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BSG - Entscheidung vom 11.09.2019

B 3 KR 80/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 62
GG Art. 103 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 11.09.2019 - Aktenzeichen B 3 KR 80/18 B

DRsp Nr. 2019/16303

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs Beruhen einer Entscheidung auf einer Gehörsverletzung

Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 160a Abs. 2 Satz 3 SGG für die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist dann ausreichend dargelegt, wenn sich aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, welches Vorbringen verhindert wurde und inwiefern das Urteil darauf beruhen kann und dass der Beschwerdeführer seinerseits alles Zumutbare getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. November 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 62 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

I

Das LSG hat - wie bereits das SG - die Gewährung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 1.12.2014 bis 21.8.2015 abgelehnt, weil nach der ärztlichen Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit (AU) für den Zeitraum bis zum 30.11.2014 eine Folge-AU-Bescheinigung erst am Montag, den 1.12.2014 ausgestellt worden sei. Um nach der Beendigung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Klägers seine darauf beruhende Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Anspruch auf Krg aufrechtzuerhalten, bedürfe es nahtloser AU-Bescheinigungen, mit denen das Fortbestehen der AU jeweils spätestens am letzten Tag der zuletzt bescheinigten AU ärztlich festgestellt werde. Dies gelte selbst dann, wenn der bescheinigte AU-Zeitraum an einem Sonntag ende. In diesem Fall bestehe die Möglichkeit, entweder den behandelnden Arzt rechtzeitig zuvor zur Feststellung der weiteren AU aufzusuchen oder den hausärztlichen Notfalldienst in Anspruch zu nehmen. Ein Ausnahmefall hiervon liege auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BSG nicht vor. Der Kläger habe sich erst am 1.12.2014 um einen Arztkontakt bemüht, um seine AU über den 30.11.2014 hinaus ärztlich feststellen zu lassen.

Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und rügt einen Verfahrensfehler wegen Verletzung rechtlichen Gehörs sowie eine Abweichung von der Rechtsprechung des erkennenden Senats (§ 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger das Vorliegen von Gründen für die Zulassung der Revision nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ist die Rüge bestimmter Verfahrensmängel allerdings ausgeschlossen bzw eingeschränkt.

Der Kläger sieht sich verfahrensfehlerhaft in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 , 5 Art 103 Abs 1 GG ) verletzt, weil er zunächst vom Ausgang des Verfahrens in erster Instanz mit der Maßgeblichkeit des Ausstellungsdatums der Folgebescheinigung der AU vollkommen überrascht gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG habe die Sitzungsvertreterin der Beklagten dem Gericht ein Schreiben überreicht, in das er und sein Prozessbevollmächtigter keine Einsicht hätten nehmen können. Der genaue Inhalt sei nicht bekannt; es solle sich aber um ein auf den 16.4.2014 datierendes von der Beklagten an ihn gerichtetes Hinweisschreiben über die Erforderlichkeit lückenloser AU-Bescheinigungen handeln. Der Kläger macht geltend, das LSG hätte seine Ausführungen, die er noch zu dem Schreiben gemacht hätte, zur Kenntnis nehmen und in seine Erwägungen einbeziehen müssen. Das Urteil des LSG beruhe auf der Gehörsverletzung, denn nach der "Entscheidung des BSG vom 18.1.2018" sei es denkbar, dass ein Krg-Anspruch nach einer Lücke trotzdem auf der Basis des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gegeben sein könne.

Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) wird mit diesen Ausführungen nicht hinreichend dargelegt. Ein solcher Verstoß liegt nur vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (vgl zB BSG Beschluss vom 20.8.2008 - B 13 R 217/08 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 4.8.2004 - B 13 RJ 167/03 B - juris RdNr 8). Ein Urteil darf nicht auf Tatsachen gestützt werden, die den Beteiligten zuvor nicht bekannt gegeben wurden (§ 128 Abs 2 SGG ). Deshalb erfordert die hinreichende Bezeichnung eines Verfahrensmangels iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG für die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs den Vortrag, welches Vorbringen verhindert wurde und inwiefern das Urteil darauf beruhen kann, sowie darüber hinaus hinreichende Darlegungen dazu, dass der Beschwerdeführer seinerseits alles Zumutbare getan habe, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16d mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Sie enthält keine Darlegungen dazu, welches Vorbringen verhindert worden sein könnte, noch ergibt sich, dass die Entscheidung des LSG auf dem vermeintlichen Verfahrensfehler beruhen könnte. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass sich das Urteil des LSG auf das dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten nicht bekannt gegebene Schreiben stützen könnte. Dieses Schreiben wird in den Entscheidungsgründen des Urteils nicht erwähnt, und der Kläger stellt auch selbst keinen Bezug zwischen den Urteilsgründen und dem genannten Schreiben dar. Allein der Hinweis, dass ein Krg-Anspruch nach der Rechtsprechung des BSG auch bei lückenhaften AU-Bescheinigungen auf der Basis des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht ausgeschlossen sei, wird den Darlegungsanforderungen an eine Gehörsverletzung nicht gerecht. Denn hierzu fehlen jegliche Ausführungen zu den Voraussetzungen, die grundsätzlich erfüllt sein müssen, um trotz lückenhafter AU-Bescheinigungen einen Krg-Anspruch aufrecht zu erhalten und zudem Darlegungen dazu, dass im Falle des Klägers diese Voraussetzungen vorliegen könnten.

2. Der Kläger hat auch eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht hinreichend dargelegt. Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine die Revisionszulassung begründende Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).

Solche Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Allein der Umstand, dass eine bestimmte BSG -Entscheidung im Urteil des LSG nicht benannt ist, kann die Zulassung der Revision wegen einer Divergenz nicht begründen, selbst wenn nach dieser Entscheidung ein Krg-Anspruch über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auch bei lückenhaften AU-Bescheinigungen gegeben sein könnte.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 15.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 KR 532/16
Vorinstanz: SG Wiesbaden, vom 14.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 2 KR 100/15