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BSG - Entscheidung vom 26.06.2019

B 6 KA 18/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 26.06.2019 - Aktenzeichen B 6 KA 18/18 B

DRsp Nr. 2019/11077

Rechtmäßigkeit der Zuweisung eines Regelleistungsvolumens Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2783,76 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

Der Kläger, ein im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) sowohl im hausärztlichen als auch im fachärztlichen Versorgungsbereich zugelassener Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinder-Lungen- und Bronchialheilkunde, begehrt höheres Honorar für das Quartal 2/2012.

Die Beklagte wies dem Kläger für dieses Quartal auf der Grundlage der Fallzahl des Vorjahresquartals (2/2011 - 305 Fälle) zunächst ein Regelleistungsvolumen ( RLV ) von 11 795,43 Euro sowie ein Qualifikationsgebundenes Zusatzvolumen (QZV) von 8181,50 Euro zu. Nachdem der Kläger in seinem Widerspruch vom 29.10. bzw 19.11.2012 gegen die RLV -Zuweisung vom 29.2.2012 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) und den Honorarbescheid vom 13.10.2012 um eine Anhebung des RLV gebeten hatte, da seine Fallzahl im Vorjahresquartal krankheitsbedingt stark unterdurchschnittlich gewesen sei, entschied die Beklagte, für die Berechnung des im Quartal 2/2012 maßgeblichen RLV und QZV die Fallzahl des Klägers im Quartal 2/2008 (387 Fälle) heranzuziehen (Härtefallbescheid vom 11.12.2012). Bei der Umsetzung im gesonderten RLV -Korrekturbescheid vom 11.12.2012 erhöhte die Beklagte dementsprechend das RLV auf 14 863,69 Euro, während das QZV unverändert blieb. Dementsprechend wies eine "Nachberechnung zum Honorarbescheid Quartal 2/2012" vom 14.3.2013 einen Korrekturbetrag von (brutto) 2470,93 Euro zugunsten des Klägers sowie ein Gesamthonorar von 23 716,49 Euro für RLV -relevante Leistungen aus. Von dem für RLV -relevante Leistungen angeforderten Honorar von 26 500,25 Euro blieben danach insgesamt 2783,76 Euro unvergütet. Den nach der Härtefallentscheidung weder zurückgenommenen noch näher spezifizierten Widerspruch wies die Beklagte ohne weitere Begründung zurück (Widerspruchsbescheid vom 1.10.2014).

Mit seiner Klage hat der Kläger beanstandet, dass ihm für seine pädiatrisch-pneumologischen Leistungen im Umfang von ca 10 150 Euro lediglich ein QZV Kinderpneumologie in Höhe von 5101,59 Euro zuerkannt worden sei. Die Sonderregelung zur Bestimmung des RLV und der QZV für Kinderärzte mit Schwerpunkt Kinderpneumologie in Teil B Ziffer 2.4 des Honorarverteilungsmaßtabs (HVM) der Beklagten in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung verstoße gegen die Grundsätze der Honorarverteilung und der leistungsproportionalen Vergütung. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28.6.2016), das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 23.1.2018). Die Regelung in Teil B Ziffer 2.4 HVM, nach der Kinderärzte mit Schwerpunkt Kinder-Lungen- und Bronchialheilkunde abweichend von der Bestimmung in Teil B Ziffer 2.1 kein gesondertes RLV , sondern das niedrigere RLV der Kinderärzte erhielten und das dadurch frei werdende Verteilungsvolumen zugunsten einer Erhöhung der QZV dieser Arztgruppe eingesetzt werde, überschreite nicht den seit der Neugestaltung der vertragsärztlichen Vergütung ab 1.1.2012 erweiterten Gestaltungsspielraum der Beklagten. Es sei hinzunehmen, dass aufgrund dieser Regelung einzelne Kinderärzte leichte Honorarverluste erlitten, während sie für andere Ärzte der Fachgruppe mit hohen QZV-relevanten Fallzahlen vorteilhaft sei.

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Er macht eine Rechtsprechungsabweichung sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG ).

II

1. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Es liegt weder die primär geltend gemachte Rechtsprechungsabweichung vor noch kommt der Sache rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu.

a) Eine Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) setzt voraus, dass das LSG seiner Entscheidung einen Rechtssatz tragend zugrunde gelegt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG widerspricht. Das ist hier nicht der Fall.

Der Kläger macht geltend, das LSG-Urteil enthalte den Rechtssatz, dass eine KÄV in ihrem HVM abweichend von den entsprechenden Bundesvorgaben für einen Arzt trotz dessen Zuordnung zur Arztgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt KinderLungen- und Bronchialheilkunde den niedrigeren RLV -Fallwert der Arztgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin zugrunde legen dürfe. Demgegenüber sei Entscheidungen des BSG der Rechtssatz zu entnehmen, dass eine HVM-Regelung der KÄV, die von den Beschlüssen des Erweiterten Bewertungsausschusses ([E]BewA) abweiche, rechtswidrig sei (Hinweis auf BSG Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 31/08 R - BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 22, sowie auf BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 47/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 3 RdNr 19). Beide Rechtssätze seien nicht miteinander vereinbar und hierauf beruhe die Entscheidung des LSG.

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger zwar eine Rechtsprechungsabweichung in formeller Hinsicht hinreichend bezeichnet (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ). Indes liegt die behauptete Divergenz bei genauer und vollständiger Betrachtung der Rechtssätze, die vom BSG bzw im hier angefochtenen LSG-Urteil entwickelt worden sind, unter Einbeziehung der ihnen zugrunde liegenden Rechtsvorschriften nicht vor. Zum einen lässt der Kläger außer Acht, dass nach den zutreffenden Ausführungen des LSG der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 87b SGB V zum 1.1.2012 durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV- VStG - vom 22.12.2011, BGBl I 2983) die Regelungskompetenz für die Verteilung der vertragsärztlichen Vergütung, die bis dahin beim (E)BewA lag, wieder auf die KÄVen verlagert und damit deren Gestaltungsspielraum erheblich erweitert hat (vgl Gesetzentwurf zum GKV- VStG , BT-Drucks 17/6909 S 65 f - zu Nummer 24 [§ 87b]: "Die Vergütung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte erfolgt künftig wieder im Rahmen einer regionalen Honorarverteilung, die nach haus- und fachärztlichen Versorgungsbereichen getrennt wird. Verantwortlich hierfür ist ausschließlich die Kassenärztliche Vereinigung, die hierzu einen Honorarverteilungsmaßstab im Benehmen mit den Krankenkassen erlässt. [...] Auf Verfahrensvorgaben des Bewertungsausschusses zur Honorarverteilung wird verzichtet."). Vor diesem Hintergrund können Rechtssätze aus Entscheidungen des BSG zur Rechtslage in den Jahren 2005 bis 2008 ( BSG Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 31/08 R - BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 12 bzw 14) bzw im Jahr 2009 ( BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 47/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 3 RdNr 1 f) nicht ohne Weiteres auf die ab 1.1.2012 maßgebliche Rechtslage übertragen werden. Zum anderen regelte der ab 1.4.2012 geltende HVM der Beklagten in Teil B Ziffer 1.1 S 1 ausdrücklich, dass die RLV/QZV nach den Vorgaben der Anlage 1 zum HVM - dh nach den Beschlüssen, die der BewA im Zeitraum vom 26.3.2010 [218. Sitzung] bis zum 31.8.2011 [262. Sitzung] zu den RLV gefasst hat - zu berechnen waren, "soweit in diesem HVM nichts Abweichendes bestimmt ist". Damit wurde der neuen Rechtslage, die eine Bindung der regionalen KÄVen an Vorgaben des (E)BewA zur Honorarverteilung nicht mehr vorsah, Rechnung getragen.

Schließlich berücksichtigt der Kläger nicht, dass die bis Ende 2011 maßgeblichen "Bundesvorgaben" des (E)BewA speziell für die Arztgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinder-Lungen- und Bronchialheilkunde überhaupt keine Vorschriften enthielten, die dem Vorgehen der Beklagten entgegenstanden. Vielmehr waren gemäß Ziffer 2.1 des Beschlusses Teil F Abschnitt I des BewA in seiner 218. Sitzung am 26.3.2010 und Anlage 2 Ziffer 4 hierzu RLV zwingend nur (ua) für "Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin" zu bilden. Hingegen sah Anlage 2 Ziffer 3 (aaO) lediglich vor, dass durch die KÄVen Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit (Versorgungs-)Schwerpunkt entsprechenden Arztgruppen zugeordnet werden "können". Eine bundesrechtliche Verpflichtung zur Bildung eines eigenständigen RLV gerade für Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinder-Pneumologie lässt sich daraus auch für den bis 2011 maßgeblichen Zeitraum nicht ableiten. Damit fehlt es an der Grundlage für die vom Kläger behauptete Divergenz.

b) Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) liegt nicht vor.

Der Kläger benennt folgende Rechtsfrage als klärungsbedürftig:

"Ist es mit den Grundsätzen der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der leistungsproportionalen Vergütung vereinbar, den nach Behandlungsfällen zugewiesenen RLV -Fallwert einer Arztgruppe abzusenken, um den hierdurch gewonnenen Differenzbetrag pauschal auf die nach Leistungsfällen zugewiesenen QZV dieser Arztgruppe zu verteilen?"

Die Zulässigkeit dieser Grundsatzrüge begegnet erheblichen Zweifeln insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass die Beklagte ihren HVM ab dem Quartal 4/2013 grundlegend umgestaltet hat (Ersetzung der RLV durch arztindividuelle Punktzahlvolumina [PZV]); dieser enthält seitdem die vom Kläger angegriffene landesrechtliche Regelung in Teil B Ziffer 2.4 des HVM in der ab dem Quartal 2/2012 geltenden Fassung nicht mehr. Die Benennung von lediglich zwei LSG-Aktenzeichen ohne nähere Angaben zum jeweiligen Streitgegenstand reicht nicht aus, um die weitere Klärungsbedürftigkeit einer auf bereits ausgelaufenes Recht bezogenen Rechtsfrage - insbesondere deren Breitenwirkung über den Einzelfall hinaus - hinreichend darzulegen (zu den Voraussetzungen für einen fortbestehenden Klärungsbedarf bei ausgelaufenem Recht vgl BSG Beschluss vom 28.6.2017 - B 6 KA 84/16 B - Juris RdNr 6 mwN).

Letztlich kann die Zulässigkeit dieser Rüge jedoch offenbleiben. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich und wäre somit in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Die in der Frage vorausgesetzte "Absenkung" des einer Arztgruppe "zugewiesenen" RLV -Fallwerts ist im hier streitbefangenen Quartal 2/2012 nicht erfolgt. Vielmehr kann die Regelung in Teil B Ziffer 2.4 des HVM in der ab dem 1.4.2012 maßgeblichen Fassung nur so verstanden werden, dass für Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinder-Lungen- und Bronchialheilkunde (ebenso wie nach Teil B Ziffer 2.3 für solche Fachärzte mit Schwerpunkt Kinderkardiologie) kein gesondertes RLV gebildet, sondern auch für diese Ärzte mit zusätzlichem Schwerpunkt das RLV der Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin herangezogen wird. Ernsthafte Gesichtspunkte, die dafür sprechen könnten, dass die Zugrundelegung eines einheitlichen RLV für alle Ärzte einer bestimmten Facharztgruppe gegen die Grundsätze der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der leistungsproportionalen Vergütung verstoßen könnte, sind jedenfalls dann nicht erkennbar, wenn - wie hier - zugleich die durch besondere Behandlungsschwerpunkte bedingten Besonderheiten mit Hilfe von qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina berücksichtigt werden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO und dem Umstand, dass das Rechtsmittel des Klägers ohne Erfolg geblieben ist.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 Abs 1 und 3 , § 52 Abs 3 S 1 GKG . Abweichend von den Vorinstanzen hat der Senat nur das nach der Erhöhung des RLV (Härtefallentscheidung vom 11.12.2012 und Nachberechnungsbescheid vom 14.3.2013) noch unvergütet gebliebene Volumen für RLV -relevante Leistungen im Quartal 2/2012 in Höhe von 2783,76 Euro der Streitwertfestsetzung zugrunde gelegt. Eine Erhöhung des noch streitigen Honorarbetrags um 25 %, die das LSG im Hinblick darauf vorgenommen hat, dass der Kläger aus prozessualen Gründen nicht nur den Honorarbescheid, sondern auch den bereits zuvor erlassenen RLV -Zuweisungsbescheid anfechten musste, ist nicht veranlasst. Sämtliche angefochtenen Bescheide betreffen aus Sicht des Klägers denselben für das Quartal 2/2012 zusätzlich geforderten Honorarbetrag und somit denselben Streitgegenstand iS des § 39 Abs 1 GKG (vgl auch § 45 Abs 1 S 3 GKG für den vergleichbaren Fall der Stellung eines Haupt- und Hilfsantrags).

Vorinstanz: LSG Schleswig-Holstein, vom 23.01.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KA 70/16
Vorinstanz: SG Kiel, vom 28.06.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 2 KA 541/14