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BSG - Entscheidung vom 19.06.2019

B 3 P 13/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 19.06.2019 - Aktenzeichen B 3 P 13/18 B

DRsp Nr. 2019/10409

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. August 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 16.8.2018 einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung von zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b Abs 1 und Abs 1a SGB XI (idF des Gesetzes vom 17.12.2014, BGBl I 2222 mit Wirkung bis zum 31.12.2016 - aF) in Höhe von 1040 Euro verneint: Die Klägerin habe keinen gesetzlichen Anspruch gegen die Beklagte aus der sozialen Pflegeversicherung. Auch Ansprüche aus einer Zusicherung (§ 34 SGB X ) bestünden nicht.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im og Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht formgerecht dargelegt hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam die Fragen,

"ob es zu einer Erstattung der niedrigschwelligen Entlastungsangebote kommen kann durch Firmen, die zwar keine Anerkennung hatten, jedoch hier Leistungen im Sinne des Gesetztes erbracht haben und eine Anerkennung im Jahr 2015 noch nicht möglich war, da hier der Gesetzgeber des Landes Brandenburg diese Regelung erst im Folgejahr mit der Verordnung vom 04.01.2016 neu geregelt hat",

"ob reguläre Pflegepersonen nicht Entlastungsleistungen im Sinne des § 45 SGB XI erbringen können als Inhaberin einer Firma."

Der Vortrag der Klägerin zu diesen Fragen genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung einer klärungsbedürftigen und -fähigen Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren. Es fehlt bereits an hinreichender Auseinandersetzung mit dem Gesetzeswortlaut vom § 45b SGB XI aF. Danach dient der Entlastungsbetrag der Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme ua von Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag iS von § 45a SGB XI (vgl § 45b Abs 1 S 6 Nr 4 SGB XI aF). Die Klägerin trägt selbst vor, dass hier im maßgeblichen Zeitraum eine landesrechtliche Anerkennung des Anbieters der Leistungen fehlte. Die vom LSG bindende Tatsachenfeststellung, nach der die og gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, stellt aber keinen Revisionszulassungsgrund dar. Insofern ist es unerheblich, dass nach dem Vortrag der Klägerin im Jahre 2015 eine Gesetzeslücke im Land Brandenburg vorgelegen habe. Auch darin liegt kein Vortrag, der der Beschwerde zum Erfolg verhelfen könnte. Landesrecht ist grundsätzlich nicht revisibel iS von § 162 SGG ; es unterliegt mithin nicht der revisionsrechtlichen Überprüfung. Im Übrigen stand nach der Rechtsansicht des LSG eine landesrechtliche Verordnung zur Verfügung, nach der eine Antragstellung des Leistungsanbieters auf landesrechtliche Anerkennung auch in 2015 möglich gewesen wäre.

Auch mit der zweiten Frage hat die Klägerin eine klärungsbedürftige- und fähige Rechtsfrage nicht aufgeworfen. Ungeachtet dessen, dass die Frage unpräzise gestellt worden ist, meint die Klägerin mit der Frage sinngemäß, dass das LSG ein "Verbot der Personenidentität" zwischen der Pflegeperson und der Firma, die niedrigschwellige Entlastungsleistungen erbringt, aufgestellt habe. Dieser Vortrag entspricht aber nicht den tragenden Gründen des LSG-Urteils, in denen vielmehr ausgeführt wird, dass nicht erkennbar gewesen sei, dass überhaupt Betreuungs- und Entlastungsleistungen erbracht worden seien, weil die Schwiegertochter als Pflegeperson nicht entlastet werde, wenn sie selbst die "Entlastungsleistungen" während eines identischen Zeitraums durchführe. Über ein vermeintliches "Verbot einer Personenidentität" in dem von der Klägerin verstandenen Sinn wäre daher im angestrebten Revisionsverfahren nicht zu entscheiden.

Der Senat kann schließlich offenlassen, ob die aufgeworfenen Fragen bereits deshalb nicht grundsätzlich klärungsbedürftig sind, weil sie altes, ausgelaufenes Recht (§ 45b SGB XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung) betreffen. Denn Rechtsfragen zum außer Kraft getretenen Recht sind grundsätzlich nicht klärungsbedürftig; es sei denn, dass noch eine erhebliche Anzahl von Fällen zu entscheiden sind, und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage liegt (stRspr vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Das hat die Klägerin aber nicht vorgetragen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 16.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 30 P 60/17
Vorinstanz: SG Cottbus, vom 23.08.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 16 P 44/16