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BVerwG - Entscheidung vom 04.04.2019

1 C 44.18, 1 PKH 14.19

Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
VwGO § 139 Abs. 3 S. 4

BVerwG, Beschluss vom 04.04.2019 - Aktenzeichen 1 C 44.18, 1 PKH 14.19

DRsp Nr. 2019/8118

Anfechtung der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet ohne vorherige Anhörung; Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 21. September 2018 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 166 ; ZPO § 114 ; VwGO § 139 Abs. 3 S. 4;

Gründe

I

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrages als offensichtlich unbegründet ohne vorherige Anhörung.

Er stammt nach eigenen Angaben aus Ägypten. Nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland stellte er im März 2015 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 24. Juli 2018 wurden der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Antrag auf Asylanerkennung und der Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen und der Kläger wurde unter Androhung der Abschiebung nach Ägypten zur Ausreise innerhalb einer Woche aufgefordert. Ein gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Da der Kläger ohne genügende Entschuldigung zur Anhörung nicht erschienen sei, sei gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AsylG nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Nichtmitwirkung zu entscheiden.

Am 26. Juli 2018 hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung gestellt. Dem Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. August 2018 stattgegeben. Mit Urteil vom 21. September 2018 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 15. Oktober 2018 zugestellte Urteil wurde mit Schreiben vom 25. Oktober 2018, eingegangen beim Verwaltungsgericht am 2. November 2018, die Sprungrevision eingelegt. Auf den Hinweis des Senats vom 9. November 2018 zur Unstatthaftigkeit der ohne Zustimmung der Beklagten eingelegten Sprungrevision übersandte das Verwaltungsgericht unter dem 14. November 2018 ein Schreiben der Beklagten vom 9. November 2018 an das Verwaltungsgericht, wonach sie der Einlegung der Sprungrevision durch den Kläger zustimmt. Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2018 begründete der Kläger die Revision.

Die Beklagte hält die Sprungrevision für unzulässig, weil ihre Zustimmungserklärung nicht von der Klägerseite innerhalb der Revisionsfrist vorgelegt worden sei. Wegen der gegenüber dem Verwaltungsgericht abgegebenen Zustimmungserklärung könne allerdings eine prozessuale Sondersituation anzunehmen sein, in der es ausnahmsweise nicht der fristwahrenden Vorlage der Zustimmungserklärung durch den Rechtsmittelführer bedurfte. Die Revisionsbegründung enthalte aber weder einen bestimmten Antrag noch Ausführungen zu einem Bundesrechtsverstoß oder einem Verfahrensmangel. Die Revision könne auch in der Sache keinen Erfolg haben.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat erklärt, dass er sich nicht am Verfahren beteiligt.

II

1. Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ).

2. Die Revision ist wegen eines Formmangels gemäß § 143 Satz 2 VwGO unzulässig, sodass sie nach § 144 Abs. 1 VwGO durch Beschluss zu verwerfen ist. Zwar fehlt es nicht an der nach § 134 Abs. 1 Satz 3 VwGO erforderlichen Zustimmung der Beklagten zur Sprungrevision (a). Die Revisionsbegründung entspricht jedoch nicht den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO (b).

a) Nach § 134 Abs. 1 VwGO steht den Beteiligten gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts die Sprungrevision zu, wenn der Kläger und der Beklagte der Einlegung der Sprungrevision schriftlich zustimmen und wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen wird (Satz 1); die Zustimmung muss der Revisionsschrift bzw. dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision beigefügt werden (Satz 3). Wegen des mit der Sprungrevision verbundenen Verlusts einer Tatsacheninstanz und der Bindung des Revisionsgerichts an die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts ohne die Möglichkeit einer Verfahrensrüge muss die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision eindeutig formuliert sein. Nach dem Normzweck des § 134 Abs. 1 Satz 3 VwGO soll das Revisionsgericht in die Lage versetzt werden, die Zulässigkeit der Revision ohne weitere Nachforschungen zeitnah zu prüfen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Zustimmungserklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärt worden ist, weil das Verwaltungsgericht dem Revisionsgericht die Akten mit dem Original des Protokolls vorlegt und damit die unmittelbare Prüfung der Zulässigkeit der Sprungrevision sichergestellt ist (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2013 - 1 C 1.13 - BVerwGE 148, 297 Rn. 8).

Dieser Anforderung genügt die vom Verwaltungsgericht innerhalb der Revisionsfrist vorgelegte, diesem gegenüber erklärte schriftliche Zustimmung der Beklagten zur Einlegung der Sprungrevision vom 9. November 2018. Zweifel an dem auf Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision gerichteten Inhalt der Erklärung der Beklagten sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch wenn es sich nicht um eine gegenüber dem Revisionskläger, sondern gegenüber dem Gericht abgegebene Erklärung handelt und diese lediglich den Hinweis enthält, dass eine entsprechende Erklärung dem Klägerbevollmächtigten bereits per Fax übermittelt worden sei, erreicht sie diesen bestimmungsgemäß über das Gericht (Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO , 5. Aufl. 2018, § 134 Rn. 22). Durch die vom Verwaltungsgericht hier auch innerhalb der Revisionsfrist weitergeleitete Erklärung wird das Revisionsgericht - dem Normzweck des § 134 Abs. 1 Satz 3 VwGO entsprechend - in vergleichbarer Weise in die Lage versetzt, die Zulässigkeit der Revision ohne weitere Nachforschungen zeitnah zu prüfen.

b) Die Revisionsbegründung entspricht indes nicht den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO , wonach die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen muss. Auf einen Verfahrensmangel kann die Sprungrevision nicht gestützt werden (§ 134 Abs. 4 VwGO ). Das Fehlen eines ausdrücklichen Antrages kann unschädlich sein, wenn sich aus den in den Vorinstanzen gestellten Anträgen nur ein Ziel der Revision ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203>). Dem Erfordernis eines bestimmten Antrages ist bereits dann genügt, wenn das Ziel der Revision aus der Tatsache ihrer Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Revisionsfrist abgegebenen Erklärungen ersichtlich ist, sich also aus der Revisionsbegründung eindeutig ergibt, inwieweit sich der Revisionskläger durch das angefochtene Urteil beschwert fühlt und er eine Änderung erstrebt. Ebenso ist in aller Regel auch ohne eine ausdrückliche Antragstellung erkennbar, dass der Revisionskläger die Aufhebung oder Abänderung des Berufungsurteils anstrebt, soweit es seinen in der Vorinstanz gestellten Anträgen nicht stattgegeben hat (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1981 - 3 C 27.80 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 59; Beschluss vom 8. November 1954 - 5 C 61.54 - BVerwGE 1, 222 <223 f.>; Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO , Stand September 2018, § 139 Rn. 40). Für die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm bedarf es dann keines ausdrücklichen Paragraphenzitates, wenn sich aus dem Revisionsvorbringen ohne Weiteres und eindeutig entnehmen lässt, welche Rechtsnorm oder welcher Rechtsgrundsatz vom Revisionskläger als verletzt angesehen wird (BVerwG, Urteile vom 25. November 1970 - 4 C 80.66 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 39 und vom 12. April 1991 - 7 C 36.90 - NVwZ 1992, 56 ).

Die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Klägers genügen nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung. Es fehlt bereits an einem Revisionsantrag, sodass die vom Revisionsgericht begehrte Entscheidung und damit der Umfang der Revision nicht erkennbar ist. Das konkrete Ziel der Revision ergibt sich auch nicht aus der Revisionsbegründung, insbesondere kann nicht ohne Weiteres von einer Vollrevision ausgegangen werden. Der Kläger hat beim Verwaltungsgericht einen Haupt- und mehrere Hilfsanträge gestellt, die vom Verwaltungsgericht zwar sämtlich für zulässig, aber unbegründet angesehen wurden.

Zu den Hilfsanträgen (gestufte Verpflichtungsbegehren hinsichtlich Asylanerkennung, Gewährung von Flüchtlingsstatus und subsidiärem Schutz sowie Feststellung von Abschiebungsverboten), bezüglich derer das Verwaltungsgericht die Klage nach persönlicher Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung abgewiesen hat, finden sich in der Revisionsbegründung keinerlei Ausführungen. Damit ist nach der Revisionsbegründung jedenfalls offen, ob und ggf. in welchem Umfang sich die Revision auch auf die Hilfsanträge bezieht.

Geht man davon aus, dass sich die Revision jedenfalls gegen die Abweisung des auf isolierte Anfechtung des Bescheids des Bundesamtes zielenden Hauptantrages richtet, fehlt es an den sonstigen Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung. Dazu gehört eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung der Vorinstanz tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203> m.w.N.). Dem wird das Vorbringen des Klägers innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht gerecht.

Der Kläger verhält sich in seiner - sprachlich und inhaltlich nur schwer nachvollziehbaren - Revisionsbegründung zwar zur Frage der Zulässigkeit der Anfechtungsklage. Insoweit ist der Kläger durch das Urteil des Verwaltungsgerichts aber nicht beschwert, da es - zugunsten des Klägers - die Zulässigkeit einer (isolierten) Anfechtungsklage bejaht hat. Zu der vom Verwaltungsgericht - zulasten des Klägers - verneinten Frage, ob der angegriffene Bescheid schon deshalb rechtswidrig ist, weil das Bundesamt ausgehend von einem unentschuldigten Fernbleiben von der Anhörung eine Sach- anstatt einer Einstellungsentscheidung getroffen hat, fehlen jegliche Ausführungen. Zur Einstellung des Verfahrens finden sich in der Revisionsbegründung nur zwei Passagen, die sich in der Sache aber nur auf die Zulässigkeit einer isolierten Anfechtungsklage und die Notwendigkeit einer Sachentscheidung durch das Bundesamt beziehen. Die Begründung verhält sich aber nicht dazu, ob und aus welchen Gründen eine Einstellung des Verfahrens durch das Bundesamt hätte erfolgen müssen und das Urteil deshalb eine revisible Rechtsnorm verletzt. Stattdessen geht die Revision offenbar davon aus, dass das Bundesamt den Asylantrag wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten nicht in der Sache geprüft habe und diese unterlassene Sachprüfung vom Bundesamt nachzuholen sei. Diese Forderung beruht indes auf einer Unterstellung, die in den tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts keine Stütze findet und damit nur in einem Berufungsverfahren hätte geltend gemacht werden können. Denn nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat das Bundesamt den Asylantrag in der Sache abgelehnt (UA S. 15).

Allein der Umstand, dass das Verwaltungsgericht die Zulassung der Sprungrevision mit zwei klärungsbedürftigen Fragen begründet hat, entbindet nicht vom Erfordernis der Revisionsbegründung. Mit ihr soll der Revisionsführer gezwungen werden, Inhalt, Umfang und Ziel des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen. Dies dient nicht nur der Entlastung des Revisionsgerichts, sondern auch dem Interesse des Revisionsgegners, der wissen soll, in welchen Punkten er sich auf eine Verteidigung einzurichten hat (Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO , Stand September 2018, § 139 Rn. 34).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG ; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Vorinstanz: VG Minden, vom 21.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 10 K 3037/18