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BVerwG - Entscheidung vom 10.10.2019

3 C 20.17

Normen:
RL 2006/126/EG Art. 2 Abs. 1
RL 2006/126/EG Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2
RL 2006/126/EG Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2
FeV § 7
FeV § 29 Abs. 1 S. 1
FeV § 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 und S. 3

Fundstellen:
NJW 2020, 1616

BVerwG, Beschluss vom 10.10.2019 - Aktenzeichen 3 C 20.17

DRsp Nr. 2020/3156

Aberkennung des Rechts zum Führen von Kraftfahrzeugen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats mit dem Führerschein des Inhabers eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten EU-Führerscheins der Klassen A und B wegen einer Trunkenheitsfahrt; Ausstellung des Führerscheins nach der Aberkennung im Wege der Erneuerung

Verwehren es Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG einem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet dem Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten EU-Führerscheins der Klassen A und B wegen einer Trunkenheitsfahrt das Recht aberkannt wurde, mit diesem Führerschein Kraftfahrzeuge im erstgenannten Mitgliedstaat zu führen, die Anerkennung eines Führerscheins für diese Klassen abzulehnen, der dem Betroffenen im zweitgenannten Mitgliedstaat nach der Aberkennung im Wege der Erneuerung nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG ausgestellt wurde.

Normenkette:

RL 2006/126/EG Art. 2 Abs. 1 ; RL 2006/126/EG Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2; RL 2006/126/EG Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2; FeV § 7 ; FeV § 29 Abs. 1 S. 1; FeV § 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 und S. 3;

[Gründe]

I

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er berechtigt ist, mit seinem spanischen Führerschein der Klassen A und B in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen.

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er hat seit 1992 einen Wohnsitz in Spanien und einen weiteren Wohnsitz in K., der aber nicht sein ordentlicher Wohnsitz im Sinne von § 7 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr ( Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV ) und Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 S. 18) - im Folgenden: Richtlinie 2006/126/EG - ist. In Deutschland wurde er 1987, 1990, 1995 und 2000 wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt; 1990 wurde ihm deshalb ein weiteres Mal seine deutsche Fahrerlaubnis entzogen. Am 21. Oktober 1992 wurde dem Kläger in Spanien ein Führerschein ausgestellt, der unter anderem die Klassen A und B umfasste. Die Gültigkeitsdauer wurde dort seitdem mehrfach verlängert.

Am 12. Dezember 2008 führte der Kläger in Deutschland ein Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille. Deshalb wurde er mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 20. Januar 2009 wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt, und ihm wurde wegen fehlender Fahreignung das Recht aberkannt, mit dieser Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge in Deutschland zu führen. Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis wurde eine Sperrfrist von 14 Monaten bestimmt; sie endete mit Ablauf des 19. März 2010. Sein am 22. Oktober 2007 in Spanien ausgestellter Führerschein der Klassen A, A1 und B wurde eingezogen und den zuständigen spanischen Stellen übersandt. Sie ließen das Dokument dem Kläger alsbald und ohne Weiteres wiederzukommen.

Dem Kläger wurde in Spanien am 23. November 2009 - und damit noch während der Laufzeit der in Deutschland angeordneten Sperrfrist - ein neuer Führerschein der Klassen A1, A2, A und B ausgestellt, der wie sein vorheriger Führerschein bis zum 22. Oktober 2012 gültig war. Am 15. Oktober 2012 erhielt er in Spanien einen Führerschein der Klassen A1, A2, A und B mit Gültigkeit bis zum 22. Oktober 2014, am 18. September 2014 einen Führerschein der Klassen AM, A1, A2, A und B mit Gültigkeit bis zum 22. Oktober 2016 und am 6. September 2016 seinen derzeitigen Führerschein der Klassen AM, A1, A2, A und B mit Gültigkeit bis zum 22. Oktober 2021. In den Führerscheinen ist bei diesen Fahrzeugklassen als Beginn der Gültigkeit jeweils der 21. Oktober 1992 eingetragen.

Den Antrag des Klägers vom 20. Januar 2014, "seine spanische Fahrerlaubnis ... vom 21.10.1992, gültig bis 22.10.2014" für das Bundesgebiet anzuerkennen, lehnte die beklagte Stadt K. ab. Dem Kläger sei durch den Strafbefehl vom 20. Januar 2009 seine spanische Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt entzogen worden. Nach dem Ablauf der Sperre habe er in Spanien keine neue anzuerkennende Fahrerlaubnis erworben, ihm seien dort nur Ersatzdokumente ausgestellt worden. Da der Kläger das zur Klärung der Zweifel an seiner Fahreignung von ihm zu Recht geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt habe, könne gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung geschlossen werden. Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium K. aus den gleichen Gründen zurück.

Seine Klage mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide zu verpflichten, ihm das Recht zu erteilen, von seiner spanischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

Die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgte Begehren festzustellen, dass er berechtigt sei, von seiner spanischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, und ebenso sein Hilfsantrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm das Recht, von seiner spanischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, konstitutiv zu erteilen, seien unbegründet.

Einer Inlandsfahrberechtigung nach § 29 FeV stehe der Ausschlussgrund aus § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 FeV entgegen. Wegen seiner Trunkenheitsfahrt im Dezember 2008 sei dem Kläger rechtskräftig die Fahrerlaubnis entzogen worden; das sei im Fahreignungsregister noch eingetragen und nicht getilgt. Der Ausschluss gelte auch für den bis zum 22. Oktober 2021 verlängerten derzeitigen spanischen Führerschein des Klägers. Nach § 29 Abs. 4 FeV i.V.m. § 3 Abs. 6 des Straßenverkehrsgesetzes ( StVG ) sei eine antragsabhängige Zuerkennungsentscheidung der Fahrerlaubnisbehörde erforderlich, um hiervon in Deutschland wieder Gebrauch machen zu dürfen. Auch Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG vermittle dem Kläger derzeit nicht das Recht, mit seinem spanischen Führerschein Kraftfahrzeuge in Deutschland zu führen. Die Rückgabe des in Deutschland eingezogenen Führerscheindokuments und auch dessen Ersetzung durch die spanischen Behörden am 23. November 2009 seien keine Maßnahmen, die unionsrechtlich eine Anerkennungspflicht begründeten. Sie seien während der im Strafbefehl vom 20. Januar 2009 festgelegten Sperrfrist erfolgt. Außerdem sei nicht erkennbar, dass eine Eignungsprüfung vorangegangen sei. Dem Kläger seien keine neuen Fahrerlaubnisse erteilt worden; die spanische Behörde habe nur gemäß Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2006/126/EG den Führerschein nach Ablauf der Gültigkeitsdauer erneuert. Als harmonisierte Mindestvoraussetzung für die Erneuerung eines Führerscheins der Klassen A und B gebe Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/126/EG nur die Erfüllung des Wohnsitzerfordernisses vor. Damit sei die Erneuerung eines Führerscheins wesensgleich mit einer Ersetzung im Sinne von Art. 11 Abs. 5 der Richtlinie 2006/126/EG ; beides erschöpfe sich in der Erstellung eines neuen Nachweispapiers über eine bestehende Fahrerlaubnis. Ein Mitgliedstaat, der sich - wie Spanien - dafür entschieden habe, die turnusmäßige Erneuerung eines Führerscheins von einem Gesundheitstest abhängig zu machen, sei nicht dazu verpflichtet, bei jedem Fahrerlaubnisinhaber ohne besonderen Anhalt zu untersuchen, ob alle gesundheitlichen Mindestanforderungen nach Anhang III der Richtlinie 2006/126/EG noch erfüllt seien. Ein altersabhängiger Gesundheitstest dürfte sich regelmäßig auf eine Prüfung des Seh-, Hör- und Reaktionsvermögens sowie von offen zutage tretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen beschränken. Es liefe dem Gemeinwohlziel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, zuwider, müsste die Gültigkeit eines Führerscheins in einer solchen Situation bedingungslos anerkannt werden.

Der Hilfsantrag des Klägers, die Fahrerlaubnisbehörde zum Erlass einer konstitutiven Zuerkennungsentscheidung nach § 29 Abs. 4 FeV zu verpflichten, sei ebenfalls unbegründet. Voraussetzung dafür wäre, dass die Gründe für die Fahrerlaubnisentziehung nicht mehr bestünden. Der Kläger habe das wegen seiner Trunkenheitsfahrt erforderliche medizinisch-psychologische Gutachten jedoch nicht beigebracht. Mit Blick auf die bei ihm festgestellte Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille, die einen exzessiven Alkoholkonsum belege, und die Gefahren für die Verkehrssicherheit durch Alkoholkonsum stehe der unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht entgegen.

Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger vor: § 29 Abs. 3 und 4 FeV verletze mit der dort vorgesehenen Zuerkennungsentscheidung Unionsrecht. Es werde willkürlich und ohne Rechtsgrundlage unterstellt, dass es sich bei den drei spanischen Verwaltungsakten vom 15. Oktober 2012, 18. September 2014 und 6. September 2016 nicht um die Ausstellung eines Führerscheins im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG , sondern um eine Verlängerung der ursprünglichen Fahrerlaubnis vom 21. Oktober 1992 handele. Für die Annahme, bei der Erneuerung eines Führerscheins gehe eine bestehende Unregelmäßigkeit auf den aktuellen Führerschein über, fehle ebenfalls eine Rechtsgrundlage. Es gebe auch keine dahingehende Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Die Kompetenz, darüber zu befinden, ob er die Fahreignung wieder besitze, liege allein bei der spanischen Behörde. Deren Entscheidung dürften die deutschen Behörden nicht überprüfen.

Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das Berufungsurteil.

II

Das Verfahren ist auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der im Beschlusstenor aufgeführten Frage einzuholen. Von der Auslegung der Richtlinie 2006/126/EG hängt es aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ab, ob die Klage Erfolg hat und der Kläger berechtigt ist, mit seinem in Spanien erneuerten Führerschein Kraftfahrzeuge der Klassen A und B in Deutschland zu führen. In der Revision hat er sein Klagebegehren auf die Fahrzeugklassen A und B beschränkt.

1. Nationaler Rechtsrahmen § 29 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr ( Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV ) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980 ) in der hier maßgeblichen, zuletzt durch Art. 1 der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 4. Juli 2019 (BGBl. I S. 1056 ) geänderten Fassung, bestimmt:

"Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis dürfen im Umfang ihrer Berechtigung im Inland Kraftfahrzeuge führen, wenn sie hier keinen ordentlichen Wohnsitz nach § 7 haben."

Diese Regelung ist im vorliegenden Fall anwendbar, da der Kläger nach den von der Beklagten nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO ) des Berufungsgerichts seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne von § 7 FeV und Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG nicht in Deutschland hat.

§ 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV sieht als Ausnahme von der Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis vor:

"Die Berechtigung nach Absatz 1 gilt nicht für Inhaber ausländischer Fahrerlaubnisse, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben."

Dem Kläger ist seine spanische Fahrerlaubnis in Deutschland wegen seiner Trunkenheitsfahrt vom 12. Dezember 2008 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille rechtskräftig durch Strafbefehl mit der Wirkung entzogen worden, dass ihm das Recht aberkannt wurde, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 69b Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches - StGB ). Nach § 69b Abs. 1 Satz 2 StGB erlischt mit der Rechtskraft der Entscheidung das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.

Die Eintragung der Fahrerlaubnisentziehung in das Fahreignungsregister (§§ 28 ff. des Straßenverkehrsgesetzes - StVG ) ist dort noch nicht getilgt, was den in § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV vorgesehenen Ausschluss der Inlandsfahrberechtigung hätte entfallen lassen. § 29 Abs. 3 Satz 3 FeV bestimmt:

"Satz 1 Nummer 3 und 4 ist auf eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nur anzuwenden, wenn die dort genannten Maßnahmen im Fahreignungsregister eingetragen und nicht nach § 29 des Straßenverkehrsgesetzes getilgt sind."

Für die Wiedererteilung des Rechts, von der Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch machen zu dürfen, sieht § 29 Abs. 4 FeV i.V.m. § 3 Abs. 6 StVG vor:

"Das Recht, von einer ausländischen Fahrerlaubnis nach einer der in Absatz 3 Nummer 3 und 4 genannten Entscheidungen im Inland Gebrauch zu machen, wird auf Antrag erteilt, wenn die Gründe für die Entziehung nicht mehr bestehen."

§ 3 Abs. 6 StVG bestimmt:

"Für die Erteilung des Rechts, nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, an Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland gelten die Vorschriften über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht entsprechend."

Danach müsste der Kläger wegen seiner Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ein - positives - medizinisch-psychologisches Gutachten beibringen. Diese Vorschrift lautet wie folgt:

"Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass

...

2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn

...

c) ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde,"

...

Ein solches medizinisch-psychologisches Gutachten hat der Kläger nicht vorgelegt.

2. Unionsrecht - Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG )

Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts wäre der Kläger nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG auch ohne die Erfüllung dieser nach dem deutschen Fahrerlaubnisrecht zu beachtenden Voraussetzungen berechtigt, mit seinem zuletzt am 6. September 2016 erneuerten und bis zum 22. Oktober 2021 gültigen spanischen Führerschein Kraftfahrzeuge der Klassen A und B in Deutschland zu führen, wenn eine solche Anerkennungspflicht auch bei der Erneuerung eines Führerscheins der genannten Klassen nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG bestünde.

Es geht danach im Kern um die Frage, inwieweit der unionsrechtliche Anerkennungsgrundsatz aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG auch im Falle der Erneuerung eines Führerscheins nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG greift, die der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes vorgenommen hat, nachdem der Aufenthaltsmitgliedstaat dem Betroffenen wegen einer Trunkenheitsfahrt und dem sich daraus ergebenden Fehlen der Fahreignung das Recht aberkannt hatte, auf seinem Hoheitsgebiet von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen.

a) Aufgrund der im derzeit gültigen und in den vorherigen Führerscheinen des Klägers eingetragenen Angaben zur Gültigkeit steht außer Zweifel, dass sein in Spanien am 6. September 2016 ausgestellter und bis zum 22. Oktober 2021 gültiger Führerschein auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2006/126/EG ausgestellt wurde, es sich also um die Erneuerung eines Führerscheins bei Ablauf der Gültigkeitsdauer im Sinne dieser Vorschrift handelte (FR: "renouvellement du permis de conduire au moment où sa validité administrative vient à échéance"; EN: "renewal of driving licences when their administrative validity expires"). Hiervon sind auch die Beklagte und die beiden Vorinstanzen übereinstimmend ausgegangen.

b) Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Erneuerung von Führerscheinen der Klassen AM, A, A1, A2, B, B1 oder BE von einer Prüfung der Mindestvoraussetzungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit für das Führen dieser Fahrzeuge gemäß Anhang III abhängig machen können (FR: "Les États membres peuvent imposer, lors du renouvellement des permis de conduire des catégories AM, A1, A2, A2, B, B1 et BE, un contrôle des normes minimales concernant l'aptitude physique et mentale à la conduite telles qu'exposées à l'annexe III."; EN: "Member states may, when renewing driving licenses in categories AM, A1, A2, A2, B, B1 and BE, require an examination applying the minimum standards of physical and mental fitness for driving set out in Annex III."). Hieraus ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten bei der Erneuerung von Führerscheinen der genannten Klassen durch das Unionsrecht berechtigt ("können"; "peuvent imposer", "may require"), aber nicht verpflichtet sind, eine solche Eignungsüberprüfung vorzusehen.

Daran, dass den Mitgliedstaaten in Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG für die Erneuerung eines Führerscheins der genannten Fahrzeugklassen unionsrechtlich nur die Möglichkeit einer Überprüfung eingeräumt, nicht aber eine Überprüfungspflicht auferlegt wird, dürfte sich nach Auffassung des Senats durch Nr. 14 (Alkohol) des Anhangs III der Richtlinie 2006/126/EG (Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs) nichts ändern. Nach Nr. 14.1. des Anhangs III, der die Regelung in Bezug auf Führer von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 (Fahrzeuge der Klassen A, A1, A2, AM, B, B1 und BE) enthält, darf Bewerbern, die alkoholabhängig sind oder das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuss nicht trennen können, eine Fahrerlaubnis weder erteilt noch darf ihre Fahrerlaubnis erneuert werden. Zwar wird in Nr. 14.1. des Anhangs III damit neben der Erteilung auch die Erneuerung einer Fahrerlaubnis ausdrücklich genannt. Doch würde die vom Richtliniengeber in Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG in Bezug auf die dort genannten Fahrzeugklassen getroffene "Kann-Regelung" insoweit ins Leere gehen und wäre wirkungslos, wenn sich eine alle Fälle der Erneuerung eines Führerscheins einschließende Pflicht zur Eignungsüberprüfung aus Nr. 14.1. des Anhangs III der Richtlinie ergäbe. Es kann nicht unterstellt werden, dass der Richtliniengeber eine solche in sich widersprüchliche Regelung treffen wollte. Vielmehr dürfte nach der Normsystematik Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG als der spezielleren Regelung Vorrang gegenüber Nr. 14.1. des Anhangs III der Richtlinie zukommen und deshalb in den Fällen der Erneuerung eines Führerscheins der dort genannten Klassen die erneute Überprüfung der "Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs" nach dem Anhang III in das Ermessen des betreffenden Mitgliedstaates gestellt sein.

Wird in den Fällen der Erneuerung eines Führerscheins den Mitgliedstaaten durch Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG unionsrechtlich aber lediglich eine Überprüfungsmöglichkeit, nicht aber eine jeden Mitgliedstaat gleichermaßen treffende Überprüfungspflicht begründet, unterscheidet sich die Erneuerung eines Führerscheins dieser Klassen gemäß Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG grundlegend von der Ausstellung eines Führerscheins nach Maßgabe der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie genannten Anforderungen. Nach dieser Regelung darf ein Führerschein nur an Bewerber ausgestellt werden, die eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie eine theoretische Prüfung bestanden haben und die gesundheitlichen Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III erfüllen.

c) Im Fall des Klägers dürfte eine dem Unionsrecht zu entnehmende Pflicht zur Anerkennung seines Führerscheins in Deutschland nicht deshalb entfallen, weil er seinen am 22. Oktober 2007 ausgestellten spanischen Führerschein, der Gegenstand der rechtskräftigen Aberkennung des Rechts war, davon in Deutschland Gebrauch zu machen, in Spanien noch während der laufenden Sperrfrist zurückerhalten hatte und ihm in Spanien darüber hinaus - ebenfalls noch innerhalb der Sperrfrist - ein neuer Führerschein mit unveränderter Gültigkeitsdauer bis zum 22. Oktober 2012 ausgestellt worden war. Zwar ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union anerkannt, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis in Verbindung mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angewandt worden ist, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat während dieser Sperrzeit ausgestellten neuen Führerscheins zu versagen (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - C-321/07 [ECLI:EU:C:2009:104], Schwarz - Rn. 83 m.w.N.). Doch knüpft die mögliche Anerkennungspflicht in Deutschland, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist, nicht an den in der Sperrfrist zurückgegebenen und ebenso wenig an den am 23. November 2009 ausgestellten alten Führerschein des Klägers an, deren Gültigkeit jeweils abgelaufen ist, sondern an seinen nun gültigen spanischen Führerschein, der dort am 6. September 2016 ausgestellt wurde. Dieser Führerschein geht indes, was die dort ausgewiesene materielle Berechtigung betrifft, auf die Erteilung der entsprechenden Fahrerlaubnisse am 21. Oktober 1992 zurück, bei der kein Verstoß gegen das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis ersichtlich ist und die auch nicht in einer noch laufenden Sperrfrist erfolgt war.

Ebenso wenig dürfte - anders als das Berufungsgericht annimmt (vgl. UA S. 21) und auch die Beklagte gemeint hatte - einer möglichen Pflicht zur Anerkennung des erneuerten Führerscheins entgegengehalten werden können, dass es sich bei der Erneuerung eines Führerscheins nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2006/126/EG um die bloße Ausstellung eines Ersatzdokuments handele. Bei einer Erneuerung im Sinne dieser Regelung geht es nicht lediglich um den Austausch des eine materielle Berechtigung verkörpernden Dokuments wie bei einer Ersetzung, etwa infolge von Verlust oder Diebstahl, gemäß Art. 11 Abs. 5 der Richtlinie 2006/126/EG . Vielmehr ist mit der Erneuerung eines Führerscheins gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2006/126/EG eine Verlängerung der materiellen Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen der betreffenden Klassen verbunden. Gerade darin liegt ihr Sinn und Zweck ("Erneuerung eines Führerscheins bei Ablauf der Gültigkeitsdauer").

d) Nach Auffassung des Senats spricht Vieles dafür, dass bei der Erneuerung eines Führerscheins der in Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG genannten Klassen, die erfolgt, nachdem dem Inhaber im Aufenthaltsmitgliedstaat wegen des dort festgestellten Fehlens der Fahreignung das Recht aberkannt wurde, in dessen Hoheitsgebiet von seinem Führerschein Gebrauch zu machen, keine Verpflichtung zu einer Anerkennung ohne jede Formalität besteht, wie sie nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei der Ausstellung eines Führerscheins unter Überprüfung der harmonisierten Mindestanforderungen nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG anzunehmen ist.

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass ein Führerschein, der nach Ablauf der im Inland rechtskräftig festgesetzten Sperrfrist unter Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses erteilt worden ist, ohne jede Formalität anerkannt werden muss. Auch wenn ein Mitgliedstaat die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach seinen nationalen Vorschriften von strengeren Vorgaben abhängig macht, muss er die von einem anderen Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfrist und unter Wahrung des Wohnsitzerfordernisses erteilte EU-Fahrerlaubnis daher anerkennen (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a. [ECLI:EU:C:2008:366], Wiedemann und Funk - Rn. 54). In diesen Fällen ist der Fahreignungsmangel durch die von einem anderen Mitgliedstaat bei der späteren Ausstellung des Führerscheins durchgeführte Eignungsprüfung behoben (EuGH, Urteile vom 19. Februar 2009 - C-321/07, Schwarz - Rn. 92 f. und vom 26. April 2012 - C-419/10 [ECLI:EU:C:2012:240], Hofmann - Rn. 51). Zugleich entfällt dann die Befugnis des Mitgliedstaates, der dem Betroffenen auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG wegen fehlender Fahreignung das Recht aberkannt hatte, von seinem Führerschein auf seinem Hoheitsgebiet Gebrauch zu machen, zu prüfen, ob er seine Fahreignung wiedererlangt hat und daher dort wieder Kraftfahrzeuge führen darf (vgl. zu dieser Befugnis des die Inlandsfahrberechtigung aberkennenden Mitgliedstaates EuGH, Urteil vom 23. April 2015 - C-260/13 [ECLI:EU:C:2015:257], Aykul - Rn. 74 ff.).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Rechtsprechung wiederholt den Zusammenhang von unionsrechtlich harmonisierten Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis, der Überprüfung des Vorliegens dieser Voraussetzungen durch den Ausstellungsmitgliedstaat und der Pflicht zur Anerkennung des in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins hervorgehoben. Die mit der Richtlinie 2006/126/EG geschaffene Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine sei Folge der Vorgabe von zwingenden Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines EG-Führerscheins in dieser Richtlinie (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 28. Februar 2019 - C-9/18 [ECLI:EU:C:2019:148], Meyn - Rn. 28).

Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dürfte nach Auffassung des Senats daher zu entnehmen sein, dass das Bestehen einer Anerkennungspflicht nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG davon abhängt, ob das Unionsrecht für die Ausstellung des Führerscheins im konkreten Fall die Überprüfung der harmonisierten Mindestvoraussetzungen nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG vorgibt. Das zeigt zum einen das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Februar 2009 - C-321/07, Schwarz -. Zwar werde, wie dort unter Bezugnahme auf die bereits genannte Rechtsprechung ausgeführt wird, die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis in einem Mitgliedstaat geahndete Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen durch die von einem anderen Mitgliedstaat bei der späteren Ausstellung eines Führerscheins durchgeführte Eignungsprüfung behoben (EuGH, Urteil vom 19. Februar 2009 a.a.O. Rn. 92). Doch sei der Kläger hier keiner von den Behörden eines anderen Mitgliedstaates angeordneten Überprüfung seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen unterzogen worden. Folglich sei nicht der Beweis erbracht, dass der Inhaber entsprechend den Anforderungen an die Eignung - im damaligen Fall denen nach der Richtlinie 91/439/EWG - zum Führen von Kraftfahrzeugen und zur Teilnahme am Straßenverkehr geeignet sei (EuGH, Urteil vom 19. Februar 2009 a.a.O. Rn. 95). Im bereits genannten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 28. Februar 2019 - C-9/18, Meyn - wird dieser Zusammenhang von zu prüfenden unionsrechtlich vorgegebenen harmonisierten Mindestvoraussetzungen und daraus resultierender Anerkennungspflicht in Bezug auf die Richtlinie 2006/126/EG bestätigt (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2019 a.a.O. Rn. 28 ff.). Zur Verneinung einer Anerkennungspflicht wird dort darauf abgestellt, dass die Richtlinie 2006/126/EG nicht dazu bestimmt sei, die Anforderungen festzulegen, die für den Umtausch von Führerscheinen erfüllt sein müssen, die von Drittstaaten ausgegeben würden, da eine solche Befugnis allein den Mitgliedstaaten zustehe, so dass ein Mitgliedstaat nicht an die Beurteilungen gebunden sein könne, die andere Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht vorgenommen hätten (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2019 a.a.O. Rn. 31). Folglich könne, wenn die von der Richtlinie 2006/126/EG angestrebte Straßenverkehrssicherheit nicht gefährdet werden solle, ein Mitgliedstaat schon allein deshalb nicht verpflichtet werden, einen Führerschein anzuerkennen, dessen Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates habe und der von einem anderen Mitgliedstaat ohne Fähigkeitsprüfung im Umtausch für einen von einem anderen Mitgliedstaat ausgegebenen Führerschein ausgestellt worden sei, weil der letztgenannte Führerschein seinerseits das Ergebnis eines Umtauschs für einen von einem Drittstaat ausgestellten Führerschein sei (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2019 a.a.O. Rn. 32).

Bei der hier inmitten stehenden Erneuerung des spanischen Führerscheins des Klägers handelt es sich - wie gezeigt - ebenfalls nicht um die Ausstellung eines Führerscheins, bei der der ausstellende Mitgliedstaat zu einer umfassenden Eignungsüberprüfung nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG verpflichtet war.

In solchen Fällen der späteren Erneuerung eines Führerscheins im Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes bleibt es daher aus Sicht des Senats bei der vom Gerichtshof der Europäischen Union anerkannten Befugnis des Mitgliedstaates, der dem Betroffenen auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG wegen fehlender Fahreignung das Recht aberkannt hatte, von seinem Führerschein auf seinem Hoheitsgebiet Gebrauch zu machen, zu prüfen, ob der Betroffene seine Fahreignung wiedererlangt hat (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 23. April 2015 - C-260/13, Aykul - Rn. 74 ff.).

e) Etwas anderes dürfte sich aus Sicht des Senats nicht daraus ergeben, dass das spanische Fahrerlaubnisrecht - wie dem Berufungsurteil zu entnehmen ist - auch bei der Erneuerung eines Führerscheins der Klassen A und B und damit im Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG einen Gesundheitstest vorsieht. Nähere Feststellungen zu Gegenstand und Umfang dieses Gesundheitstests hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

Dass solche von einem einzelnen Mitgliedstaat getroffene Regelungen zu den gesundheitlichen Anforderungen an die Erneuerung eines Führerscheins nicht zur Anerkennungspflicht nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG führen, folgt aus Sicht des Senats bereits daraus, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die dort geforderte gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen ohne jede Formalität daran anknüpft, dass das Unionsrecht harmonisierte und damit alle Mitgliedstaaten bindende Mindestanforderungen an die Kraftfahreignung u.a. in gesundheitlicher Hinsicht vorgibt, die der Bewerber um einen Führerschein erfüllen muss und deren Einhaltung der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes bei der Ausstellung eines Führerscheins zu überprüfen hat. Das ist - wie gezeigt - nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG bei der Erneuerung von Führerscheinen der dort genannten Klassen nicht der Fall.

Eine Anerkennung ohne jede Formalität wäre aus Sicht des Senats auch nicht damit vereinbar, dass von den Behörden und Gerichten des Aufenthaltsmitgliedstaates in jedem Einzelfall der Frage nachgegangen werden müsste, was genau Inhalt und Reichweite der gesundheitlichen Überprüfung ist, die der einen Führerschein erneuernde Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG gegebenenfalls vorsieht. Diese Regelungen können in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausfallen. Eine solche Einzelfallbetrachtung wäre indes erforderlich, um die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, auf die die harmonisierten Mindestanforderungen nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG i.V.m. dem Anhang III abzielen.

Vorinstanz: VG Karlsruhe, vom 16.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 3 K 2337/14
Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 27.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 10 S. 1716/15
Fundstellen
NJW 2020, 1616