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BVerwG - Entscheidung vom 10.05.2019

20 F 1.19

Normen:
NVerfSchG § 30 Abs. 2 S. 1
VwGO § 99 Abs. 1 S. 2 Alt. 3

BVerwG, Beschluss vom 10.05.2019 - Aktenzeichen 20 F 1.19

DRsp Nr. 2019/8914

Anspruch auf Auskunft über die beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport zu einer Person gespeicherten Daten; Geheimhaltungsbedürftigkeit von Unterlagen

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2018 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 24. Mai 2018 ist auch teilweise rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 86, 87, 88, 89, 90, 92, 93, 94 und 95 der Sachakte und Blatt 20 der Verwaltungsakte bezieht.

Die weitergehende Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

NVerfSchG § 30 Abs. 2 S. 1; VwGO § 99 Abs. 1 S. 2 Alt. 3;

Gründe

I

In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger Auskunft über die beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport zu seiner Person gespeicherten Daten.

Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten im März 2018 aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Daraufhin legte der Beklagte einen teilweise geschwärzten Teil der Akten vor, verweigerte die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Abgabe einer Sperrerklärung vom 24. Mai 2018. Mit Beschluss vom 7. Juni 2018 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren auf Antrag des Klägers, die Rechtswidrigkeit der Verweigerung festzustellen, dem Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens vorgelegt. Der Beklagte habe sich darauf berufen, dass die nicht vorgelegten bzw. geschwärzten Unterlagen ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig seien bzw. einer Herausgabe § 30 Abs. 2 Satz 1 NVerfSchG entgegenstehe. Damit habe er dem Begehren des Klägers Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO entgegengehalten, deren Berechtigung vom erkennenden Gericht nur in Kenntnis des Akteninhaltes überprüft werden könne.

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2018 hat der Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtswidrig ist, soweit sie sich auf einen im Einzelnen konkret bezeichneten Teil der Unterlagen bezieht. Im Übrigen sei sie rechtmäßig. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

Die zulässige Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Über die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts hinaus ist die Sperrerklärung auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf die im Entscheidungsausspruch bezeichneten Dokumente bezieht. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet. Insoweit hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zutreffend entschieden, dass die Weigerung des Beklagten, die angeforderten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtmäßig und der Antrag daher abzulehnen ist.

1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat auf den - nach ordnungsgemäßer Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen durch das Verwaltungsgericht - zulässigen Antrag des Klägers das Vorliegen der mit der Sperrerklärung vom 24. Mai 2018 differenzierend auf die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe geprüft.

a) Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (BVerwG, Beschlüsse vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 4, vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 18 f. und vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2009 - 20 F 11.08 - juris Rn. 9 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörde die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt vorzulegen.

Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO . Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 13). Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten. Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch bei Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 9 f. und vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - NVwZ 2019, 406 Rn. 14).

b) Hiernach ist die Weigerung des Beklagten, die im Entscheidungsausspruch aufgeführten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtswidrig. Für diese Aktenteile ist nämlich nicht ersichtlich, dass die in der Sperrerklärung insoweit in Anspruch genommenen und allein auf ihre Berechtigung zu überprüfenden Weigerungsgründe ihre Vorlage vollständig ausschließen (aa). Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden (bb).

aa) Nicht von Weigerungsgründen gedeckt sind hiernach einige der Schwärzungen auf Blatt 86, 87, 88, 89, 90, 92, 93, 94 und 95 der Sachakte. Zwar ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte auf diesen Seiten die persönlichen Daten dritter Personen geschwärzt hat. Weder durch den Schutz der Persönlichkeitsrechte dieser Dritten noch durch das öffentliche Interesse, die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes geheim zu halten, ist es aber gerechtfertigt, auch in den Fällen die Eintragung in der Zeile "Vorerkenntnisse" zu schwärzen, in denen dort lediglich eingetragen ist, dass es keine Erkenntnisse gibt. Der Beklagte hat durch die Offenlegung der Eintragungen des Wortes "Nein" in den Zeilen zu den Kategorien "Bewaffnet", "Gewalttätig", "Explosivgefahr", "DAV-Relevanz" deutlich gemacht, dass der Schutz seiner Arbeitsweise durch die Offenlegung des Fehlens von Erkenntnissen zu Personen nicht gefährdet wird, deren Namen, Geburtsort und -datum sowie Wohnort - auch hier mit Recht - geschwärzt worden ist. Dann ist aber auch kein Grund ersichtlich, warum das Fehlen von Vorerkenntnissen nicht gleichfalls offengelegt werden kann, solange die persönlichen Daten dieser Betroffenen geschwärzt bleiben.

Gleichfalls nicht von Weigerungsgründen gedeckt ist die Schwärzung der Adressierung des Schreibens unter den Worten "per e-mail" auf Blatt 20 der Verwaltungsakte. Der Beklagte hat in der Sachakte mehrfach offengelegt, dass er im Informationsaustausch mit der dort angeschriebenen Behörde steht. Ein Teil der geschwärzten Adressierung ist zudem auf Seite 19 der Verwaltungsakte bereits offen angesprochen. Daher ist auch im Lichte der angeführten Weigerungsgründe kein Grund ersichtlich, durch Schwärzung der Adressierung des Schreibens geheim zu halten, dass die Behörde in die Abstimmung zu dem Auskunftsersuchen des Klägers einbezogen worden ist.

bb) Hinsichtlich der weiteren Aktenbestandteile und der weitergehenden Schwärzungen auf den im Tenor genannten Seiten, soweit diese im Rahmen der Beschwerde zur Überprüfung des Senats standen, ist die Sperrerklärung rechtmäßig.

Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO abgesehen. Weitere Teilschwärzungen, die über diejenigen, die dem Verwaltungsgericht bereits vorgelegten Aktenteile zu entnehmen sind, hinausgehen, kommen in Bezug auf diese Aktenbestandteile nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 18 - und vom 29. November 2016 - 20 F 10.16 - juris Rn. 12).

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, in einer unipolitischen Gruppe, in der er aktiv gewesen sei, habe sich ein V-Mann befunden, über dessen Tätigkeit in den Medien berichtet worden sei. Der Senat unterstellt hierbei als wahr, dass über eine Tätigkeit der vom Kläger namentlich bezeichnete Person als V-Mann in der fraglichen Gruppe Medien berichtet haben.

c) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.) genügt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO . Der Kläger obsiegt nur in geringem Umfang, weil über die vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts bereits als rechtswidrig erkannten Schwärzungen hinaus nur wenige weitere Schwärzungen nicht durch Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gedeckt sind.

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 17.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 14 PS 3/18