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BSG - Entscheidung vom 24.09.2019

B 2 U 26/19 B

Normen:
SGG § 67 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 24.09.2019 - Aktenzeichen B 2 U 26/19 B

DRsp Nr. 2019/16352

Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision

Der Klägerin wird hinsichtlich der Versäumnis der Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 2018 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Der Beschluss des Bundessozialgerichts vom 24. Januar 2019 - B 2 U 240/18 B - wird aufgehoben.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 67 Abs. 1 ;

Gründe:

I

Das LSG hat mit am 9.11.2018 zugestelltem Urteil vom 26.10.2018 die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 29.5.2015 zurückgewiesen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am Montag, den 10.12.2018, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG eingelegt und darauf hingewiesen, dass über die fristwahrende Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hinaus kein Mandat bestehe. Auf die Bitte der Klägerin um Fristverlängerung mit Telefax vom 8.1.2019 an das BSG ist ihr mit Schreiben vom selben Tag der Hinweis erteilt worden, dass Prozesshandlungen und damit auch Anträge auf Fristverlängerung nur durch zur Vertretung bei dem BSG zugelassene Bevollmächtigte wirksam vorgenommen werden können. Mit E-Mail vom 9.1.2019 an ihren Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin dessen Angebot zur Vertretung angenommen und unter Hinweis auf die erforderliche Fristverlängerung und auf die Frist "09.01.2019" um entsprechende schnelle Bearbeitung gebeten. Das BSG hat mit Beschluss vom 24.1.2019 - B 2 U 240/18 B - die Beschwerde wegen Versäumnis der Begründungsfrist als unzulässig verworfen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 11.2.2019 die Vertretung der Klägerin angezeigt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Frist zur Begründung der Beschwerde beantragt und die Beschwerde begründet. Ergänzend hat er Ausdrucke der zwischen ihm und der Klägerin gewechselten E-Mails und eine eidesstattliche Versicherung seiner Kanzleiangestellten eingereicht.

Die Beklagte hält die Fristversäumnis für verschuldet und die Beschwerde für unzulässig und unbegründet.

II

1. Der Beschluss des Senats vom 24.1.2019 - B 2 U 240/18 B - war aufzuheben und der Klägerin auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG zu gewähren. Die Klägerin war ohne ihr Verschulden gehindert, die Beschwerde fristgerecht zu begründen (§ 67 Abs 1 SGG ).

Gemäß § 67 Abs 1 SGG ist auf Antrag bei unverschuldeter Versäumnis einer gesetzlichen Verfahrensfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, die Tatsachen zur Antragsbegründung sind glaubhaft zu machen und die versäumte Rechtshandlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen (§ 67 Abs 2 Satz 1, 2 und 3 SGG ). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Die Klägerin traf kein Verschulden an der Fristversäumnis. Mit den vorgelegten Unterlagen hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass sie hinreichende Vorkehrungen getroffen hatte, damit der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung durch einen zur Vertretung am BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten rechtzeitig vor dem Fristende mit Ablauf des 9.1.2019 gemäß § 160a Abs 2 Satz 2 SGG gestellt werden konnte. So hatte sie sich mit am 9.1.2019 um 7.05 Uhr abgesandter E-Mail an ihren Prozessbevollmächtigten gewandt und ihn unter Hinweis auf den drohenden Fristablauf beauftragt, die Verlängerung der Begründungsfrist zu beantragen. Deshalb hätte der Prozessbevollmächtigte noch rechtzeitig vor Fristablauf einen Verlängerungsantrag stellen können, um dann die Beschwerde rechtzeitig begründen zu können, denn er war bereits vorher mit diesem Verfahren befasst gewesen und der entsprechende Antrag hätte mit einem kurzen Schriftsatz rechtzeitig per Fax bei dem BSG eingereicht werden können. Auch ein der Klägerin gemäß § 73 Abs 6 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO wie eigenes Verschulden zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis lag nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihn ein Verschulden an der Versäumnis dieser Frist nicht trifft. Zwar hatte es seine Kanzleiangestellte versäumt, die Beauftragung der Klägerin zur Fristverlängerung dem namentlich benannten Prozessbevollmächtigten der Klägerin oder einem seiner Vertreter zur Kenntnis zu bringen. Der Prozessbevollmächtigte durfte es ihr jedoch als ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte überlassen, per E-Mail eingehende Mandatierungen mit einem Hinweis auf ein drohendes Fristversäumnis eigenverantwortlich im Fristenkalender einzutragen und einem Rechtsanwalt der Kanzlei unverzüglich zur Kenntnis zu bringen. Auf diese Verfahrensweise war sie - unter anderem in monatlich stattfindenden Kanzleibesprechungen - hingewiesen worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte sich darauf verlassen, dass diese Anweisung von seiner so geschulten und bisher zuverlässig arbeitenden Büroangestellten befolgt werden würde. Schließlich ist der Wiedereinsetzungsantrag fristgemäß gestellt und die versäumte Prozesshandlung ebenfalls fristgemäß nachgeholt worden.

2. Die Beschwerde ist ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG ), weil sie unzulässig ist. Die nunmehr vorliegende Beschwerdebegründung genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht. In der Beschwerdebegründung mit Schriftsatz vom 11.2.2019 wird der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerin hat zwar als Rechtsfragen formuliert:

1. "Setzt eine 'Erkrankung' durch Beryllium oder seine Verbindungen gemäß der Nr. 1110 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung eine Störung von Körperfunktionen voraus oder genügt die Sensibilisierung gegen Beryllium um eine Erkrankung im Sinne der Nr. 1110 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzunehmen?"

2. "Genügt es für die Feststellung einer Einwirkung durch Beryllium bei der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit, wenn gleichzeitig mehrere Mitarbeiter am selben Arbeitsplatz positiv auf Beryllium getestet wurden?"

Sie legt jedoch nicht hinreichend dar, dass und warum die erste Frage als Rechtsfrage in einem sich anschließenden Revisionsverfahren klärungsfähig, dh entscheidungserheblich, sein könnte. Detaillierte Ausführungen hierzu hätte es deshalb bedurft, weil das LSG in seinem Urteil dargelegt hat, dass nicht festgestellt werden konnte, dass die Klägerin bei ihrer versicherten Tätigkeit, ggf auch durch Luftverunreinigungen mit Beryllium aus der Umgebung durch eine Nachbarfirma, einer Einwirkung durch Beryllium oder seiner Verbindungen ausgesetzt war. Hinsichtlich der zweiten Frage fehlt es an der hinreichenden Darlegung unter Auswertung der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG , dass diese klärungsbedürftig sein könnte.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 SGG ; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl BVerfG vom 8.12.2010 - 1 BvR 1382/10 - NJW 2011, 1497 ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: BSG, vom 24.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen B 2 U 240/18 B
Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 26.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 U 2810/15
Vorinstanz: SG Freiburg, vom 29.05.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 3 U 2060/14