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BSG - Entscheidung vom 19.06.2019

B 12 KR 3/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 19.06.2019 - Aktenzeichen B 12 KR 3/19 B

DRsp Nr. 2019/10061

Mitgliedschaft in einer Familienversicherung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. November 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 6.5.2013 bis 31.7.2014 freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder in dieser Zeit familienversichert war.

Der Kläger war als Karosseriebauer und Kfz-Techniker seit 1998 hauptberuflich selbstständig tätig und freiwilliges Mitglied der GKV. Nachdem er zuvor positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hatte, machte er in den Jahren 2011 bis 2013 Verluste. Gegenüber der Beklagten gab er wiederholt - zuletzt am 27.5.2015 - an, selbstständig zu sein. Als Wochenarbeitszeit nannte er fünf bis sechs Stunden, nachdem er zuvor 50 bis 60 Stunden angegeben hatte. Die Beklagte setzte ab 2013 wiederholt die Beiträge auf Grundlage der Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich Selbstständige fest. Ab 2013 war der Kläger immer wieder arbeitsunfähig erkrankt. Krankengeld erhielt er ab April 2013 nicht, weil sein nachgewiesenes Arbeitseinkommen negativ war. Seine diesbezügliche Klage blieb erfolglos (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 23.4.2015 - L 11 KR 5087/14 - Juris). Im Mai 2015 beantragte er die Erstattung seiner Beiträge zur GKV, weil er seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit sein Gewerbe "de facto" aufgegeben habe. Es sei über seine Ehefrau eine Familienversicherung in der GKV durchzuführen. Die Beklagte änderte die Beitragsbemessung des Klägers ab August 2014 in nebenberuflich selbstständig, erhob Beiträge nach der Mindeststufe für freiwillig Versicherte und erstattete Beiträge in Höhe von 2371,85 Euro. Im März 2016 meldete der Kläger sein Gewerbe ab. Das SG Freiburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.7.2018). Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das LSG Baden-Württemberg zurückgewiesen (Beschluss vom 30.11.2018). Der Kläger sei bis 31.7.2014 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten gewesen. Eine Aufgabe der hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit könne erst zum 1.8.2014 angenommen werden. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG.

II

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 30.11.2018 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9). Vorstehendes gilt auch für Beschlüsse des LSG nach § 153 Abs 4 S 1 SGG oder § 158 S 2 SGG (vgl § 153 Abs 4 S 3, § 158 S 3 SGG ).

Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 6.3.2019 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und macht das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) geltend.

1. Einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG bezeichnet der Kläger nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 202 ff). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens ist nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung aber nicht.

Der Kläger behauptet einen Verstoß gegen § 75 Abs 2 SGG , indem das LSG die Beiladung der Krankenkasse der Ehefrau des Klägers unterlassen habe. Dabei unterlässt der Kläger aber Ausführungen dazu, inwieweit das Bestehen einer Familienversicherung überhaupt Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens war bzw hätte überhaupt sein können. So hat der Kläger im Klage- und Berufungsverfahren neben der Aufhebung der Bescheide der Beklagten lediglich beantragt, jene zu verpflichten, ab 6.5.2013 Beiträge eines nebenberuflich Selbstständigen festzusetzen und zu viel gezahlte Beiträge zu erstatten. Die Feststellung einer Familienversicherung hat der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht beantragt.

2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger wirft auf Seite 3 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:

"Setzt ein Anspruch auf Familienversicherung die deklaratorische Aufgabe der hauptberuflich selbständigen Tätigkeit voraus bzw. die Erklärung, die vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestandene hauptberufliche selbständige Tätigkeit gar nicht mehr aufnehmen zu wollen, wenn in Realität kein Gewinn mehr erzielt wird, durchgehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigt ist und nur noch vier bis sechs Stunden die Woche nachweislich gearbeitet wird, und ist in Verbindung damit für einen vorübergehenden Zeitraum eine Familienversicherung möglich, auch wenn nur ersichtlich ist, dass eine vorübergehende Behinderung an der Tätigkeitsausübung vorliegen könnte, allerdings über einen längeren Zeitraum hinweg?"

a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil der Kläger keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht ( BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

b) Darüber hinaus legt der Kläger auch die Klärungsbedürftigkeit der in den Raum gestellten Frage nicht dar. Er befasst sich weder mit der Rechtslage noch mit der Rechtsprechung (ua BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 3/08 R - SozR 4-2500 § 10 Nr 9; zur vergleichbaren Betriebsaufgabe [§ 18 EStG] vgl BFH Urteil vom 28.10.2009 - I R 99/08 - BFHE 227, 83 , BStBl II 2011, 1019 ). Schließlich setzt er sich auch nicht mit der Frage auseinander, inwieweit es sich bei der Feststellung einer (weiterhin ausgeübten) selbstständigen Tätigkeit um eine Tatsachen- und nicht um eine Rechtsfrage handelt.

c) Unabhängig hiervon legt der Kläger auch die Klärungsfähigkeit nicht dar. Wie bereits ausgeführt befasst er sich nicht damit, dass die Feststellung einer Familienversicherung nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 30.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 2669/18
Vorinstanz: SG Freiburg, vom 18.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 KR 4937/15