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BSG - Entscheidung vom 28.01.2019

B 9 SB 53/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103
SGG § 124 Abs. 2

BSG, Beschluss vom 28.01.2019 - Aktenzeichen B 9 SB 53/18 B

DRsp Nr. 2019/3803

Zuerkennung eines Grades der Behinderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Verletzung der Amtsermittlungspflicht Aufrechterhaltener Beweisantrag bei einem Urteil ohne mündliche Verhandlung

Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil ohne mündliche Verhandlung bedarf es der Darlegung, dass mit der Zustimmung zur Entscheidung des LSG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung die gestellten Beweisanträge auch aufrechterhalten wurden; andernfalls gelten diese als erledigt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 7. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ; SGG § 124 Abs. 2 ;

Gründe:

I

Das LSG hat mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 7.6.2018 einen Anspruch der Klägerin auf Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab Antragstellung am 23.5.2013 anstelle eines zuerkannten GdB von 20 bzw von 30 ab 15.7.2016 verneint. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB. In dem während des Berufungsverfahrens erlassenen Neufeststellungsbescheid vom 8.5.2017 seien die Behinderungen der Klägerin zutreffend bewertet. Diese rechtfertigten nach den Bestimmungen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) zur Bildung des Gesamt-GdB (vgl Teil A Nr 3 VG) keinen höheren GdB als 20 bzw als 30 ab Juli 2016.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, mit der sie eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das LSG rügt.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 17.9.2018 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertretene Klägerin rügt, dass das LSG weder ihrem erstinstanzlich in der Klageschrift vom 8.9.2014 gestellten Beweisantrag noch dem zweitinstanzlich aus der Berufungsbegründung vom 22.8.2016 gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis des geltend gemachten GdB ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Dem entsprechenden Beweis-"Angebot" nach § 103 SGG sei das LSG ohne hinreichende, sogar ohne jedwede Begründung nicht nachgegangen, "da es den einzelnen Erkrankungen der Klägerin keinen ausreichenden Gesamt-GdB zumessen konnte".

Diese Ausführungen erfüllen jedoch nicht die Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge (siehe hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 21.12.2017 - B 9 SB 70/17 B - Juris RdNr 3). Die Klägerin hat bereits nicht aufgezeigt, dass sie einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG , § 403 ZPO gestellt und bis zuletzt vor dem Berufungsgericht auch aufrechterhalten habe. Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (Senatsbeschluss vom 29.1.2018 - B 9 V 39/17 B - Juris RdNr 11 mwN). Die Beschwerdebegründung befasst sich im Wesentlichen mit einer umfangreichen Kritik an der vorangegangenen Entscheidung zu der Bewertung der Sach- und Rechtslage durch das LSG. Insoweit rügt sie im Kern die Beweiswürdigung des LSG. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) kann jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein nicht gestützt werden (vgl Senatsbeschluss vom 9.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - Juris RdNr 9). Zudem kann ein in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil widergibt (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärung des Gerichts (§ 103 SGG ) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl Senatsbeschluss vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 - SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21). Entscheidet das Berufungsgericht - wie vorliegend - nach § 124 Abs 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, so bedarf es in einer Nichtzulassungsbeschwerde der Darlegung, dass die Klägerin mit ihrer Zustimmung zur Entscheidung des LSG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung die von ihr gestellten Beweisanträge auch aufrechterhalten hat. Andernfalls gelten diese als erledigt (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 194/96 - SozR 3-1500 § 160 Nr 20 S 32). Entsprechender Vortrag fehlt ebenfalls.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Thüringen, vom 07.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 SB 1011/16
Vorinstanz: SG Gotha, vom 16.06.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 36 SB 4151/14