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BSG - Entscheidung vom 29.05.2019

B 9 V 16/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 29.05.2019 - Aktenzeichen B 9 V 16/19 B

DRsp Nr. 2019/9421

Leistungen nach dem OEG Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung Bitte eines Prozessbevollmächtigten um einen rechtlichen Hinweis

1. Ein Gericht ist nicht verpflichtet, einen Prozessbevollmächtigten entsprechend seiner Bitte um einen rechtlichen Hinweis, falls "weitere Ausführungen als nötig erachtet" würden, vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen. 2. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse des jeweiligen Verfahrens einzuhalten.3. Ein Rechtsanwalt muss ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß begründen können.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. März 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge der am 6.1.2011 gegen ihren Pflegesohn ausgeübten Gewalttat und die Gewährung einer Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von wenigstens 25 nach dem Opferentschädigungsgesetz ( OEG ). Das LSG hat den geltend gemachten Anspruch verneint (Beschluss vom 25.3.2019).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 2.5.2019 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil der von ihr allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG , wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl Senatsbeschluss vom 31.1.2018 - B 9 V 63/17 B - Juris RdNr 6; Senatsbeschluss vom 30.11.2017 - B 9 V 35/17 B - Juris RdNr 4). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht ansatzweise gerecht.

Sie trägt vor: Die Rechtsache habe insoweit grundsätzlich Bedeutung, dass "ein Mangel der nötigen Beachtung der von der Klägerin in einer schriftlichen Stellungnahme dargelegten Punkte zu ihrem Gesundheitszustand seitens des LSG stattgefunden hat. Diese Stellungnahme - Hinzuziehung des Berichtes der Klinik Heiligendamm - wurde nicht hinreichend bei der Entscheidung bewertet." Mit diesem allein auf ihren Einzelfall bezogenen Vorbringen hat die Klägerin weder eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit einer revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht bezeichnet noch deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dargetan. Im Kern handelt es sich bei ihrem Vorbringen vielmehr um eine Rüge der Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG ). Auf einen solchen Angriff kann jedoch nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde - auch im Rahmen einer Grundsatzrüge - nicht gestützt werden.

2. Der Senat war nicht verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin entsprechend seiner Bitte in der Beschwerdebegründung um einen rechtlichen Hinweis, falls "weitere Ausführungen als nötig erachtet" würden, vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG . § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 9.1.2019 - B 9 SB 62/18 B - Juris RdNr 8 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 25.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 10 VE 55/16
Vorinstanz: SG Hildesheim, vom 18.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 VE 22/14