfungsaufgaben, die nicht den Vorgaben des IMPP entsprechen, in einem Revisionsverfahren nicht in Frage gestellt werden. Sie betrifft eine Frage des Landesrechts, weil sie für die Bewertung von Prüfungen gilt, die durch das irrevisible Satzungsrecht der Beklagten geregelt sind. Sollte die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht durch § 8 Abs. 3 der Anlage 1 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 2 ÄAppO gedeckt sein, wozu das Gericht keine Aussage getroffen hat, hätte es die Bestimmungen der Anlage 1 um einen prüfungsrechtlichen Grundsatz ergänzt, der ebenfalls dem irrevisiblen Satzungsrecht angehört. Die Frage nach der Vereinbarkeit einer solchen Ergänzung mit dem Bundesverfassungsrecht stellt sich im Beschwerdeverfahren nicht, weil die Beschwerdebegründung der Klägerin hierzu keine Ausführungen enthält.

b) Auch die Frage,

ob eine papierbasierte Prüfung im Antwort-Wahl-Verfahren und eine an einem elektronischen Eingabegerät zu absolvierende Prüfung die gleiche Prüfungsform darstellen,

hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , weil sie den Inhalt irrevisiblen Landesrechts betrifft. Die Frage ist in § 8 Abs. 1 der Anlage 1 geregelt. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Bestimmung dahingehend ausgelegt, dass Multiple-Choice-Prüfungen unabhängig davon, ob sie mit papiernen Unterlagen oder am Computer zu absolvieren sind, als schriftliche Prüfungen gelten. Davon ausgehend hat es einen Verstoß gegen das Verbot des Formwechsels nach § 12 Abs. 2 Satz 3 der Anlage 1 verneint. Dieses Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts wäre in einem Revisionsverfahren hinzunehmen. Auch insoweit hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung keine bundesverfassungsrechtlichen Ausführungen gemacht.

c) Der Rechtsfrage,

ob eine Ankerklausel in einer Prüfungsordnung mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, welcher zufolge eine absolute Bestehensgrenze von 50 % nicht unterschritten werden darf, auch wenn sie mit einer absoluten Bestehensgrenze von 60 % und einer diese flankierenden relativen Bestehensgrenze kombiniert ist,

kommt keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde. Es steht fest, dass die Revision der Klägerin auch dann keinen Erfolg haben würde, wenn die Bestehensgrenze von mindestens 50 % richtiger Antworten bzw. Antwortpunkten nach § 10 Satz 5 der Anlage 1 (Ankerklausel) unwirksam wäre. Diese Bestehensgrenze ist bei der Feststellung des Ergebnisses der zweiten Wiederholungsprüfung der Klägerin nicht angewandt worden. Die Klägerin hat diese Prüfung bereits deshalb nicht bestanden, weil sie die Bestehensgrenzen nach § 10 Satz 1 der Anlage 1 verfehlt hat. Zum einen hat sie nicht mindestens 60 % der möglichen Antwortpunkte für 41 Prüfungsfragen erreicht. Zum anderen lag die Anzahl der erreichten Antwortpunkte um mehr als 22 % unter den durchschnittlichen Prüfungsleistungen der Erstteilnehmer.

Nach den allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen für die Teil- oder Gesamtnichtigkeit von Rechtsnormen bleiben Regelungen, die einen inhaltlichen Zusammenhang zu einer unwirksamen Regelung aufweisen, wirksam, wenn sie eine eigenständige sinnvolle Regelung des Lebenssachverhalts enthalten, mit höherrangigem Recht vereinbar sind und hinreichend sicher angenommen werden kann, dass der Normgeber die Restregelung auch ohne die nichtige Teilregelung erlassen hätte (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 1955 - 1 BvL 33/51 - BVerfGE 4, 219 &lt250> und Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92 - BVerfGE 88, 203 &lt333>; BVerwG, Beschlüsse vom 13. Januar 2012 - 9 B 56.11 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 42 Rn. 5 und vom 28. Juli 2015 - 9 B 17.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:280715B9B17.15.0] - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 114 Rn. 9).

Diese Voraussetzungen sind für die hier angewandten Bestehensgrenzen nach § 10 Satz 1 der Anlage 1 erfüllt: Die Kombination einer absoluten mit einer relativen Bestehensgrenze kann eigenständig angewandt werden. Die Unwirksamkeit der Ankerklausel nach § 10 Satz 5 der Anlage 1 hätte lediglich zur Folge, dass die Prüfung bei Erreichen der relativen Bestehensgrenze nach § 10 Satz 1 auf jeden Fall bestanden wäre. Die Vereinbarkeit der Bestehensgrenzen nach § 10 Satz 1 der Anlage 1 mit Art. 12 Abs. 1 GG steht außer Frage (BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82, 174/84 - BVerfGE 80, 1 &lt29 ff.>). Daher ist davon auszugehen, dass ihre weitere Anwendung ohne die Ankerklausel dem hypothetischen Willen der Beklagten als Satzungsgeber entspräche. Ungeachtet dessen ist die weitere Anwendung geboten, um die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Ansprüche der Studierenden zu erfüllen, die zur Lehrveranstaltung gehörende Erfolgskontrolle zeitnah ablegen zu können (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 6 C 19.18 [ECLI:DE:BVerwG:2019: 100419U6C19.18.0] - juris Rn. 20).

d) Nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, weil in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich ist auch die Frage,

ob eine relative Bestehensgrenze bei Multiple-Choice-Prüfungen mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, die auf den Anteil der Erstteilnehmer an der Prüfung abstellt.

Diese Frage zielt auf die weitere relative Bestehensgrenze nach § 10 Satz 2 der Anlage 1, wonach die durchschnittliche Prüfungsleistung um nicht mehr als 12 % unterschritten werden darf. Es steht fest, dass die Revision der Klägerin auch bei Unwirksamkeit dieser Bestehensgrenze keinen Erfolg haben würde. Denn nach § 10 Satz 3 der Anlage 1 hat diese Grenze nur Bedeutung, wenn der Anteil der Erstteilnehmer an der jeweiligen Prüfung weniger als 15 % beträgt. Da dieser Anteil bei der zweiten Wiederholungsprüfung der Klägerin höher lag, ist die Bestehensgrenze nach § 10 Satz 2 der Anlage 1 bei der Feststellung der Prüfungsergebnisse nicht angewandt worden. Vielmehr ist der Prüfungserfolg auf der Grundlage der großzügigeren relativen Bestehensgrenze des § 10 Satz 1 der Anlage 1 ermittelt worden, die die Klägerin verfehlt hat. Nach den unter 1. c) dargestellten Rechtsgrundsätzen ist davon auszugehen, dass die von der Klägerin geltend gemachte Unwirksamkeit des § 10 Satz 2 der Anlage 1 die Wirksamkeit des Satzes 1 der Vorschrift unberührt ließe.

e) Die Rechtsfrage,

ob Prüfungsteilnehmern ein Anspruch auf Bescheidung ihres Widerspruchs zusteht,

ist nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verweis auf diese in dem Berufungsurteil angeführte Rechtsprechung zutreffend angenommen, angesichts der von § 75 VwGO eröffneten Untätigkeitsklage bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage, die auf Erlass eines Widerspruchsbescheids, d.h. auf ein Tätigwerden ohne inhaltliche Direktive gerichtet sei. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob daran uneingeschränkt festzuhalten ist, wenn das Widerspruchsverfahren auch dazu bestimmt ist, den Prüfern das durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotene Überdenken ihrer Bewertungen aufgrund der Einwände der Teilnehmer zu ermöglichen, d.h. den Beurteilungsspielraum bei der Bewertung von Prüfungsleistungen partiell nochmals auszuüben. Denn bei Multiple-Choice-Prüfungen kann ein Überdenken nicht stattfinden, weil hier das Prüfungsergebnis durch eine rechnerische Auswertung der Antworten ermittelt wird. Die Prüfertätigkeit ist in den Bereich der Aufgabenstellung vorverlagert; sie besteht in der Ausarbeitung der Prüfungsfragen mit Antwortmöglichkeiten und richtigen Antworten (BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82, 174/84 - BVerfGE 80, 1 &lt29 ff.>; OVG Bautzen, Beschluss vom 10. Oktober 2002 - 4 BS 328/02 - NVwZ-RR 2003, 853 &lt854>).

Hinzu kommt, dass der Widerspruch der Klägerin vom 28. Juli 2015 gegen die Bescheide, die das Nichtbestehen der beiden ersten Erfolgskontrollen im Jahr 2013 festgestellt haben, unzulässig ist, weil ihn die Klägerin nach Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eingelegt hat. Dies hat das Verwaltungsgericht in dem erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt.

2. Die geltend gemachte Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor, weil das Oberverwaltungsgericht in dem Berufungsurteil nicht von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82, 174/84 - (BVerfGE 80, 1 ) abgewichen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung den Rechtssatz aufgestellt, für Multiple-Choice-Prüfungen gebiete das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG , eine absolute Bestehensgrenze von 60 % richtiger Antworten um eine relative Bestehensgrenze zu ergänzen, die angemessen unterhalb des arithmetischen Durchschnittswerts richtiger Antworten in der jeweiligen Prüfung liege. Dieser Vorgabe trägt § 10 Satz 1 der Anlage 1 Rechnung. Das Berufungsurteil ist darauf gestützt, dass die Klägerin beide Bestehensgrenzen des § 10 Satz 1 der Anlage 1 verfehlt hat.

3. Schließlich ist die Revision nicht wegen eines dem Berufungsurteil anhaftenden Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Beschwerdebegründung der Klägerin genügt insoweit offensichtlich nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO . Zum einen hat das Oberverwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin auf Bescheidung ihres Widerspruchs vom 28. Juli 2015 rechtsfehlerfrei verneint. Wie unter 1. e) ausgeführt, ist dieser Widerspruch wegen Versäumnis der Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO unzulässig. Zum anderen hat die Klägerin in Bezug auf ihre Aufklärungsrüge bereits nicht dargelegt, welche Tatsachen sie als aufklärungsbedürftig angesehen hat und welche Feststellungen die Vorinstanz voraussichtlich getroffen hätte. Ihre Behauptung, sie habe Informationen benötigt, um Beweisanträge stellen zu können, ist völlig pauschal gehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 14.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 LB 50/17