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BSG - Entscheidung vom 03.07.2019

B 13 R 9/19 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 03.07.2019 - Aktenzeichen B 13 R 9/19 BH

DRsp Nr. 2019/13148

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. März 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Der Kläger begehrt von dem beklagten RV-Träger die Zahlung einer Altersrente ab Dezember 2005 in Höhe von derzeit 933,06 Euro, zahlbar 14 Mal per anno.

Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger und lebt in Deutschland. Er war in beiden Ländern sozialversicherungspflichtig beschäftigt und bezieht eine Altersrente vom deutschen RV-Träger und eine Pension aus Österreich. Den geltend gemachten höheren Zahlbetrag der Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung leitet er aus der Anwendung von Art 4 und 5 VO (EG) 883/2004 ab. Würde er in Österreich leben, so seine Argumentation, hätte er Anspruch auf die österreichische Ausgleichszulage. Zwar könne diese nicht ins Ausland, also nach Deutschland exportiert werden. Er sei jedoch im Wege der Gleichstellung trotz des Wohnsitzes in Deutschland so zu behandeln, wie ein in Österreich lebender EU-Bürger. Daher habe der deutsche RV-Träger ihm Rente in einer Höhe zu zahlen, die dem Gesamtbetrag von Rente und Pension unter Einbeziehung der österreichischen Ausgleichszulage entspreche.

Die Beklagte hat dies abgelehnt. Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 7.12.2018 abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, der Kläger begehre eine Ausgleichszulage in Höhe von zuletzt 909,42 Euro ab Dezember 2005 abzüglich der gezahlten Altersrente und Pension. Das Bayerische LSG hat die Berufung des Klägers hiergegen unter Berücksichtigung des von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, gerichtet auf eine Altersrente von der Beklagten in der ausgangs benannten Höhe, durch Urteil vom 19.3.2019 (dem Kläger zugestellt am 30.3.2019) zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen.

Der Kläger hat am 19.4.2019 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beim BSG beantragt und am 29.4.2019 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übersandt. Er rügt ein unfaires Verfahren vor dem SG , weil dieses ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid geurteilt habe. Einem solchen Vorgehen sei er entgegengetreten. Zudem habe er nicht die Zahlung der Ausgleichszulage, sondern eine höhere deutsche Rente begehrt. Insoweit habe auch das LSG seine Klage nicht bearbeitet.

II

Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG ) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen.

Im Verfahren der als Rechtsmittel gegen das LSG-Urteil allein statthaften Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 160 , 160a SGG ) geht es nicht darum, ob die Entscheidung des LSG richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers vom 19.4.2019 nicht erkennbar.

1. Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ), denn sie wirft keine Rechtsfrage auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es im nationalen deutschen Recht an einer Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers fehle und aufgrund von Art 70 Abs 4 VO (EG) 883/2004 die Zahlung der österreichischen Ausgleichszulage an einen Wohnsitz in Österreich gebunden sei. Der EuGH hat dazu ausgeführt, es handele sich bei Art 70 VO (EG) 883/2004 um eine Kollisionsnorm, die gewährleiste, dass der zuständige Träger für die Zahlung der darin bezeichneten Leistungen bestimmt werden könne. Dabei lasse die Verordnung insgesamt, also auch die vom Kläger herangezogenen Art 4 und 5 der VO (EG) 883/2004, die nationalen Systeme unberührt. Die VO schaffe kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit, sondern solle nur die bestehenden Systeme koordinieren, was zu unterschiedlichen Leistungen gegen unterschiedliche Träger führen könne (EuGH in der Rs Brey vom 19.9.2013 - C-140/12 - SozR 4-6065 Art 4 Nr 4 RdNr 39 und 43). Neue Leistungsansprüche gegen einen Träger, die dessen System nicht vorsieht, werden durch das die nationalen Vorschriften ergänzende Unionsrecht nicht geschaffen.

2. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass eine Abweichung des Berufungsurteils von höchstrichterlicher Rechtsprechung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte.

3. Es sind auch keine Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) ersichtlich, auf denen die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen könnte.

Soweit der Kläger eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) rügt, weil das SG mittels Gerichtsbescheid geurteilt hat, benennt er bereits keinen Verfahrensfehler des LSG. Unabhängig davon sieht § 105 SGG für eine Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid nicht vor, dass die Beteiligten einem solchen Vorgehen zuvor zustimmen müssen; sie sind nur anzuhören. Ohne Zustimmung der Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung muss dann jedoch, wenn die Berufung zulässig ist, das LSG - zur Gewährleistung der grundsätzlich nach Art 6 Abs 1 EMRK garantierten mündlichen Verhandlung - aufgrund einer solchen entscheiden (§ 153 Abs 4 S 1 SGG ). So ist es hier geschehen.

Unabhängig davon, dass das SG möglicherweise von einem Begehren des Klägers ausgegangen ist, das seinem Ansinnen nicht gerecht geworden ist, denn der Kläger hat ausdrücklich erklärt, keine Ausgleichszulage vom deutschen RV-Träger zu beanspruchen, hat das LSG den Streitgegenstand insoweit nicht verfahrensfehlerhaft verkannt (Verstoß gegen § 123 SGG ). Es hat einen Anspruch des Klägers auf eine höhere Rente - so auch sein Ausgangsantrag beim RV-Träger - unter dem Aspekt der Gleichstellung nach Art 4 und 5 VO (EG) 883/2004, also als Anspruch auf eine auf europarechtlichen Regeln beruhende ergänzende Leistung des deutschen Trägers in Höhe der Ausgleichszulage geprüft. Soweit der Kläger mit dem Ergebnis dieser Prüfung nicht einverstanden ist, kann, wie oben dargelegt, die Nichtzulassungsbeschwerde hierauf nicht gestützt werden.

4. Da nach alledem die Bewilligung von PKH abzulehnen ist, entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das Gericht (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 19.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 14 R 753/18
Vorinstanz: SG München, vom 07.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 47 R 371/18