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BSG - Entscheidung vom 11.04.2019

B 5 RE 1/19 B

Normen:
SGB VI § 2 S. 1 Nr. 9

BSG, Beschluss vom 11.04.2019 - Aktenzeichen B 5 RE 1/19 B

DRsp Nr. 2019/8278

Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als selbständiger Versicherungsvertreter Tätigwerden für mehrere Gesellschafter einer GbR Jeweils zurechenbarer Umfang einer Beschäftigung

1. Wenn ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer für mehrere in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossene Selbständige arbeitet, wird er von den selbständig Tätigen nur in dem ihnen wirtschaftlich jeweils zurechenbaren Umfang "beschäftigt". 2. Dies gilt auch für Selbständige, die unter § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI fallen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. November 2018 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I., J. zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGB VI § 2 S. 1 Nr. 9 ;

Gründe:

Mit Urteil vom 22.11.2018 hat das LSG Niedersachsen-Bremen eine Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2012 als selbstständiger Versicherungsvertreter nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI bejaht. Der Kläger war in dieser Zeit zusammen mit einem Geschäftspartner als gleichberechtigter Gesellschafter in einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) tätig.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG . Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I., J., beantragt.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG , 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,

"ob die vom Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 7/10 R, für eine GbR entwickelten Grundsätze auch für andere Personengesellschaften und die Rentenversicherungspflicht der Gesellschafter gelten sollen, ob also die Arbeitsentgelte der Arbeitnehmer auf die Gesellschafter auch bei einer OHG oder anderen Personengesellschaften bei der Feststellung der Rentenversicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI aufgeteilt werden müssen".

Hieraus lässt sich gerade noch hinreichend erkennbar eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt einer revisiblen Norm iS von § 162 SGG entnehmen (vgl zu diesem Erfordernis: Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7).

Es fehlt im Hinblick auf die vom Kläger formulierte Rechtsfrage zu § 2 S 1 Nr 9 SGB VI an einer substantiierten Darlegung der Klärungsbedürftigkeit.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG und ggf des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).

Der Kläger geht nicht ausreichend auf das Urteil des BSG vom 29.8.2012 (B 12 R 7/10 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 16) ein, auf das das LSG sich maßgeblich gestützt hat. In dieser Entscheidung hat das BSG ausgeführt: Wird ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer für mehrere in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossene Selbstständige tätig, wird er von den selbstständig Tätigen nur in dem ihnen wirtschaftlich jeweils zurechenbaren Umfang iS des § 2 S 1 Nr 1, 2, 7 und 9 SGB VI "beschäftigt". Dementsprechend entfalle die Rentenversicherungspflicht eines selbstständigen Lehrers, der seine Tätigkeit als Mitunternehmer und Mitgesellschafter einer GbR ausübe, nur dann, wenn sich beim Aufteilen des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers ergebe, dass auch mit diesem Entgeltanteil die Grenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV überschritten werde. Diese Auslegung trage dem Schutzzweck des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI hinreichend Rechnung, der das Sicherungsbedürfnis der dort genannten Selbstständigen davon abhängig mache, ob diese allein wirtschaftlich dazu in der Lage seien, einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer zu beschäftigen (aaO RdNr 24). Dasselbe Kriterium gilt nach der Rechtsprechung des BSG für die Schutzbedürftigkeit der Selbstständigen, die unter § 2 S 1 Nr 9 SGB VI fallen (BSGE 95, 238 = SozR 4-2600 § 2 Nr 5, RdNr 16 bis 18).

Die Beschwerdebegründung weist lediglich darauf hin, dass die Entscheidung vom 29.8.2012 (aaO) nur eine GbR, nicht hingegen alle Personengesellschaften betreffe und diesem Urteil zudem ein anderer Sachverhalt zugrunde liege. Der Kläger zeigt allerdings nicht substantiiert auf, warum sich die von ihm aufgeworfene Frage nach dieser Entscheidung nicht beurteilen lässt. So geht er insbesondere nicht darauf ein, warum unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI für Gesellschafter einer OHG etwas anderes gelten sollte als für Gesellschafter einer GbR. Diesem Erfordernis wird der Kläger auch nicht durch den Hinweis gerecht, die Gesellschafter einer OHG schlössen sich anders als der Einzelkaufmann gerade zusammen, um gemäß der Rechtsprechung des BSG so erhebliche Vorteile zu erzielen, dass sie sich außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung absichern könnten und damit nicht mehr typischerweise schutzbedürftig seien. Auch die GbR ist kein Einzelkaufmann; eine Einmann-GbR gibt es nicht (Sprau in Palandt, BGB , 78. Aufl 2019, § 705 RdNr 1). Die GbR besteht vielmehr - ebenso wie die OHG - aus mindestens zwei Gesellschaftern. Ebenso wenig zeigt die Beschwerdebegründung einen wesentlichen Unterschied zwischen GbR und OHG mit dem Argument auf, die OHG könne sozialversicherungsrechtlicher Arbeitgeber sein und sei es hier auch für die Angestellten gewesen. Die GbR kann (als Außengesellschaft) ebenfalls Arbeitgeber sein (BAG Urteil vom 30.10.2008 - 8 AZR 397/07 - Juris RdNr 24) und war es auch in dem vom BSG am 29.8.2012 entschiedenen Rechtsstreit (aaO RdNr 3). Abgesehen davon hat das BSG in dieser Entscheidung nicht auf die Arbeitgeberstellung der Gesellschaft abgestellt. Vielmehr hat es die Frage des Bestehens bzw Nichtbestehens der Rentenversicherungspflicht der in einer GbR zusammengeschlossenen Selbstständigen davon abhängig gemacht, ob der ihnen jeweils "wirtschaftlich" zurechenbare Anteil am Entgelt des Arbeitnehmers die Grenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV überschreitet.

Für eine nähere Auseinandersetzung mit dem Urteil des BSG vom 29.8.2012 in dem dargestellten Zusammenhang hätte umso mehr Anlass bestanden, als die Entscheidung auch auf "Gesellschafter von Personengesellschaften" bzw die "selbständige Tätigkeit als Gesellschafter einer GbR und damit einer Personengesellschaft" eingeht (vgl aaO RdNr 21).

2. Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann dem Kläger für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht gewährt werden (vgl § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 22.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 194/17
Vorinstanz: SG Lüneburg, vom 28.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 34 R 272/14