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BSG - Entscheidung vom 24.10.2019

B 12 KR 95/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 24.10.2019 - Aktenzeichen B 12 KR 95/19 B

DRsp Nr. 2020/7929

Verbeitragung von Übergangszahlungen zur KV Höherversorgung einer Ärzteversorgung in Form einer Berufsunfähigkeitsrente Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Oktober 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Beitragserhebung der Beklagten auf Übergangszahlungen aus einer Höherversorgung der Ärzteversorgung Niedersachsen in Form einer Berufsunfähigkeitsrente. Das SG Stade hat die Klage dagegen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 10.9.2018). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen. Bei der Ärzteversorgung handele es sich um eine berufsständische Versorgungseinrichtung der freien Berufe nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V . Die von der Ärzteversorgung bezogenen Leistungen seien daher als Versorgungsbezug iS von § 229 SGB V anzusehen. Unerheblich sei, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Einrichtung handele und ob die Mitgliedschaft freiwillig oder verpflichtend sei. Auch auf die steuerrechtliche Einordnung als "private Rentenversicherung" komme es nicht an (Urteil vom 24.10.2019). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG zu demselben Gegenstand abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Eine solche Abweichung hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Er behauptet eine Divergenz zu der Entscheidung des BVerfG vom 27.6.2018 ( 1 BvR 100/15, 1 BvR 249/15 - juris). Dazu zitiert er eine längere Passage aus den Entscheidungsgründen des BVerfG und fasst diese dann selbst dahingehend zusammen, dass Zahlungen von Institutionen oder aus Versicherungsverträgen nicht grundsätzlich im Rahmen einer "institutionellen Abgrenzung" der betrieblichen Altersvorsorge zugeordnet werden dürften; vielmehr komme es auf die die Beiträge zahlende Person und die sonstigen Modalitäten an. Damit hat der Kläger bereits keinen klar bestimmten Rechtssatz aus den Entscheidungen des BVerfG bezeichnet, sondern erkennbar seine eigene Interpretation der Entscheidungsgründe in den Vordergrund gestellt.

Als Abweichung von der Entscheidung des BVerfG macht er geltend, das LSG sei zu der pauschalen Schlussfolgerung gelangt, dass Leistungen aus einer Höherversicherung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung grundsätzlich beitragspflichtig seien. Es handele damit gerade auf die Weise, die das BVerfG als "institutionelle Abgrenzung" bezeichne. Die Umstände des Einzelfalles seien nicht betrachtet worden. Außerdem habe das BVerfG aus Art 3 Abs 1 GG abgeleitet, dass bei Versorgungsleistungen stets darauf zu achten sei, ob diese möglicherweise eher mit einer privaten beitragsfreien Versorgungsleistung zu vergleichen seien. Auch dies solle im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung erfolgen.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Kläger nicht auf, mit welchem klar bestimmten Rechtssatz das LSG von der Entscheidung des BVerfG abgewichen sein soll. Indem er eine falsche Einzelfallentscheidung aufgrund fehlerhafter Schlussfolgerung rügt, wird vielmehr deutlich, dass er letztlich die Richtigkeit der Entscheidung angreift; diese ist jedoch nicht zulässiger Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde (stRspr; vgl bereits BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10; BSG Beschluss vom 13.11.2019 - B 13 R 125/18 B - juris RdNr 13). Eine Divergenz besteht nicht schon dann, wenn das Berufungsgericht einen höchstrichterlichen Rechtssatz missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewendet haben sollte (vgl BSG Beschluss vom 25.10.2019 - B 9 SB 40/19 B - juris RdNr 8 mwN).

Davon abgesehen beschäftigt sich der Kläger auch nicht damit, ob die Fallkonstellation, die das BVerfG entschieden hat, zu einem vergleichbarem Sachverhalt ergangen ist (vgl BSG Beschluss vom 13.12.2017 - B 5 R 256/17 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 18.9.2017 - B 12 R 7/17 B - juris RdNr 9). Denn beide vom BVerfG entschiedenen Fälle betreffen - wie der Kläger selbst mitteilt - Renten von Pensionskassen der betrieblichen Altersversorgung iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V , nicht aber Renten einer für Angehörige bestimmter Berufe errichteten Versicherungs- und Versorgungseinrichtung nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V - wie sie hier vorliegt.

Soweit der Kläger die Notwendigkeit der Einzelfallentscheidung statt einer institutionellen Abgrenzung aus der Entscheidung des BVerfG ableiten will, zeigt er im Übrigen auch nicht auf, dass die Berufungsentscheidung auf der behaupteten Divergenz beruht. Dies ist nur dann der Fall, wenn die angefochtene Entscheidung bei Zugrundelegung des Rechtssatzes, von dem angeblich abgewichen worden ist, anders hätte ausfallen müssen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 15 mwN). Insoweit teilt der Kläger jedoch nicht mit, welche nach der Entscheidung des BVerfG relevanten Einzelfallumstände hier zu einer anderen Beurteilung hätten führen sollen. Dafür reicht nicht allein der Hinweis, das LSG habe unberücksichtigt gelassen, dass die Höherversicherung ohne Beitun des Arbeitgebers vom Beschwerdeführer selbst finanziert worden sei. Denn der Kläger zitiert das BVerfG selbst mit der Aussage, dass eine Differenzierung zwischen privater und betrieblicher Altersversorgung allein nach der die Versicherungsbeiträge finanzierenden Person ausscheidet. Weitere konkrete vom LSG festgestellte Tatsachen, weshalb im vorliegenden Fall das Versorgungsverhältnis aus dem beruflichen Bezug gelöst sein soll, hat der Kläger aber nicht genannt. Insoweit legt er auch nicht hinreichend dar, aus welchem Grund die Versorgungsleistungen hier eher mit privaten Versorgungsleistungen vergleichbar sein sollten (vgl hierzu zuletzt BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 12 KR 2/19 R - SozR 4 (vorgesehen), juris RdNr 21 <Seelotsen>).

2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger hält "die Frage nach der Beitragspflichtigkeit von Leistungen aus einer Höherversicherung" für grundsätzlich bedeutsam.

Es kann offenbleiben, ob der Kläger damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer revisiblen Norm des Bundesrechts 162 SGG ) mit höherrangigem Recht formuliert hat. Er hat jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Die Beschwerdebegründung lässt aber jede Auseinandersetzung mit den Vorschriften der §§ 226 , 228 , 229 SGB V zu den beitragspflichtigen Einnahmen anhand des Vergleichsmaßstabs des Zahlbetrags der Rente und der Grundsätze der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl ua BSG Urteil vom 15.2.1989 - 12 RK 15/88 - SozR 2200 § 180 Nr 48 S 210; BSG Urteil vom 30.3.1995 - 12 RK 40/94 - SozR 3-2500 § 229 Nr 6 S 23; BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 10/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 6 RdNr 36) vermissen. Allein die Behauptung, die aufgeworfene Rechtsfrage sei höchstrichterlich bisher nicht geklärt, reicht hierfür nicht.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 24.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 409/18
Vorinstanz: SG Stade, vom 10.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 29 KR 300/17