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BSG - Entscheidung vom 22.07.2019

B 12 R 5/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB IV § 7 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 22.07.2019 - Aktenzeichen B 12 R 5/19 B

DRsp Nr. 2019/12935

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Sozialversicherungsbeitragspflicht eines GmbH-Geschäftsführers Gesellschaftsrechtlich verankerte Rechtsmacht

Die für eine selbständige Tätigkeit notwendige Rechtsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein und daher sind außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH nicht zu berücksichtigen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. November 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 33 569,07 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB IV § 7 Abs. 1 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für (noch zwei) Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin.

Die klagende GmbH betreibt eine Vermögensverwaltung. Der Beigeladene zu 4. und seine (verstorbene) Ehefrau sowie der Beigeladene zu 5. waren im streitigen Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2012 Geschäftsführer und zugleich als Gesellschafter an der Klägerin beteiligt, der Beigeladene zu 4. und seine verstorbene Ehefrau mit jeweils 25 %, der Beigeladene zu 5. und sein Bruder mit jeweils 16,6 % und eine weitere Person mit 16,8 %. Die drei Geschäftsführer waren jeweils alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Schriftliche Geschäftsführeranstellungsverträge existierten nicht. Nach der Satzung der Klägerin wurde über die Gewinnverwendung mit einer 3/4-Mehrheit entschieden, im Übrigen galten die gesetzlichen Bestimmungen.

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung betreffend den Zeitraum vom 1.1.2009 bis 31.12.2012 forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge für die drei Geschäftsführer in Höhe von insgesamt 99 061,17 Euro (davon betreffend den Beigeladenen zu 4. und seine Ehefrau in Höhe von zusammen 33 569,07 Euro) von der Klägerin nach (Bescheid vom 14.3.2014; Widerspruchsbescheid vom 16.5.2015). Die dagegen gerichtete Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 8.3.2017 sowie des LSG vom 15.11.2018). Das Bayerische LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit komme es auch bei Familiengesellschaften entscheidend darauf an, ob ein GmbH-Geschäftsführer, der am Kapital der Gesellschaft beteiligt sei, die Rechtsmacht besitze, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Über eine solche Rechtsmacht verfügten die Geschäftsführer der Klägerin als Minderheiten-Gesellschafter nicht. Dass sie ggf eine Umlage an die Klägerin zurückbehalten könnten, sei nicht maßgebend, da ein solches Recht nicht im Gesellschaftsvertrag wurzele.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin hinsichtlich des Beigeladenen zu 4. und seiner verstorbenen Ehefrau mit ihrer Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG ). Die Klägerin hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) hinsichtlich beider von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen nicht hinreichend dargelegt.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin wirft zunächst die Frage auf:

"Unterliegt ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH aufgrund Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der Sozialversicherungspflicht, wenn er zwar aufgrund seiner Kapitalbeteiligung (da er gemäß Gesellschaftsvertrag weniger als 50% der Anteile an der GmbH hält) nicht in der Lage ist, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft bzw. der Gesellschafterversammlung zu verhindern, er jedoch in der Lage ist, aufgrund Gesellschafterbeschlusses ergangenen ihm nicht genehmen Weisungen durch Kündigung des zwischen ihm und der GmbH bestehenden Beratervertrages und damit durch Nichtzahlung von sog. 'Beratungsgebühren' entgegenzutreten ('Wirtschaftsmacht')?"

Zu dieser Frage fehlt es an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Die Klägerin erläutert schon nicht nachvollziehbar, inwiefern sich nach den Feststellungen des LSG aus den von ihr behaupteten "Beraterverträgen" eine außerhalb der Gesellschafterverträge begründete "Wirtschaftsmacht" ergeben soll.

Vor allem aber legt die Klägerin nicht schlüssig dar, dass diese Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des BSG noch nicht entschieden sei. Zwar zitiert sie Entscheidungen des Senats aus den Jahren 2016 und früher und behauptet (ohne dies allerdings plausibel herauszuarbeiten), diese beträfen durchgängig andere Sachverhaltskonstellationen. Mit der einschlägigen Rechtsprechung des Senats, dass für eine selbstständige Tätigkeit die notwendige Rechtsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein muss und daher außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH (unter Verweis insoweit auf Entscheidungen zu Konstellationen tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten infolge einer Bürgschaft, BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26, bzw eines der Gesellschaft gewährten Darlehens, BSG Urteil vom 8.8.1990 - 11 RAr 77/89 - SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17) nicht zu berücksichtigen sind (vgl BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35), setzt sich die Klägerin indes nicht auseinander. Sie legt nicht dar, weshalb diese Rechtsprechung gerade für ihren Fall nicht maßstabsbildend sein soll.

Im Übrigen legt die Klägerin nicht schlüssig dar, dass die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse Bedeutung erlange. Die Klägerin führt zwar aus, es seien all diejenigen Fälle betroffen, in denen eine "Wirtschaftsmacht" die "Rechtsmacht" entkräfte, zitiert jedoch an anderer Stelle ihren früheren Schriftsatz vom 12.11.2018, wonach die bestehende Wirtschaftsmacht ein "Spezifikum der hier vorliegenden Gesellschaft darstelle".

Die Klägerin wirft weiter die Frage auf:

"Kann der Aspekt des Vertrauensschutzes einer im Wege einer Betriebsprüfung geltend gemachten Beitragsnacherhebung für GmbH-Geschäftsführer in Familiengesellschaften entgegengehalten werden?"

Auch zu dieser Frage zeigt sie die Klärungsbedürftigkeit nicht auf. Anhand ihrer weiteren Ausführungen wird deutlich, dass sie Vertrauensschutz aus einer Betriebsprüfung für einen vorangegangenen Zeitraum, die offenbar nicht zum Ergebnis abhängiger Beschäftigung der Gesellschafter-Geschäftsführer geführt hatte, herleiten will. Die Klägerin macht geltend, dass höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu noch nicht existiere. Aus der Vorschrift des § 28p SGB IV ergebe sich keine Antwort auf die gestellte Rechtsfrage nach Vertrauensschutz aus Betriebsprüfungsergebnissen. Der Senat hat sich jedoch wiederholt - im Zusammenhang mit sog Beitragsnachforderungsfällen (vgl BSGE 47, 194 = SozR 2200 § 1399 Nr 11; BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2; BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 1) und sog Beitragserstattungsfällen (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341) - mit den "Rechtsfolgen" von Betriebsprüfungen befasst, bei denen es zunächst keine Beanstandungen gab, sich später jedoch herausstellte, dass die Versicherungs- und/oder Beitragspflicht von Mitarbeitern vom geprüften Arbeitgeber schon im Prüfzeitraum unzutreffend beurteilt wurden, dieses im Rahmen der Betriebsprüfung aber nicht aufgefallen war. Er vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) aus solchen Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte ("Bestands- oder Vertrauensschutz") herleiten können, weil Betriebsprüfungen unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten nur den Zweck haben, die Beitragsentrichtung zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern (vgl stellvertretend BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R - BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 24; vgl zuvor BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, RdNr 36, mwN [Nachforderungsfall]; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20 [Erstattungsfall]). Mit dieser umfangreichen Rechtsprechung setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Soweit sie anstelle dessen darauf verweist, dass Revisionen zum "Vertrauensschutz" (unter Verweis auf B 12 R 25/18 R) im Senat anhängig seien, verkennt sie, dass die dort aufgeworfene Frage des Vertrauensschutzes sich nicht auf vorangegangene Betriebsprüfungsbescheide bezieht, sondern vielmehr die Frage danach gestellt ist, ob Vertrauensschutz aus der früheren sog "Kopf- und Seele-Rechtsprechung" des BSG hergeleitet werden kann. Dies begründet die (erneute) Klärungsbedürftigkeit der Frage nach dem Vertrauensschutz in einen vorangegangenen Betriebsprüfungsbescheid nicht.

Im Übrigen ist allein durch Verweis auf das Aktenzeichen einer anhängigen Revision die - klärungsbedürftige - Frage danach, ob Vertrauensschutz aus früheren Rechtsprechungsmaßstäben abgeleitet werden kann, weder aufgeworfen noch dargelegt.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO .

4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 GKG in Höhe des Betrags der noch streitigen Beitragsforderung hinsichtlich des Beigeladenen zu 4. und seiner verstorbenen Ehefrau festzusetzen.

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 15.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 7 R 5060/17
Vorinstanz: SG Augsburg, vom 08.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 689/15