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BSG - Entscheidung vom 10.07.2019

B 13 R 157/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103
SGG § 118 Abs. 1 S. 1
ZPO § 373

BSG, Beschluss vom 10.07.2019 - Aktenzeichen B 13 R 157/18 B

DRsp Nr. 2019/12078

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Rüge der Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht Merkmale eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags

Ein Beweisantrag ist in prozessordnungsgerechter Weise formuliert, wenn er sich auf ein Beweismittel der ZPO bezieht, das Beweisthema möglichst konkret angibt und insoweit wenigstens erkennen lässt, was die Beweisaufnahme ergeben soll.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 22. Mai 2018 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ; SGG § 118 Abs. 1 S. 1; ZPO § 373 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 22.5.2018 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Mit der Beschwerdebegründung hat er zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt.

II

1. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Sächsischen LSG vom 22.5.2018 ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG ua nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die vom Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen LSG vom 22.5.2018 nicht erfolgreich sein kann. Der Kläger hat PKH für eine von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten bereits eingelegte und bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 28.8.2018 bereits begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Die Revision wäre daher nur zuzulassen, wenn mit dieser Beschwerde einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG genannten Zulassungsgründe in der gemäß § 160a Abs 2 S 3 SGG vorgeschriebenen Form dargelegt wäre. Solche Erfolgsaussicht besteht hier nicht, weil die Beschwerde unzulässig ist (dazu unten 2.).

Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

2. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungserfordernissen des § 160a Abs 2 S 3 SGG und ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

Der Kläger beruft sich ausschließlich darauf, das LSG-Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), weil das LSG "gegen seine Aufklärungspflicht nach § 103 SGG verstoßen" habe.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 , 82 - Juris RdNr 4; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG , Juris RdNr 29). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 64 f - Juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - Juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.

Zwar trägt der Kläger in der Beschwerdebegründung vom 27.8.2018 vor, nach den letzten medizinischen Ermittlungen des LSG diesem mit Schriftsätzen vom 4.4., 11.4. und 17.5.2018 weitere, zT noch nicht aktenkundige medizinische Befunde vorgelegt und die Einholung ergänzender Stellungnahmen der gerichtlich bestellten Gutachter hierzu beantragt zu haben. Zudem habe er beantragt, eine Ärztin zu verpflichten, eine ihrem Befundbericht vom 8.10.2009 beigefügte, jedoch nicht in den Gerichtsakten vorhandene Anlage vorzulegen. Schließlich habe der Schriftsatz vom 17.5.2018 "mit dem Antrag auf Einholung eines (weiteren) fachinternistischen und infektiologischen Sachverständigengutachtens" geschlossen, der ausführlich erläutert und begründet worden sei. Die Auffassung des LSG, den Anträgen, insbesondere dem Beweisantrag vom 17.5.2018 aus Rechtsgründen nicht nachgehen zu müssen, sei rechtsfehlerhaft. Damit hat der Kläger die Umstände des Berufungsverfahrens jedoch nicht in einer Weise dargestellt, dass sich der Verfahrensmangel bei Zugrundelegung der Angaben der Beschwerdebegründung allein aus dieser schlüssig ergibt.

Die Rüge der unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 73/16 B - Juris RdNr 9 mwN).

Mit der Unterscheidung von "Anträgen bzw. ... dem Beweisantrag ... vom 17.05.2018" auf Seite 4 seiner Beschwerdebegründung räumt der Kläger bereits ein, dass es sich bei den von ihm in den Schriftsätzen vom 4.4., 11.4. und 17.5.2018 formulierten Anträgen - anders als zur Darlegung eines Verstoßes gegen § 103 SGG erforderlich - mehrheitlich nicht um formgerechte Beweisanträge gehandelt hat. Ein ordnungsgemäßer Beweisantrag iS des § 118 Abs 1 S 1 SGG , § 373 ZPO muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll ( BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - Juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). Dies wird in der Beschwerdebegründung für keinen der dort bezeichneten Anträge dargelegt. Insbesondere fehlt auch dem auf Vorlage der Anlage zum Befundbericht vom 8.10.2009 gerichteten "Beweisantrag" aus dem Schriftsatz vom 17.5.2018 die Angabe eines konkreten Beweisthemas. Statt um rügefähige Beweisanträge handelte es sich nach dem Beschwerdevorbringen bei den Anträgen des Klägers jeweils um bloße Beweisanregungen, deren Übergehen durch das Berufungsgericht mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig geltend gemacht werden kann.

Darüber hinaus legt der Kläger - anders als erforderlich - nicht dar, dass sich das LSG auf Grundlage seiner Rechtsauffassung zu weiterer Sachaufklärung hätte gedrängt sehen müssen bzw es im Ergebnis der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Der Vortrag, die Auffassung des LSG, den Anträgen müsse bereits aus Rechtsgründen nicht nachgegangen werden, sei "rechtsfehlerhaft", ist hierfür gerade nicht geeignet. Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 22.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KN 1035/15
Vorinstanz: SG Dresden, vom 14.10.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 24 KN 126/14