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BSG - Entscheidung vom 30.07.2019

B 5 R 256/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 30.07.2019 - Aktenzeichen B 5 R 256/18 B

DRsp Nr. 2019/13166

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Begriff der Gehörsverletzung Unberücksichtigt gebliebener Beteiligtenvortrag

1. Die Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass eine Entscheidung frei von Fehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben könnten. 2. Von einer Gehörsverletzung kann ausgegangen werden, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe:

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Urteil vom 18.7.2018 hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen solchen Anspruch des Klägers verneint und seine Berufung gegen das Urteil des SG Aachen vom 25.9.2017 zurückgewiesen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) sowie eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Beschwerdebegründung rügt zunächst, das LSG habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG ) verletzt, weil es ihn nicht näher zu seiner letzten Tätigkeit befragt und nicht darauf hingewiesen habe, dass die "einseitig unterstellte Tätigkeit als Automatenauffüller eine entscheidungserhebliche Rolle" spiele. Damit bezeichnet der Kläger nicht hinreichend einen Verfahrensmangel aufgrund einer Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG . Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Fehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben könnten. Eine Gehörsverletzung liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN). Dass dies hier nicht der Fall gewesen wäre, trägt der Kläger nicht vor. Voraussetzung für den Erfolg einer Rüge eines Gehörsverstoßes ist zudem ua, dass der Beschwerdeführer, der hier in der mündlichen Verhandlung anwesend war und angehört worden ist, darlegt, seinerseits alles ihm Zumutbare getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 28.6.2019 - B 1 KR 50/18 B - Juris RdNr 7). Auch hieran fehlt es.

Soweit der Kläger eine Hinweispflicht des Gerichts annimmt, verkennt er, dass es einen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene, bestimmte Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern, nicht gibt (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 6.5.2019 - B 8 SO 2/19 B - Juris RdNr 11 mwN).

Im Kern rügt der Kläger mit seinem Vortrag, das LSG habe seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt, weil es ihn nicht zu seiner letzten Tätigkeit befragt habe. Ein Beschwerdeführer kann aber nicht im Wege einer Gehörsrüge als Verfahrensfehler geltend machen, dass das LSG sich zu Beweiserhebungen nicht veranlasst gesehen hat. Die Beschwerdebegründung darf die insoweit einschlägigen, aber nur eingeschränkt möglichen Verfahrensrügen nicht umgehen. Auf die Verletzung des § 103 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag zeigt die Beschwerdebegründung jedoch - auch im Hinblick auf die beanstandete unterlassene Nachfrage bei dem Arbeitgeber des Klägers sowie die unterlassene "Auswertung" des Lohnrahmenabkommens für die Angestellten des Groß- und Außenhandels - nicht auf. Deshalb ist die Beschwerde auch unzulässig, soweit der Kläger ausdrücklich eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG rügt.

Soweit der Kläger mit seinem Vortrag eine aus seiner Sicht unzutreffende Beurteilung seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit und deren tariflicher Einstufung durch das LSG rügt, kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nach dem Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG hierauf nicht gestützt werden.

Zum Zulassungsgrund der Divergenz fehlt es an jeder Begründung iS des § 160a Abs 2 S 3 SGG .

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 18.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 3 R 949/17
Vorinstanz: SG Aachen, vom 25.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 25 R 340/16