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BSG - Entscheidung vom 30.07.2019

B 12 P 1/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 30.07.2019 - Aktenzeichen B 12 P 1/19 B

DRsp Nr. 2019/13178

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. März 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Erhebung des Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sozialen Pflegeversicherung gemäß § 55 Abs 3 S 1 SGB XI durch die beklagte Pflegekasse in der Zeit ihrer Kinderlosigkeit von Januar 2016 bis August 2017.

Die Klägerin ist aufgrund Beschäftigung in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Sie ist seit 2014 verheiratet. Am 3.6.2016 beantragte sie den Erlass bzw die Befreiung von dem Beitragszuschlag für Kinderlose in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI ab Januar 2016, da zu diesem Zeitpunkt bei ihr Sterilität diagnostiziert worden sei. Seit September 2017 entrichtet sie keinen Beitragszuschlag mehr, da sie Mutter geworden ist. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben ( SG -Urteil vom 7.2.2018; LSG-Beschluss vom 25.3.2019). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG.

II

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen LSG vom 25.3.2019 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9). Vorstehendes gilt auch für Beschlüsse des LSG nach § 153 Abs 4 S 1 SGG oder § 158 S 2 SGG (vgl § 153 Abs 4 S 3, § 158 S 3 SGG ).

1. Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 27.6.2019 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin wirft auf Seite 4 der Beschwerdebegründung die Frage auf,

"ob eine Erhebung des Beitragszuschlages nach § 55 Absatz 3 SGB XI von ungewollt kinderlosen Versicherten, indem die Kinderlosigkeit auf einer Behinderung beruht, und zudem kein Befreiungstatbestand es für diesen Fall gibt, zu einer Diskriminierung Schwerbehinderter und zu einer Ungleichbehandlung Schwerbehinderter gegen Verfassungsrecht nach Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 iVm. 3 Absatz 1 , 6 Absatz 1 , 20 Absatz 1 und 3 GG führt?"

Den bisherigen Entscheidungen des Senats zum Beitragszuschlag für Kinderlose vom 27.2.2008 ( B 12 P 2/07 R - BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2) und vom 5.5.2010 ( B 12 KR 14/09 R - SozR 4-3300 § 59 Nr 3) und des BVerfG zur Beitragsbemessung in der Pflegeversicherung und zum Beitragszuschlag für Kinderlose vom 3.4.2001 ( 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 ) seien keine Antworten auf die gestellte Frage zu entnehmen. § 55 Abs 3 SGB XI sei mit dem GG , konkret mit Art 6 Abs 1, Art 3 Abs 1 und 3 iVm Art 20 Abs 1 und 3 sowie Art 3 Abs 2 und 3 iVm Art 20 Abs 1 und 3 GG nicht vereinbar. Die ungewollte Kinderlosigkeit aufgrund eines direkten (körperlichen) Behinderungsleidens als Ursache sei in einem anderen Licht zu bewerten als die ungewollte Kinderlosigkeit bei einem schwerbehinderten Menschen, die nicht direkt auf einem (körperlichen) Behinderungsleiden beruhe. Bei einer Gegenüberstellung der Klägerin im Verhältnis zu einem Kinderlosen mit Behinderung, dessen Kinderlosigkeit nicht unmittelbar auf einem (körperlichen) Behinderungsleiden beruhe, sowie zu gewollt Kinderlosen, nicht behinderten oder behinderten Menschen zeige sich auch wertungsmäßig eine zumindest mittelbare Benachteiligung in Form der Erhebung des Beitragszuschlages, weil Personen wie die Klägerin gerade willens seien und insbesondere wirtschaftlich Kosten und Zeit aufwenden wollten, Kinder zu bekommen, um einen generativen Beitrag leisten zu können.

a) Es kann offenbleiben, ob die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der von ihr gestellten Frage hinreichend darlegt (vgl BSG Beschluss vom 6.12.2018 - B 12 P 2/18 B - Juris).

b) Jedenfalls legt die Klägerin die Klärungsfähigkeit der in den Raum gestellten Frage nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, weil ihre am 18.5.2018 eingelegte Berufung mangels Erreichens der Berufungssumme möglicherweise bereits unzulässig war, und daher eine Klärung ihrer in den Raum gestellten Frage in einem Revisionsverfahren ausgeschlossen wäre. An der Zulässigkeit der Berufung bestehen offenkundig Zweifel. Da die Klägerin seit September 2017 aufgrund Mutterschaft nicht mehr den Beitragszuschlag zu entrichten hat, kann ihr Begehren bei sachdienlicher Formulierung des Klageantrags (vgl § 106 Abs 1 SGG ) nur auf die Erstattung des von Januar 2016 bis einschließlich August 2017 entrichteten Beitragszuschlags für Kinderlose gerichtet sein. Da die Erstattung einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Zeitraum betrifft, weshalb § 144 Abs 1 S 2 SGG nicht einschlägig ist ( BSG Urteil vom 14.8.2008 - B 5 R 39/07 R - SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 10; vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 144 RdNr 22a), hätte die Klägerin darlegen müssen, inwieweit die den Beitragszuschlag für die Zeit vom 1.1.2016 (3.6.2016) bis zum 31.8.2017 betreffende Klage den Wert des Beschwerdegegenstandes von 750 Euro gemäß § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG übersteigen und inwieweit die Berufung zulässig gewesen sein soll.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 25.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 20 P 35/18
Vorinstanz: SG Bayreuth, vom 07.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 15 P 108/16