Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 27.06.2019

B 11 SF 7/19 S

Normen:
SGG § 58 Abs. 1 Nr. 1
SGG § 58 Abs. 2

BSG, Beschluss vom 27.06.2019 - Aktenzeichen B 11 SF 7/19 S

DRsp Nr. 2019/11681

Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung Prozesskostenhilfeverfahren

Rechtsstreite im Sinne des § 58 Abs. 2 SGG sind Hauptsacheverfahren und das Gesuch auf PKH in einem sozialgerichtlichen Verfahren.

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Normenkette:

SGG § 58 Abs. 1 Nr. 1 ; SGG § 58 Abs. 2 ;

Gründe:

I

Die Kläger mit Wohnsitz in S. haben eine Entschädigungsklage gegen das Saarland erhoben. Zur Begründung haben sie ausgeführt, ein von ihnen geführter sozialgerichtlicher Rechtsstreit, der sich derzeit im Berufungsverfahren beim LSG für das Saarland befindet (L 4 AS 36/17), sei unangemessen lang iS von § 198 Abs 1 GVG . Für die Entschädigungsklage, die noch nicht zugestellt ist, begehren sie PKH. Das LSG hat das Verfahren dem BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 58 Abs 1 Nr 1 SGG vorgelegt. Es sei als das an sich zuständige LSG an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich verhindert, weil bis auf zwei alle am LSG derzeitig tätigen Berufsrichter in dem Verfahren L 4 AS 36/17 mitgewirkt hätten. Diese Richter seien gemäß § 60 Abs 1 SGG iVm § 41 Nr 7 ZPO an der Ausübung des Richteramtes im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen und der für Entschädigungsklagen zuständige Senat könne nicht mehr vollständig besetzt werden.

II

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGG durch das angerufene BSG liegen vor. Danach wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsame nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist. Zur Feststellung der Zuständigkeit kann jedes mit dem Rechtsstreit befasste Gericht das im Rechtszug höhere Gericht anrufen (§ 58 Abs 2 SGG ). Unter "Rechtsstreit" iS des § 58 Abs 2 SGG ist neben dem Hauptsacheverfahren bereits das Gesuch auf PKH in einem sozialgerichtlichen Verfahren zu verstehen (vgl BSG vom 11.5.2018 - B 11 SF 5/18 S - RdNr 2). Hier ist das Hauptsacheverfahren mangels Zustellung der Klage zwar noch nicht rechtshängig (§ 94 Satz 2 SGG ). Über das PKH-Gesuch ist jedoch in jedem Falle zu entscheiden.

Das wegen des Wohnortes der Kläger an sich gemäß § 202 Satz 2 SGG iVm § 201 Abs 1 GVG erstinstanzlich zuständige LSG für das Saarland ist bezogen auf dieses Begehren an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich gehindert. Streitgegenstand der Klage, für die die Kläger PKH beantragt haben, ist eine Entschädigung wegen der Dauer eines noch nicht abgeschlossenen Gerichtsverfahrens, das sich derzeit in der Berufung befindet. Von der Ausübung des Richteramtes sind indes Berufsrichter nach § 60 Abs 1 SGG iVm § 41 Nr 7 ZPO in Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer ausgeschlossen, wenn sie in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt haben, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird. Für eine Mitwirkung genügt nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung grundsätzlich jede tatsächliche Befassung mit der Sache (ausführlich dazu BSG vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - BSGE 124, 136 = SozR 4-1720 § 198 Nr 16, RdNr 15 ff; BSG vom 11.5.2018 - B 11 SF 5/18 S - RdNr 3; Flint in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , 1. Aufl 2017, § 60 RdNr 41 f).

Wie vom LSG im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, haben an dem Gerichtsverfahren zum Az L 4 AS 36/17 bis auf zwei alle am LSG für das Saarland derzeit tätigen Berufsrichter mitgewirkt, denn diese haben entweder Verfügungen als Berichterstatter bzw Vertreter getroffen oder waren an Beschlüssen über Ablehnungsgesuche beteiligt. Sind alle Richter eines Gerichts von der Mitwirkung ausgeschlossen, liegt eine rechtliche Hinderung an der Ausübung der Gerichtsbarkeit vor (vgl BSG vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - BSGE 124, 136 = SozR 4-1720 § 198 Nr 16, RdNr 19; BSG vom 11.5.2018 - B 11 SF 5/18 S - RdNr 3). Dem steht es gleich, wenn zwar nicht alle Richter ausgeschlossen sind, aber die durch § 33 Abs 1 SGG vorgesehene Besetzung eines Senats mit einem Vorsitzenden und zwei weiteren Berufsrichtern - wie hier - nicht mehr gewährleistet ist.

Zum zuständigen Gericht wird das LSG Rheinland-Pfalz mit Sitz in Mainz bestimmt. Es ist das zum Wohnort der Kläger am nächsten gelegene gemäß § 202 Satz 2 SGG iVm § 201 Abs 1 GVG sachlich für Entschädigungsklagen zuständige Gericht.

Vorinstanz: LSG Saarland, vom 27.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 SF 1/19