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BSG - Entscheidung vom 17.01.2019

B 8 SO 73/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 17.01.2019 - Aktenzeichen B 8 SO 73/18 B

DRsp Nr. 2019/4380

Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit einer Entscheidung

Auch eine vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit einer Entscheidung eröffnet die Revisionsinstanz nicht, weil Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde nicht die Frage sein kann, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. September 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Der - prozessunfähige - Kläger begehrt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) auch für die Zeit von April bis Juni 2012.

Der Beklagte hob die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen ab 1.4.2012 auf, weil der sozialhilferechtlich relevante Bedarf des Klägers nach der Bewilligung von Wohngeld unter Berücksichtigung der ihm gewährten Erwerbsminderungsrente gedeckt sei (Bescheid vom 21.3.2012; Widerspruchsbescheid vom 15.5.2012). Die Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts [SG] Berlin vom 5.11.2015; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Berlin-Brandenburg vom 20.9.2018). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, die vom Kläger behaupteten Mehrbedarfe nach dem SGB XII , insbesondere wegen Schwerbehinderung, bestünden nicht. Auch behauptete Fahrkosten zu seinem Sohn seien nicht bedarfserhöhend zu berücksichtigen, weil er seinen Sohn im streitgegenständlichen Zeitraum gar nicht habe besuchen können.

Zur Durchführung eines Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil beantragt der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und legt zugleich Beschwerde ein; beide Verfahrenshandlungen hat der besondere Vertreter des Klägers genehmigt. Der Kläger trägt ua vor, die Bewilligung von Wohngeld sei später aufgehoben worden; ihm habe daher nicht das zur Existenzsicherung Notwendige zur Verfügung gestanden.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] iVm § 114 Zivilprozessordnung [ZPO]). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ), das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts ( BSG ), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers keiner mit Erfolg im Beschwerdeverfahren, verbunden auch mit einem möglichen Erfolg in der Hauptsache (vgl dazu nur BSG SozR 4-1500 § 73a Nr 2 mwN), geltend gemacht werden.

Es ist nicht ersichtlich, dass ein Rechtsanwalt mit Erfolg die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache rügen könnte. Insbesondere stellen sich angesichts der vollständigen Bedarfsdeckung des Klägers durch die ihm gewährte Erwerbsminderungsrente und das tatsächlich ausgezahlte Wohngeld keine Rechtsfragen, die einer Klärung durch das Revisionsgericht fähig oder bedürftig sind. Ob insbesondere unter Berücksichtigung der späteren Aufhebung der Wohngeldbewilligung die Entscheidung in der Sache richtig ist, kann dahingestellt bleiben, denn auch die - unterstellte - inhaltliche Unrichtigkeit einer Entscheidung vermag die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Für das Vorliegen einer Divergenz bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte.

Aber auch Verfahrensmängel sind nicht erkennbar, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen könnte. Insbesondere hat das LSG für den prozessunfähigen Kläger einen besonderen Vertreter bestellt (Beschluss vom 27.6.2018), der den Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vertreten und dessen Prozessführung zumindest konkludent genehmigt hat. Vor der Übertragung der Sache auf den Einzelrichter (§ 153 Abs 5 SGG ) ist der Kläger zwar nicht angehört worden, doch führt diese Gehörsverletzung - anders als in den Fällen des § 153 Abs 4 SGG ( BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 17; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13; BSG Urteil vom 8.11.2001 - B 11 AL 37/01 R; BSG Beschluss vom 17.11.2015 - B 1 KR 65/15 B) oder § 158 Satz 2 SGG ( BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 3; BSG Beschluss vom 2.7.2009 - B 14 AS 51/08 B - juris RdNr 11) - nicht zu einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank und damit auch nicht zu einem absoluten Revisionsgrund nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO . Denn die Sache kann durch Beschluss des Senats auf den Senat zurückübertragen werden, wenn sich erst nach der Übertragung auf den Berichterstatter wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage oder der nachträglich durchgeführten Anhörung erweist, dass die Sache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist oder grundsätzliche Bedeutung hat. Eine solche wesentliche Änderung der Prozesslage lag nach Aktenlage aber gerade nicht vor (vgl dazu nur BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 16 RdNr 17 mwN). Der durch seinen besonderen Vertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung wirksam vertreten gewesene Kläger hat eine Gehörsrüge nicht erhoben, sodass ein insoweit unterstellter Gehörsverstoß geheilt wäre (BVerwGE 110, 40 ).

Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die vom Kläger ohne zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf hat das LSG den Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160 Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 20.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 23 SO 355/15
Vorinstanz: SG Berlin, vom 05.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 90 SO 1437/12