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BVerwG - Entscheidung vom 16.12.2019

6 B 36.19

Normen:
TKG § 9 Abs. 2
TKG § 13
TKG § 21
TKG § 25
TKG § 9 Abs. 2
TKG § 13
TKG § 21
TKG § 25
TKG § 9 Abs. 2
TKG § 13
TKG § 21
TKG § 25

Fundstellen:
DÖV 2020, 337
NVwZ 2020, 1281

BVerwG, Beschluss vom 16.12.2019 - Aktenzeichen 6 B 36.19

DRsp Nr. 2020/2370

Anfechtung einer Regulierungsverfügung durch einen Wettbewerber des regulierten Unternehmens; Berufen auf eine drittschützende Wirkung des § 21 TKG

Für die Anfechtung der Regulierungsverfügung kann sich der zugangsberechtigte Wettbewerber des regulierten Unternehmens, der ausschließlich eine (auch) ihn verpflichtende Anordnung nach § 25 TKG verhindern will, nicht auf eine drittschützende Wirkung des § 21 TKG berufen.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. März 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Normenkette:

TKG § 9 Abs. 2 ; TKG § 13 ; TKG § 21 ; TKG § 25 ;

Gründe

I

Die Klägerin betreibt ein bundesweites Telekommunikationsnetz. Die Beigeladene ist als sog. Mobile Virtual Network Operator (MVNO) tätig, das heißt, sie erbringt Netzleistungen grundsätzlich auf einer eigenen Netzinfrastruktur, bedient sich aber, was Funkschnittstellen zu den Endkunden und den Betrieb von Basisstationen anbelangt, des Netzes eines Wirtsmobilfunknetzbetreibers, konkret der Vodafone GmbH.

Mit Regulierungsverfügung vom 30. August 2016 (BK 3b-15/063) erlegte die für die Beklagte handelnde Bundesnetzagentur der Beigeladenen, gestützt auf § 9 Abs. 2 , § 13 Abs. 1 , §§ 19 , 20 und 21 TKG , Zugangs- und Zusammenschaltungsverpflichtungen sowie Verpflichtungen für weitere Abhilfemaßnahmen auf (Ziffern 1 bis 6 der Beschlussformel) und unterwarf auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 , § 13 Abs. 1 und § 30 TKG die Entgelte für die Gewährung von Zugängen der Genehmigungspflicht (Ziffer 7 der Beschlussformel) unter Beifügung von Vorgaben für die Entgeltgenehmigung nach § 31 TKG (Ziffern 7.1 und 7.2 der Beschlussformel). Teil der Regulierungsverfügung war die mit Festlegung der Bundesnetzagentur vom 19. Januar 2016 (BK 1-14/002) erstellte Marktdefinition und Marktanalyse nach §§ 10 und 11 TKG . Nach dieser Festlegung verfügt die Beigeladene - zusammen mit den mit ihr verbundenen Unternehmen - auf dem regulierungsbedürftigen relevanten bundesweiten Markt für Anrufzustellung in das einzelne (virtuelle) Mobilfunknetz über beträchtliche Marktmacht im Sinne des § 11 TKG . Nach der Festlegung (S. 92 ff.) ist in den relevanten Markt auch die Konstellation einbezogen, dass die Beigeladene oder ein in ihrem Netz geschalteter Anbieter ohne eigenes Netz eine unter einer Rufnummer für mobile Dienste erreichbare Anrufsammeldienstplattform betreibt. In dieser Konstellation können Terminierungen nicht nur unter Inanspruchnahme des virtuellen Mobilfunknetzes der Beigeladenen bzw. ihres Wirtsmobilfunknetzes, sondern auch mit Hilfe eines anderen Mobilfunknetzes, eines Festnetzes oder des (mobilen) öffentlichen Internets durchgeführt werden.

Die Klägerin befürchtet, durch eine im Zuge der Umsetzung der Regulierungsverfügung ergehende Anordnung nach § 25 TKG im Rahmen der der Beigeladenen aufgegebenen Abhilfemaßnahmen zur Abnahme von Terminierungsleistungen verpflichtet zu werden, die ohne Einsatz (teurer) Mobilfunktechnik erbracht werden. Sie hat mit dem Hauptantrag der Klage begehrt, die Regulierungsverfügung vom 30. August 2016 insoweit aufzuheben, als unter Ziffern 1 und 2 der Beschlussformel der Beigeladenen eine Kopplungs- und Terminierungspflicht auch für solche Verbindungen auferlegt worden ist, bei denen eigene Mobilfunk-Netzelemente der Beigeladenen nicht zum Einsatz gelangen, und als der Beigeladenen unter Ziffern 3, 4, 6 und 7 der Beschlussformel auf die diesbezügliche Leistungserbringung bezogene weitere Abhilfemaßnahmen auferlegt werden. Die Klägerin hat zudem hilfsweise darauf angetragen, Ziffer 7.1 der Beschlussformel aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen und dem Hilfsantrag stattgegeben. Der Hauptantrag sei mangels Klagebefugnis der Klägerin unzulässig. Durch die angegriffene Regulierungsverfügung, deren Adressatin allein die Beigeladene sei, würden Verpflichtungen der Klägerin, die dieser in einem späteren Verfahren nach § 25 TKG entgegengehalten werden könnten, nicht begründet. Die Vorschriften des § 10 TKG sowie der §§ 19 ff. TKG , auf Grund derer die Bundesnetzagentur den sachlich relevanten Markt bestimmt bzw. der Beigeladenen Verpflichtungen auferlegt habe, vermittelten der Klägerin für das von ihr verfolgte Klagebegehren keinen Drittschutz. Dagegen sei der Hilfsantrag zulässig und auch begründet, weil Ziffer 7.1 der Beschlussformel der Regulierungsverfügung auf dieser Regelungsebene unstatthafte, weil erst im Entgeltgenehmigungsverfahren zu bestimmende Methoden und Maßstäbe der Entgeltberechnung festlege.

Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision, soweit sie mit ihrer Klage erfolglos geblieben ist.

II

Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO maßgeblichen Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen für die von ihr als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage erfüllt sind.

Die Klägerin wirft als grundsätzlich bedeutsam allein folgende Frage auf:

"Gewährt § 21 TKG Drittschutz in Bezug auf solche Unternehmen, die auf Grundlage der einen anderen Netzbetreiber betreffenden Regulierungsverfügung und Zugangsverpflichtung zur Abnahme der Leistungen des anderen Netzbetreibers gemäß § 25 TKG verpflichtet werden?"

Die Klägerin macht hierzu geltend, der Rechtsprechung des Senats zum Umfang des durch § 21 TKG vermittelten Drittschutzes lasse sich nichts für den Fall entnehmen, dass ein Wettbewerber des regulierten Unternehmens im Rahmen einer Anordnung nach § 25 TKG zur Abnahme von Leistungen verpflichtet wird, die das regulierte Unternehmen im Zusammenhang mit Verpflichtungen zur Zugangsgewährung erbringe, die diesem Unternehmen nach § 21 TKG auferlegt worden seien.

Der von der Klägerin derart bezeichneten und in ihrem rechtlichen Zusammenhang umschriebenen Frage kommt keine Grundsatzbedeutung zu. Für ihre Beantwortung bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Sie kann vielmehr auf der Grundlage des Wortlauts der §§ 21 und 25 TKG mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln und unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Senats verneint werden.

2. Die Bundesnetzagentur kann auf der Grundlage von § 21 TKG (i.V.m. § 9 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 TKG ) marktmächtige Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze dazu verpflichten, Wettbewerbern Zugang zu ihrer Infrastruktur zu gewähren. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats vermittelt § 21 TKG einem durch ihre Anwendung potentiell begünstigten Wettbewerber Drittschutz vor allem dann, wenn er mit der Verpflichtungsklage die Aufnahme weiterer Zugangsverpflichtungen in die gegenüber dem regulierten Unternehmen ergangene Regulierungsverfügung erstrebt. Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage ist die drittschützende Wirkung von § 21 TKG darüber hinaus auch für die Konstellation der Anfechtungsklage zu bejahen, wenn ein Wettbewerber mit dieser Klage - zumindest auch - die Bedingungen des von ihm genutzten Zugangs zum Netz des regulierten Unternehmens verbessern und nicht lediglich mittelbare Nachteile für eine von diesem Zugang unabhängige Wettbewerbsposition abwehren will (zusammenfassend: BVerwG, Urteile vom 21. September 2018 - 6 C 50.16 [ECLI:DE:BVerwG:2018:210918U6C50.16.0] - BVerwGE 163, 136 Rn. 13 und - 6 C 8.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:210918U6C8.17.0] - BVerwGE 163, 181 , Rn. 31).

Hiernach ist geklärt, dass der Rechtsschutz für den zugangsberechtigten Wettbewerber des regulierten Unternehmens, der ausschließlich eine (auch) ihn verpflichtende Anordnung nach § 25 TKG verhindern will, nicht im Wege einer Anfechtung der Verpflichtungen gefunden werden kann, die dem regulierten Unternehmen als Adressat der Regulierungsverfügung nach § 21 TKG auferlegt worden sind.

3. Eine Rechtsschutzlücke, die Anlass zu einer Ausweitung des durch § 21 TKG vermittelten Drittschutzes geben könnte, entsteht durch diesen Befund nicht. In der von der Klägerin genannten Konstellation sind die Rechte des Wettbewerbers durch die Ausgestaltung der erlassenen Anordnung nach § 25 TKG zu wahren, die durch den Wettbewerber zur gerichtlichen Prüfung gestellt werden kann. Auch insoweit besteht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Senats kein grundsätzlicher Klärungsbedarf.

Gegenstand einer Anordnung nach § 25 TKG können gemäß Absatz 5 Satz 1 der Vorschrift im Rahmen der dem regulierten Unternehmen nach § 21 TKG auferlegten Verpflichtungen alle Bedingungen einer Zugangsvereinbarung sowie gegebenenfalls - nach § 25 Abs. 6 Satz 1 TKG im Regelfall auf einer zweiten Regelungsstufe - die Entgelte sein. Den Antrag auf Erlass einer Anordnung kann nach § 25 Abs. 1 Satz 1 TKG neben dem zugangsberechtigten Wettbewerber auch das regulierte Unternehmen stellen (sog. Anrufung der Bundesnetzagentur). Dementsprechend können sich aus einer solchen Anordnung Verpflichtungen bzw. Belastungen nicht nur für das regulierte Unternehmen, sondern auch für den Wettbewerber ergeben. So kann - in der beschriebenen Umgrenzung - nicht nur die Erbringung von Zugangsleistungen durch das regulierte Unternehmen angeordnet, sondern im Zusammenhang damit auch eine Verpflichtung des zugangsberechtigten Wettbewerbers ausgesprochen werden. Dass der Wettbewerber durch eine von dem regulierten Unternehmen beantragte Entgeltanordnung belastet wird, liegt ohnehin auf der Hand (zu dem Anrufungsrecht und den Verpflichtungen bzw. Belastungen auch des zugangsberechtigten Wettbewerbers nach § 25 TKG : BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 24.15 [ECLI: DE:BVerwG:2016:170816U6C24.15.0] - BVerwGE 156, 59 Rn. 20 sowie Beschlüsse vom 19. November 2018 - 6 B 57.18 [ECLI:DE:BVerwG:2018: 191118B6B57.18.0] - NVwZ-RR 2019, 317 Rn. 6 ff. und - 6 B 58.18 [ECLI:DE: BVerwG:2018:191118B6B58.18.0] - NVwZ 2019, 323 Rn. 5 ff.).

Bei der Konkretisierung des von dem regulierten Unternehmen zu gewährleistenden Zugangs - und damit auch bei der Regelung etwaiger darauf bezogener Verpflichtungen des zugangsberechtigten Wettbewerbers - darf die Bundesnetzagentur gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 TKG die Anordnung mit Bedingungen, einschließlich Vertragsstrafen, in Bezug auf Chancengleichheit, Billigkeit und Rechtzeitigkeit verknüpfen. Der Bundesnetzagentur kommt damit zwar nach § 25 Abs. 1 Satz 1 TKG kein Entschließungsermessen, wohl aber gemäß Absatz 5 Satz 2 der Vorschrift ein Auswahlermessen dahingehend zu, welche Maßnahmen ergriffen werden. Ihr soll ermöglicht werden, unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks einerseits und der konkreten Umstände andererseits eine dem Einzelfall angemessene und sachgerechte Entscheidung zu treffen, in die insbesondere auch Zweckmäßigkeits- und Billigkeitserwägungen einfließen können. Dieses Ermessen unterliegt den rechtlichen Bindungen des § 40 VwVfG und der gerichtlichen Kontrolle nach § 114 Satz 1 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 2014 - 6 B 46.13 - Buchholz 442.066 § 25 TKG Nr. 2 Rn. 8 und Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 24.15 - BVerwGE 156, 59 Rn. 22, 33 ). Die Maßgaben für den Erlass einer Entgeltanordnung ergeben sich aus der in § 25 Abs. 5 Satz 3 TKG enthaltenen Rechtsgrundverweisung auf die Vorschriften der §§ 27 bis 38 TKG . Auch sie unterliegen gerichtlicher Kontrolle (dazu insgesamt: BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 6 C 16.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014: 101214B6C16.13.0] - Buchholz 442.066 § 25 TKG Nr. 3 Rn. 28 und Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 24.15 - BVerwGE 156, 59 Rn. 20).

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO . Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VG Köln, vom 27.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 8583/16
Fundstellen
DÖV 2020, 337
NVwZ 2020, 1281