Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 31.07.2019

B 13 R 215/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 112 Abs. 2 S. 2
SGG § 123

BSG, Beschluss vom 31.07.2019 - Aktenzeichen B 13 R 215/18 B

DRsp Nr. 2019/13453

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Rüge der Verletzung von richterlichen Hinweispflichten Wiedergabe des Ablaufs und Inhalts der mündlichen Verhandlung

1. Ohne eine Wiedergabe des Ablaufs und Inhalts der mündlichen Verhandlung kann das Revisionsgericht nicht entscheiden, ob eine gerügte Verletzung von richterlichen Hinweispflichten tatsächlich vorliegen kann. 2. Allein aus dem Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und einer teilweisen Nichtbescheidung eines klägerischen Begehrens im Urteil kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass dieses Begehren nicht im Verlauf der mündlichen Verhandlung beschränkt und deshalb entgegen § 123 SGG übergangen wurde.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Juli 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 112 Abs. 2 S. 2; SGG § 123 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 17.7.2018 hat das LSG Baden-Württemberg einen gesamtschuldnerischen Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf eine Altersrente in Höhe von monatlich 700 Euro verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

II

Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Der Kläger macht ausschließlich geltend, das LSG-Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), weil das LSG nicht erkannt habe, dass sein - iS von § 123 SGG - erhobener Anspruch bezüglich der Beklagten zu 2) und 3) nicht auf eine Rente nach dem SGB VI , sondern auf Schadensersatz in Form eines Staatshaftungsanspruchs gerichtet gewesen sei. Indem ihn das LSG nicht zur Klarstellung seines Begehrens aufgefordert und auf die Stellung eines entsprechenden Antrags hingewirkt habe, habe es gegen §§ 106 Abs 1 , 112 Abs 2 SGG verstoßen. Zugleich habe es seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG ) verletzt, weil es dieses, aus der Klage- und Berufungsbegründung deutlich zu erkennende Begehren übergangen und unter Verletzung von § 17a Abs 2 GVG die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) für unzulässig gehalten habe, anstatt sie an das zuständige Zivilgericht zu verweisen.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 , Juris RdNr 4; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG , Juris RdNr 29). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zulegen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33, Juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33, Juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. So hat der Kläger nicht hinreichend deutlich gemacht, dass er sein auf Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) und 3) aus § 839 BGB iVm Art 34 GG gerichtetes Begehren tatsächlich bis zum Ende der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat. Insbesondere versäumt er es unter Bezug auf das Protokoll und den Inhalt der mündlichen Verhandlung darzulegen, dass die konkrete Antragsfassung - der Kläger schreibt hierzu, er habe "zuletzt beantragt" - nicht Gegenstand der Erörterungen war. Ohne eine Wiedergabe des Ablaufs und Inhalts der mündlichen Verhandlung kann der Senat jedoch nicht darüber befinden, ob die gerügte Verletzung der richterlichen Hinweispflichten, die sich für das sozialgerichtliche Verfahren aus § 106 Abs 1 bzw § 112 Abs 2 S 2 SGG ergeben, tatsächlich vorliegen kann. Allein aus dem Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und der teilweisen Nichtbescheidung des darin artikulierten Begehrens im Urteil kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass dieses Begehren nicht im Verlauf der mündlichen Verhandlung beschränkt und deshalb entgegen § 123 SGG übergangen wurde.

Darüber hinaus hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt, dass die Entscheidung auf dem gerügten Verfahrensmangel - dessen Vorliegen unterstellt - beruhen kann. Hierzu führt er aus, das LSG habe den Rechtsstreit hinsichtlich der Ansprüche aus § 839 BGB iVm Art 34 GG nach § 17a Abs 2 GVG an ein Zivilgericht verweisen müssen. Jedoch führt er nicht aus, ob das LSG nach § 17a Abs 5 GVG hierzu überhaupt berechtigt gewesen sein könnte. Danach prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, selbst dann nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, wenn das erstinstanzliche Gericht die sich im Hinblick auf die Zulässigkeit des Rechtswegs ergebenden Fragen übersehen bzw rechtsfehlerhaft beantwortet hat (vgl hierzu BSG Beschluss vom 20.10.2010 - B 13 R 63/10 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 29).

Im Übrigen gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß auch für einen - vom Kläger ohnehin nicht ausdrücklich gerügten - Verfahrensmangel aufgrund einer Verletzung von § 123 SGG wegen Verkennung des Streitgegenstands (zu einem solchen Verfahrensmangel vgl BSG Beschluss vom 29.3.2001 - B 7 AL 214/00 B - SozR 3-1500 § 123 Nr 1; BSG Beschluss vom 13.6.2013 - B 13 R 454/12 B - Juris RdNr 13 ff). Auch ein solcher Mangel wird vom Kläger aus den genannten Gründen nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügend bezeichnet.

Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 17.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 9 R 1071/18
Vorinstanz: SG Mannheim, vom 16.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 23/17