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BVerwG - Entscheidung vom 29.08.2019

9 B 21.19 (9 B 28.18)

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 2
VwGO § 152a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
FlurbG § 4
FlurbG § 27
FlurbG § 56

BVerwG, Beschluss vom 29.08.2019 - Aktenzeichen 9 B 21.19 (9 B 28.18)

DRsp Nr. 2019/15947

Anhörungsrüge wegen Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs; Ausreichende Berücksichtigung des Parteivortrags

Da das Flurbereinigungsverfahren aus drei gesondert anzufechtenden Teilentscheidungen - Einleitungsbeschluss (§ 4 FlurbG ), Wertermittlung (§§ 27 ff. FlurbG ) und Flurbereinigungsplan (§§ 56 ff. FlurbG ) - besteht, kann eine unanfechtbar gewordene Teilentscheidung hinsichtlich des durch sie geregelten Rechtsbereichs in einem späteren Rechtsschutzverfahren nicht mehr überprüft werden.

Tenor

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 21. Februar 2019 - BVerwG 9 B 28.18 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; VwGO § 108 Abs. 2 ; VwGO § 152a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ; FlurbG § 4 ; FlurbG § 27 ; FlurbG § 56 ;

Gründe

Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO ).

Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er verpflichtet das Gericht indes weder, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen, noch das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Es muss vielmehr nur das für die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung wesentliche Vorbringen verarbeiten, soweit es für die gerichtliche Entscheidungsfindung erheblich ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Juli 2018 - 1 BvR 682/12 - NVwZ 2018, 1561 Rn. 19; BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 - 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3).

Danach hat der Senat das rechtliche Gehör des Klägers nicht dadurch verletzt, dass er nicht auf dessen Vortrag zur Bedeutung der Teilnahme des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft an der Wertermittlung eingegangen ist. Hierauf kam es, wie in dem angefochtenen Beschluss dargelegt, für die Entscheidung über die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht an. Denn die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Wertermittlung maßgebliche Frage, ob auf eine Beteiligung verzichtet werden kann, ist eine solche des Einzelfalls und damit keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich.

Der weitere Einwand, der Senat habe den Vortrag des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt, eine vor dem Anordnungsbeschluss gemachte Zusage der Flurbereinigungsbehörde habe zur Rechtswidrigkeit der Wertermittlung geführt, ist ebenfalls unbegründet. Er verkennt, dass das Oberverwaltungsgericht einer etwaigen Zusage der Flurbereinigungsbehörde rechtliche Bedeutung allein hinsichtlich des Einleitungsbeschlusses beigemessen hat; auch die Klagebegründung hatte die (vermeintliche) Vorfestlegung als Grund für dessen Nichtigkeit angeführt. Angesichts dessen, dass das Flurbereinigungsverfahren aus drei gesondert anzufechtenden Teilentscheidungen - Einleitungsbeschluss (§ 4 FlurbG ), Wertermittlung (§§ 27 ff. FlurbG ) und Flurbereinigungsplan (§§ 56 ff. FlurbG ) - besteht und eine unanfechtbar gewordene Teilentscheidung hinsichtlich des durch sie geregelten Rechtsbereichs in einem späteren Rechtsschutzverfahren nicht mehr überprüft werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 9 C 11.13 - BVerwGE 151, 89 Rn. 13), hätte danach eine unzulässige Zusage allenfalls dann für die Rechtmäßigkeit der Wertermittlung von Bedeutung sein können, wenn sie nicht nur zur Rechtswidrigkeit, sondern zur Nichtigkeit des andernfalls bestandskräftigen Einleitungsbeschlusses geführt hätte. Dies hat das Oberverwaltungsgericht mit der Begründung verneint, ein etwaiger Fehler sei jedenfalls nicht besonders schwerwiegend im Sinne von § 1 NVwVfG i.V.m. § 44 Abs. 1 VwVfG . Die Frage, ob sich eine Zusage auch hiervon unabhängig auf die Rechtmäßigkeit der Wertermittlung auswirkt, war hingegen nicht Gegenstand des Urteils. Sie kann daher nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Oktober 2009 - 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4 Rn. 7 und vom 6. Mai 2010 - 6 B 73.09 - juris Rn. 4).

Soweit der Kläger in seiner Beschwerde gerügt hat, das Oberverwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es weder gemäß der niedersächsischen Waldbewertungsrichtlinie die Anwendbarkeit von Waldbodenrichtwerten für das Bewertungsobjekt geprüft noch - wie in der Waldwertermittlungsrichtlinie des Bundes empfohlen - den Waldbodenverkehrswert anhand des landwirtschaftlichen Bodenwertes ermittelt habe, hat der Senat dieses Vorbringen in seinem Beschluss berücksichtigt. Er hat es jedoch zurückgewiesen, weil sich der Kläger nicht mit der ausführlichen Begründung des Urteils, insbesondere zum Fehlen verwertbarer Kaufpreissammlungen, auseinandergesetzt hat. Ein Gehörsverstoß liegt danach nicht vor. Zugleich liegt hierin kein Widerspruch zu der weiteren Feststellung des Senatsbeschlusses, wonach staatliche Richtlinien eine geeignete Bemessungsgrundlage für die Wertbestimmung von Waldgrundstücken darstellen.

Der Einwand, der Senat sei nicht auf die Ausführungen des Klägers bezüglich der Parallelen des vorliegenden Falls zum sogenannten Boxbergurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264 ) eingegangen, begründet ebenfalls keinen Gehörsverstoß. Die Kritik des Klägers, der Senat habe die Rüge der Landbeschaffungsmaßnahme mit Ausführungen zur Nichtigkeit beschieden, lässt die vorbezeichnete Mehrstufigkeit des Flurbereinigungsverfahrens sowie den Umstand unberücksichtigt, dass sich die Klage vorliegend, anders als im vorgenannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nicht gegen die Anordnung der Flurbereinigung, sondern gegen die Wertermittlung richtet. Ihr hätte daher nicht schon eine Rechtswidrigkeit des Einleitungsbeschlusses, sondern nur dessen - von der Vorinstanz indes verneinte - Nichtigkeit zum Erfolg verhelfen können. Der weitere Einwand des Klägers, der Senat habe eine Gehörsverletzung des Oberverwaltungsgerichts mit der Begründung verneint, dieses habe den Einwand der Landbeschaffung auf zwei Seiten beschieden, obwohl sich in dem Urteil kein einziger Satz hierzu finde, ist gleichfalls unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat sich von Seite 14, 4. Absatz, bis Seite 16, 1. Absatz des Urteilsabdrucks (OVG Lüneburg, Urteil vom 17. April 2018 - 15 KF 9/17 - juris) mit dem Vorwurf der unzulässigen Landbeschaffung - wenngleich nicht mit dem vom Kläger erstrebten Ergebnis - befasst.

Der Senat hat des Weiteren die klägerische Rüge einer fehlenden Beiladung des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz mit der Begründung zurückgewiesen, nur ein Verfahrensfehler zu Lasten des Rechtsmittelführers könne die Zulassung der Revision rechtfertigen. Dass der Kläger dies für unzutreffend erachtet, führt auf keine Verletzung seines rechtlichen Gehörs.

Schließlich geht der Einwand fehl, der Senat habe - zu Unrecht - darauf abgestellt, der Kläger habe selbständig tragende Teile der Urteilsbegründung nicht angegriffen. Der angefochtene Beschluss führt vielmehr aus, dass der Kläger seiner Grundsatzrüge die unzutreffende Annahme zugrunde gelegt hat, das Oberverwaltungsgericht habe einen Abschlag bei der Wertermittlung allein aufgrund einer starken Parzellierung für gerechtfertigt erachtet. Vielmehr hat das Gericht auf Erschwernisse der Bewirtschaftung und der Holzernte abgestellt, welche in der erschwerten Auffindbarkeit der Parzellen, der teilweise fehlenden Bestimmbarkeit ihrer Grenzen, der schlechten Erreichbarkeit sowie darin begründet sind, dass die Bäume bei der Holzernte in der Regel auf das Nachbargrundstück fallen. Dessen ungeachtet hat der Senat in der Sache ausgeführt, dass auch nach den Richtlinien des Landes Niedersachsen und des Bundes die Parzellierung bzw. Größe des Grundstücks sowie seine Erschließung bei der Wertbestimmung zu berücksichtigen sind. Ein Gehörsverstoß liegt daher auch insoweit nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO . Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.