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BSG - Entscheidung vom 11.07.2019

B 3 KR 62/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 11.07.2019 - Aktenzeichen B 3 KR 62/18 B

DRsp Nr. 2019/11987

Rückerstattung von Vergütung an eine Krankenkasse durch einen Leistungserbringer Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis Keine Regelung durch Verwaltungsakt und kein Vorverfahren

1. Die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen eines Leistungserbringers bzw. öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche, mit denen eine Krankenkasse ohne Rechtsgrund erbrachte Zahlungen von einem Leistungserbringer zurückfordert, stellen einen Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis dar.2. Eine Regelung durch Verwaltungsakt ist in diesem Zusammenhang nicht möglich und folglich ist auch ein Vorverfahren nicht durchzuführen.

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9405,87 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Ein Bescheid der klagenden Krankenkasse, mit dem sie die Zulassung der Beklagten zur Leistungserbringung im Bereich der Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie wegen nicht den Zulassungsbedingungen entsprechenden Praxisräumen mit Wirkung zum 12.10.2010 widerrufen hatte, war bestandskräftig geworden, nachdem die dagegen gerichtete Klage rechtskräftig abgewiesen wurde (Gerichtsbescheid des SG vom 27.7.2011 - S 29 KR 1197/10; Urteil des LSG vom 14.5.2013 - L 4 KR 302/11; Nichtzulassungsbeschluss des BSG vom 9.12.2013 - B 1 KR 91/13 B).

Auf die anschließend von der Klägerin erhobene Zahlungsklage ist die Beklagte zur Rückerstattung der für die Zeit vom 12.10.2010 bis 31.12.2011 von der Klägerin gezahlten Vergütungen in Höhe von 9405,87 Euro zzgl Zinsen verurteilt worden (Gerichtsbescheid vom 14.12.2016). Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, der Widerrufsbescheid der Klägerin dürfe wegen seiner Bestandskraft nicht nochmals auf seine Rechtmäßigkeit geprüft werden. Die Klägerin habe einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, denn nach der Rechtsprechung des BSG bestehe kein Vergütungsanspruch für Leistungen, die unter Verstoß gegen Vorschriften erbracht worden seien. Die Praxisausstattung habe für die zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung erhebliche Bedeutung. Die Vergütung der Leistungen sei trotz der widerrufenen Zulassung keine Erfüllung einer Nichtschuld gemäß § 814 BGB und die Rückforderung kein treuwidriges Verhalten (§ 242 BGB ), weil die Klägerin wegen der aufschiebenden Wirkung der von der Beklagten eingelegten Rechtsbehelfe zur Vergütung der Leistungen verpflichtet gewesen sei (Urteil vom 10.7.2018).

Mit der Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) geltend.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beklagte den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Beklagte hält zunächst folgende Frage für klärungsbedürftig:

"Stellt die Aufforderung einer Krankenkasse, hier der AOK, auf Rückerstattung von Vergütung durch den Leistungserbringer, hier der Beklagten, einen Verwaltungsakt dar."

Sie bezieht sich auf die Ausführungen des LSG, dass die Aufforderung der Klägerin zur Vergütungserstattung aufgrund des Gleichordnungsverhältnisses nicht durch Verwaltungsakt ergehe, sodass der Widerspruch der Beklagten ohne rechtliche Relevanz sei. Dazu führt sie aus, die Klägerin trete der Beklagten öffentlich-rechtlich, hoheitlich entgegen. Es würden keine Absprachen getroffen, sondern die Klägerin mache zwangsweise Vorgaben und handle dabei in Ausführung der ihr übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben. Die Beklagte habe daher Widerspruch gegen einen sie beschwerenden Verwaltungsakt eingelegt, über den noch nicht entschieden worden sei. Dies verletze die Beklagte in ihren Rechten. Die hierzu aufgeworfene Rechtsfrage habe über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, sei entscheidungserheblich und klärungsbedürftig.

Die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage ist jedoch nicht hinreichend dargelegt. Das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Leistungserbringer ihre Zahlungsansprüche gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung im Wege der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend machen. Dabei handelt es sich um einen Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt und ein Vorverfahren nicht durchzuführen ist (vgl hierzu zB BSGE 120, 122 = SozR 4-2500 § 129 Nr 11, RdNr 14 mwN; BSG Urteil vom 20.12.2018 - B 3 KR 6/17 R - Juris, RdNr 14, für SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 9.4.2019 - B 1 KR 2/18 R - Juris RdNr 7; ausführlich auch BSGE 123, 268 = SozR 4-2500 § 129 Nr 12, insbesondere RdNr 17 ff mwN). Das gilt in gleicher Weise auch für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche, mit denen die Krankenkasse ohne Rechtsgrund erbrachte Zahlungen von dem Leistungserbringer zurückfordert (vgl hierzu insbesondere BSG SozR 4-2500 § 124 Nr 4 RdNr 14 mwN). Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beklagte in der Beschwerdebegründung nicht auseinander. Es ist insbesondere nicht dargelegt, dass vor dem Hintergrund dieser ständigen Rechtsprechung noch grundsätzlicher Klärungsbedarf in Bezug auf die aufgeworfene Rechtsfrage bestehen könnte.

Darüber hinaus hält die Beklagte folgende Frage für klärungsbedürftig:

"Sind im Heilmittelerbringerrecht generell dieselben Praxisausstattungsanforderungen, insbesondere zur Raumgröße, einzuhalten, insbesondere die Rahmenempfehlungen des GKV-Spitzenverbandes, oder ist hierzu zwischen den verschiedenen Typen von Heilmittelerbringern, insbesondere bei Logopäden, in den Anforderungen an die Praxisausstattung zu unterscheiden."

Sie führt hierzu aus, die Beklagte benötige als Logopädin zur ordnungsgemäßen Ausübung ihres Berufes keine besonderen Vorrichtungen oder Installationen. Es sei lediglich die Größe des Raumes und nicht ausreichende Trennungen von Therapie- und Privatraum beanstandet worden. Der vollständige Vergütungsausschluss verstoße gegen das Übermaßverbot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie gegen die Berufsausübungsfreiheit (Art 12 GG ).

Das LSG hat demgegenüber jedoch ausgeführt, der Widerrufsbescheid dürfe wegen seiner Bestandskraft im vorliegenden Verfahren nicht nochmals auf seine Rechtmäßigkeit geprüft werden. Vor diesem Hintergrund erschließt sich die Entscheidungserheblichkeit der von der Beklagten aufgeworfenen Rechtsfrage nicht. Hierzu enthält die Beschwerdebegründung auch keine weiteren Darlegungen. Zudem hat sich der Senat auch schon mit den Anforderungen an die Praxisausstattung von Heilmittelerbringern befasst (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 124 Nr 4 RdNr 27 f mwN) sowie mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Berufsausübungsfreiheit bei der Rückforderung von Vergütungsansprüchen (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 124 Nr 4 RdNr 35 f mwN). Die Beklagte setzt sich auch mit dieser Rechtsprechung nicht auseinander, sodass auch diesbezüglich ein über die bereits ergangene Rechtsprechung hinausgehender Klärungsbedarf nicht hinreichend dargelegt ist.

Schließlich ist die Beklagte der Auffassung, dass die analoge Anwendung der Rechtsgrundsätze des Einwandes der Erfüllung einer Nichtschuld gemäß § 814 BGB (analog) sowie des treuwidrigen Verhaltens der Klägerin (§ 242 BGB ) hier eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Dabei verkennt sie jedoch, dass in der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht die grundsätzliche Anwendung dieser Einwände ausgeschlossen, sondern das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Einwände verneint wird, da die Klägerin wegen der aufschiebenden Wirkung der eingelegten Rechtsbehelfe zunächst zur Zahlung verpflichtet gewesen sei. Da sich die Beklagte in der Beschwerdebegründung mit dieser Argumentation nicht auseinandersetzt, ist hier die Entscheidungserheblichkeit der Frage nach der analogen Anwendung der dargelegten Rechtsgrundsätze nicht hinreichend dargelegt.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO .

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 10.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 675/16
Vorinstanz: SG München, vom 14.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 44 KR 1902/15