Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 13.03.2019

B 5 R 11/18 BH

Normen:
SGB VI § 248 Abs. 3 S. 1

BSG, Beschluss vom 13.03.2019 - Aktenzeichen B 5 R 11/18 BH

DRsp Nr. 2019/6019

Rentenrechtliche Berücksichtigung einer Pflichtbeitragszeit Rentenrechtliche Zeiten im Beitrittsgebiet Tatsächliche Beitragszahlung nach DDR-Recht

1. Nach § 248 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 SGB VI stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08.05.1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Vorschriften, d.h. bis zum 02.10.1990, gezahlt worden sind. 2. Somit können als Beitragszeiten nur Zeiten berücksichtigt werden, für die Beiträge nach DDR-Recht tatsächlich gezahlt worden sind.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. Mai 2018 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGB VI § 248 Abs. 3 S. 1;

Gründe:

Mit Urteil vom 3.5.2018 hat das LSG Sachsen-Anhalt einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Zeit vom 1.3.1990 bis zum 27.3.2003 "als Pflichtbeitragszeit aus der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für Handwerker" verneint. Zwar sei der Kläger als (selbstständiger) Handwerker versicherungspflichtig gewesen. Beiträge zur Rentenversicherung seien jedoch in dieser Zeit nicht gezahlt worden und könnten auch wegen Verjährung der Beitragsforderung nicht mehr entrichtet werden. Allein die Eintragung in die Handwerksrolle in dem geltend gemachten Zeitraum reiche für die Berücksichtigung dieser Zeit als Pflichtbeitragszeit nicht aus.

Der Kläger hat für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

Der PKH-Antrag unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) iVm § 114 Abs 1 S 1 Zivilprozessordnung kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG PKH nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier zu verneinen. Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob im Fall des Klägers die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Berufungsgerichts (vgl §§ 160 , 160a SGG ) Erfolg haben könnte. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist bei Bewilligung von PKH für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht allein danach zu beurteilen, ob die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat. Vielmehr ist PKH auch dann zu versagen, wenn der Antragsteller - selbst bei erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde - letztlich in der Sache nicht erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen will. Die PKH hat nicht den Zweck, Bedürftigen die Durchführung solcher Verfahren zu ermöglichen, welche im Ergebnis nicht zu ihrem Vorteil ausgehen können und die daher ein vernünftiger Rechtsuchender nicht auf eigene Kosten führen würde (vgl BSG SozR 4-1500 § 73a Nr 2 RdNr 3).

So verhält es sich hier. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.3.1990 bis zum 27.3.2003, in der er nach Auskunft der Handwerkskammer in D. in die Handwerksrolle eingetragen war, als Pflichtbeitragszeit nach § 149 Abs 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch ( SGB VI ) nicht zu.

Feststellungsfähige Daten nach dieser Norm sind Daten hinsichtlich der Beitragszeiten und sonstigen rentenrechtlichen Zeiten ( BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 3 S 5).

Rentenrechtliche Zeiten im Beitrittsgebiet sind ua in der Sozialversicherung Arbeitsjahre als Zeiten einer versicherungspflichtigen Tätigkeit (Art 2 § 18 Nr 1 Buchst a aa Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets vom 25.7.1991 - BGBl I 1606 - RÜG). Gemäß Art 2 § 19 Abs 1 RÜG sind Zeiten einer versicherungspflichtigen Tätigkeit Zeiten, in denen nach den im Beitrittsgebiet geltenden Rechtsvorschriften Versicherungspflicht zur Sozialversicherung oder zur gesetzlichen Rentenversicherung bestand, für die Beiträge nicht erstattet worden sind. Die Versicherungspflicht zur Sozialversicherung erfasste Personen, die Arbeitsentgelt oder Einkommen erzielten, das entsprechend den Rechtsvorschriften der Beitragspflicht unterlag, soweit nichts anderes bestimmt war. Damit wurden von der Rentenversicherungspflicht im Beitrittsgebiet grundsätzlich auch alle selbstständig Tätigen erfasst (vgl jurisPK-SGB VI/Knorr, 2. Aufl 2013, § 229a RdNr 4 und 8; KassKomm/Gürtner, § 229a SGB VI RdNr 3 - Stand März 2016; § 19 Abs 1 der Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR vom 9.12.1977 - GBl der DDR I 1978 Nr 1 S 1; § 10 Abs 1 Gesetz über die Sozialversicherung - SVG - vom 28.6.1990 - GBl der DDR I Nr 38 S 486). Nach diesen Vorgaben setzen Pflichtversicherungszeiten iS von Art 2 § 19 Abs 1 RÜG im Beitrittsgebiet Beitragszahlungen zur Pflichtversicherung voraus (vgl auch §§ 39 , 48 Abs 1 und 3 SVG ). § 248 Abs 3 S 1 Halbs 1 SGB VI bestimmt ausdrücklich, dass den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8.5.1945 gleichstehen, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Vorschriften, dh bis zum 2.10.1990, gezahlt worden sind. Als Beitragszeiten können mithin nur Zeiten berücksichtigt werden, für die Beiträge nach DDR-Recht tatsächlich gezahlt worden sind (KassKomm/Gürtner, § 248 SGB VI RdNr 19 - Stand Juni 2018).

Gemäß § 55 Abs 1 S 1 und 2 SGB VI , der mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten ist, sind Pflichtbeitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, oder nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Nach § 197 Abs 1 SGB VI , der ebenfalls zum 1.1.1992 in Kraft getreten ist, sind Pflichtbeiträge wirksam, wenn sie gezahlt worden sind, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist. Das Vorliegen einer Pflichtbeitragszeit ist danach von der tatsächlichen fristgemäßen Zahlung von Beiträgen oder der Fiktion ihrer Zahlung abhängig.

Nach all diesen Bestimmungen hat der Kläger im Zeitraum vom 1.3.1990 bis zum 27.3.2003 keine Pflichtbeitragszeit zurückgelegt.

Beiträge zur Rentenversicherung sind nicht gezahlt worden. Eine gesetzlich angeordnete Fiktion der Beitragszahlung für versicherungspflichtige Handwerker existiert nicht. Vielmehr hat das Gesetz in § 251 Abs 1 SGB VI bei versicherungspflichtigen Handwerkern, die in die Handwerksrolle eingetragen sind und für diese Zeiten keine Beiträge gezahlt haben, die Anerkennung von Ersatzzeiten vorgesehen, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen des § 250 SGB VI erfüllt sind (vgl jurisPK-SGB VI/Fleck, 2. Aufl 2013, § 251 RdNr 13; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI , § 251 RdNr 1 - Stand Januar 2008).

Da es dem Kläger um die Feststellung von Pflichtbeitragszeiten ohne die Erhebung von Beiträgen geht, bedarf es keiner Prüfung, ob für ihn die Möglichkeit bestünde, ausnahmsweise Beiträge nachzuzahlen (vgl hierzu § 197 Abs 3 SGB VI und KassKomm/Peters, § 197 SGB VI RdNr 4 und 20 - Stand Mai 2017).

In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 3.5.2018 hat der Kläger sein Feststellungsbegehren ausdrücklich auf die Zeit vom 1.3.1990 bis zum 27.3.2003 beschränkt. Sonstige Zeiten sind damit nicht mehr streitbefangen; die angefochtenen Bescheide sind insoweit bestandskräftig geworden.

Vorinstanz: LSG Sachsen-Anhalt, vom 03.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 149/14
Vorinstanz: SG Halle, vom 26.02.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 762/12