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BSG - Entscheidung vom 24.07.2019

B 12 KR 30/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 103
SGG § 62
SGG § 128 Abs. 2

BSG, Beschluss vom 24.07.2019 - Aktenzeichen B 12 KR 30/19 B

DRsp Nr. 2019/12091

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Voraussetzungen einer Gehörsrüge Kenntnisnahme und Berücksichtigung von Parteivortrag

1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden, wobei nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten beschieden werden muss.2. Darlegungen der Prozessparteien müssen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden. Der Gehörsanspruch ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. April 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem oben bezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; GG Art. 103 ; SGG § 62 ; SGG § 128 Abs. 2 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) nebst Säumniszuschlägen. Er hatte bis zum 31.5.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen und war deshalb versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Nachdem ihn die Beklagte auf das mit dem Wegfall des Leistungsbezugs einhergehende Ende des Versicherungsschutzes hingewiesen und der Kläger erklärt hatte, weiterhin Mitglied bleiben zu wollen, setzte die Beklagte für die Zeit ab 1.6.2013 Beiträge zur GKV und sPV nach den Mindesteinnahmen für freiwillig Versicherte fest. Sie lehnte den Antrag des Klägers auf Erlass von Beiträgen ab und setzte die Beiträge zur GKV und sPV für die Zeit ab 1.1.2014 sowie eine Beitragsforderung nebst Mahngebühr und Säumniszuschlägen von 1107,07 Euro fest (Bescheide vom 15., 20. und 23.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 14.2.2014). Das SG Osnabrück hat die Verwaltungsentscheidung der Beklagten hinsichtlich der Mahngebühren aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 5.3.2015). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen. Zwar habe der Kläger einen Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung nicht erklärt. Bei der Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V seien die Beiträge aber wie bei einem freiwillig Versicherten festzusetzen (Beschluss vom 5.4.2019). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, für die er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt hat.

II

1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO ). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.

Das BSG darf nach § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), der angefochtene Beschluss von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Allein deren inhaltliche Unrichtigkeit kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen. Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht der Akten haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der vorgenannten Gründe ergeben. Es ist nicht ersichtlich, dass ein beizuordnender Prozessbevollmächtigter einen der genannten Zulassungsgründe im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen könnte.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine solche Rechtsfrage ist vorliegend nicht ersichtlich.

Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch hierfür ist nichts ersichtlich.

Schließlich fehlen Anhaltspunkte dafür, dass gegen die Entscheidung des LSG durchgreifende Verfahrensrügen erhoben werden könnten. Die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 GG , §§ 62 , 128 Abs 2 SGG ) ist nicht zu erkennen. Dieser Anspruch soll zwar ua sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden. Das Prozessgericht hat jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten zu bescheiden. Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, deren Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG [Kammer] Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 , 216). Solche Umstände sind weder dargetan noch zu erkennen.

Auch eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) ist nicht ersichtlich. Hinweise darauf, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, Beweis zu erheben (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9), liegen nicht vor. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass ein anderer Leistungsträger derart an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt wäre, dass auch ihm gegenüber eine Entscheidung nur einheitlich ergehen könnte und er daher hätte beigeladen werden müssen (§ 75 Abs 2 SGG ). Soweit der Kläger die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung beanstandet, kann dies - wie bereits ausgeführt wurde - nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

2. Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

3. Da der Kläger die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG wirksam nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte einlegen kann (§ 73 Abs 4 SGG ), entspricht das von ihm selbst eingelegte Rechtsmittel nicht der gesetzlichen Form. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist daher ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 05.04.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 106/15
Vorinstanz: SG Osnabrück, vom 05.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 13 KR 52/14