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BSG - Entscheidung vom 05.11.2019

B 13 R 257/18 B

Normen:
SGB VI § 207

BSG, Beschluss vom 05.11.2019 - Aktenzeichen B 13 R 257/18 B

DRsp Nr. 2019/17193

Nachzahlung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung als Anrechnungszeiten Beitragslose Anrechnungszeiten

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber beim Abbau der rentenrechtlichen Bewertung von "beitragslosen" Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung gerade bei denjenigen Versicherten (hier: Absolventen von Hochschulen) ansetzt, die die dadurch bedingte Minderung ihrer Rentenanwartschaften und Renten finanziell voraussichtlich besser verkraften können.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. August 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGB VI § 207 ;

Gründe:

Mit Urteil vom 23.8.2018 hat das LSG Niedersachsen-Bremen das Recht des Klägers auf Nachzahlung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung für Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung, die bereits als Anrechnungszeiten berücksichtigt sind, verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und macht eine Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) geltend.

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 1.10.2018 genügt nicht der gesetzlichen Form, denn er hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargetan.

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4, jeweils mwN). Um die Klärungsbedürftigkeit aufzuzeigen, muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenkreis noch keine Entscheidung getroffen hat bzw dass sich aus der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Anhaltspunkte für dessen Beantwortung ergeben (vgl Senatsbeschluss vom 3.1.2011 - B 13 R 195/10 B - juris RdNr 9). Auch und insbesondere zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG , im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - juris RdNr 16 mwN).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger trägt vor, dass § 207 SGB VI für den Regelfall aller Akademiker gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, weil diesen die Schließung der - durch nachträgliche Gesetzesänderung entstandenen - Versorgungslücke durch Beitragsnachzahlungen für Zeiten schulischer und Hochschulausbildung verwehrt werde, während anderen Gruppen wie Langzeitstudenten, Selbständigen und im Ausland lebenden Deutschen die Nachzahlung für vergangene Zeiträume erlaubt werde. Überdies liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor, weil der Gesetzgeber diesen Zeiten ihre vormals bestehende Bewertung mit Rentenpunkten entzogen habe, ohne den Versicherten die Schließung der dadurch entstehenden Versorgungslücken zu erlauben.

Unabhängig davon, ob dem Kläger damit die Formulierung einer hinreichend konkreten Rechtsfrage gelingt, legt er jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Thematik nicht hinreichend dar. Hinsichtlich des behaupteten Grundrechtsverstoßes fehlt es - anders als erforderlich - bereits an jeglicher substanzieller Argumentation zum Bedeutungsgehalt der einfachgesetzlichen Norm, der Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung und der Verletzung der konkreten Regelung des GG (vgl zB BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 1 KR 79/16 B - juris RdNr 7), zu der hier insbesondere auch Ausführungen zu den Gemeinsamkeiten bzw Unterschieden der angesprochenen Vergleichsgruppen gehören müssten. Außerdem setzt sich der Kläger auch nicht ansatzweise mit der vom LSG zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit der Reduzierung der Anrechnungszeiten und der Abschmelzung der Bewertung von Zeiten schulischer Ausbildung auseinander (vgl BVerfG Beschluss vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272 -302 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; Senatsurteile vom 13.11.2008 - B 13 R 43/07 R - juris und vom 19.4.2011 - B 13 R 27/10 R - BSGE 108, 126 -144 = SozR 4-2600 § 74 Nr 3) und legt nicht dar, ob sich daraus Anhaltspunkte für die Beantwortung seiner Frage ergeben. Ein näheres Eingehen auf die Senatsentscheidung vom 19.4.2011 (BSGE 108, 126 = SozR 4-2600 § 74 Nr 3) wäre auch im Zusammenhang mit dem Hinweis des Klägers auf die überwiegend geschlossenen Versichertenbiografien von männlichen Akademikern geboten gewesen. Denn dort ist ausdrücklich nicht beanstandet worden, dass der Gesetzgeber beim Abbau der rentenrechtlichen Bewertung von "beitragslosen" Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung gerade bei denjenigen Versicherten (hier: Absolventen von Hochschulen) ansetzt, die die dadurch bedingte Minderung ihrer Rentenanwartschaften und Renten finanziell voraussichtlich besser verkraften können (vgl BSG Urteil vom 19.4.2011, aaO, RdNr 61-64).

2. Ebenfalls unzulässig ist die Beschwerde, soweit der Kläger eine Divergenz der angegriffenen Berufungsentscheidung zum Urteil des BSG vom 14.3.2006 - B 4 RA 55/04 R - geltend macht.

Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind insbesondere ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21). Diesen Anforderungen genügt die Begründung nicht.

Der Kläger zitiert zwar aus einer Entscheidung des BSG (Urteil vom 14.3.2006 - B 4 RA 55/04 R - BSGE 96, 83 = SozR 4-2600 § 166 Nr 2, RdNr 33). Es fehlt aber bereits an hinreichenden Ausführungen dazu, dass es sich bei dem von ihm herangezogenen Halbsatz des BSG , der aus einem mit "zB" eingeleiteten Klammerzusatz stammt, nicht nur um eine beiläufige Bemerkung im Umfeld der entschiedenen Rechtsfrage - also ein nicht divergenzfähiges obiter dictum (vgl BSG Beschluss vom 11.4.2016 - B 12 KR 57/15 B - juris RdNr 10) - handelt, sondern um einen tragenden Rechtssatz.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 23.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 12 R 71/17
Vorinstanz: SG Oldenburg, vom 28.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 234/16