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BSG - Entscheidung vom 21.08.2019

B 8 SO 28/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 153 Abs. 5
SGG § 202
ZPO § 547 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 21.08.2019 - Aktenzeichen B 8 SO 28/19 B

DRsp Nr. 2019/13732

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Fehlende Anhörung vor Übertragung einer Entscheidung auf den Einzelrichter Kein absoluter Revisionsgrund wegen Möglichkeit der Rückübertragung

1. Wird verfahrensfehlerhaft vor Übertragung der Entscheidung auf den Einzelrichter nach § 153 Abs. 5 SGG ein Kläger nicht angehört, führt dies nicht zu einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank und damit zu einem absoluten Revisionsgrund.2. Die Sache kann nämlich durch Beschluss des Senats wieder auf den Senat zurückübertragen werden, wenn sich erst nach der Übertragung auf den Berichterstatter wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage erweist, dass die Sache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist oder grundsätzliche Bedeutung hat.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. März 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen das bezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 153 Abs. 5 ; SGG § 202 ; ZPO § 547 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Nachdem der Beklagte der Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) beziehenden Klägerin nach einem zweimonatigen Aufenthalt in Polen in einer persönlichen Vorsprache die mWv 1.7.2017 in das SGB XII eingefügten Regelungen des § 41a SGB XII erläutert hatte, hat die Klägerin im September 2017 beim Sozialgericht ( SG ) Frankfurt Klage gegen die Anwendung des § 41a SGB XII auf zukünftige Auslandsaufenthalte erhoben. Das SG hat die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.2.2018). Die Berufung zum Hessischen Landessozialgericht (LSG) hat keinen Erfolg gehabt (Urteil vom 6.3.2019). Mangels Verwaltungsakt scheide eine Anfechtungsklage aus; auch eine vorbeugende Feststellungsklage sei unzulässig, da es an einem qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die allgemeine Unanwendbarkeit des § 41a SGB XII könne die Klägerin nicht vorab geltend machen; im Übrigen fehle es mangels eines konkret bevorstehenden Auslandsaufenthalts an einem hinreichend konkreten Sachverhalt, der Gegenstand einer vorbeugenden Feststellungsklage sein könne.

Die Klägerin hat hiergegen beim Bundessozialgericht ( BSG ) Beschwerde eingelegt und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG beantragt. Es liege ein Härtefall vor, da sie regelmäßig ihre Eltern und die Familie in Polen besuchen müsse. Sie sei außerdem von den Gerichten nicht persönlich angehört worden.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] iVm § 114 Zivilprozessordnung [ZPO]); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Klärungsbedürftige Rechtsfragen wegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer (vorbeugenden) Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG ) stellen sich angesichts der gefestigten Rechtsprechung des BSG zur Notwendigkeit eines hinreichend konkreten Lebenssachverhalts oder einem hinreichend konkret bevorstehenden Verwaltungshandeln in Form belastender Maßnahmen nicht (vgl BSG vom 5.7.2018 - B 8 SO 21/16 R - SozR 4-3500 § 94 Nr 1 RdNr 17; BSG vom 15.6.2016 - B 4 AS 36/15 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 90 RdNr 18, jeweils mwN). Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig.

Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Insbesondere durfte das LSG in Abwesenheit der Klägerin eine mündliche Verhandlung durchführen und sodann durch Urteil entscheiden, ohne deren Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl Art 103 Grundgesetz [GG]; § 62 SGG ) zu verletzen. Denn die Klägerin war zu diesem Termin ordnungsgemäß durch Zustellung der Terminmitteilung geladen worden. Da sie sich nicht vor der Verhandlung, sondern erst einen Tag danach an das LSG gewandt hat, hat sie jedenfalls von zumutbaren Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, keinen Gebrauch gemacht. Ohnehin stellt sich die Entscheidung des LSG in der Sache als zutreffend dar, sodass auch nicht ersichtlich ist, welcher Vortrag in der Sache der Klägerin zum Erfolg hätte verhelfen können.

Zwar hat das LSG verfahrensfehlerhaft vor Übertragung der Entscheidung auf den Einzelrichter nach § 153 Abs 5 SGG die Klägerin nicht angehört (vgl dazu BSG vom 21.9.2017 - B 8 SO 3/16 R - SozR 4-1500 § 153 Nr 16). Dies führt allerdings nicht zu einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank und damit zu einem absoluten Revisionsgrund (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO ), denn die Sache kann durch Beschluss des Senats wieder auf den Senat zurückübertragen werden, wenn sich erst nach der Übertragung auf den Berichterstatter wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage erweist, dass die Sache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist oder grundsätzliche Bedeutung hat ( BSG vom 21.9.2017 - B 8 SO 3/16 R - SozR 4-1500 § 153 Nr 16 RdNr 16). Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Klägerin Umstände vortragen könnte, aus denen sich eine die Zurückübertragung berechtigende Änderung der Prozesslage ergeben könnte. Unabhängig davon, dass die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend war und sich möglicherweise schon deshalb nicht auf die Verletzung rechtlichen Gehörs berufen kann, fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Erfolgsaussicht in der Hauptsache (vgl zu dieser Voraussetzung nur Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 73a RdNr 7c mwN). Mangels konkret bevorstehendem Auslandsaufenthalt und daher auch nicht vorhersehbarer Dauer einer Abwesenheit der Klägerin fehlt es an einem hinreichend konkreten Lebenssachverhalt, der als "Rechtsverhältnis" Gegenstand einer Feststellungsklage sein könnte. Ein Feststellungsinteresse ist daher nicht ersichtlich (vgl BSG vom 5.7.2018 - B 8 SO 21/16 R - SozR 4-3500 § 94 Nr 1 RdNr 17; BSG vom 15.6.2016 - B 4 AS 36/15 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 90 RdNr 18, jeweils mwN).

Da der Klägerin keine PKH zusteht, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO nicht in Betracht.

Die von der Klägerin selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Sie kann beim BSG wirksam nur durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt werden (§ 73 Abs 4 SGG ). Darauf ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils hingewiesen worden. Die Entscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 06.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 SO 58/18
Vorinstanz: SG Frankfurt/Main, vom 08.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 20 SO 149/17