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BSG - Entscheidung vom 28.10.2019

B 13 R 200/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 28.10.2019 - Aktenzeichen B 13 R 200/18 B

DRsp Nr. 2019/17063

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Rüge der Verfassungswidrigkeit von Normen

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 31. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 31.5.2018 die Anrechnung der Verletztenrente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf dessen Altersrente für schwerbehinderte Menschen als rechtmäßig bestätigt. Die Beklagte sei bei der Berechnung des sog Grenzbetrags nach § 93 Abs 3 SGB VI zutreffend von dem Jahresarbeitsverdienst ausgegangen, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liege.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am 11.7.2018 zugestellten Urteil hat der Kläger fristgerecht Beschwerde beim BSG eingelegt. Nach gerichtlichem Hinweis vom 19.9.2018 auf den Ablauf der Begründungsfrist am 11.9.2018 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 25.9.2018 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat an Eides statt versichert, dass der Begründungsschriftsatz am 24.8.2018 gefertigt und am 30.8.2018 auf Anweisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts von dem Rechtsreferendar ausgefertigt und zur Post gegeben worden sei. In dem zugleich eingereichten Schriftsatz vom 24.8.2018 macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Der Kläger hat die zweimonatige Frist zur Beschwerdebegründung des § 160a Abs 2 Satz 1 SGG versäumt. Ob wegen der Fristversäumnis Wiedereinsetzung zu gewähren ist, bedarf keiner Entscheidung. Zur Begründung des Antrags nach § 67 SGG auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist muss glaubhaft gemacht werden, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Es kann hier dahinstehen, ob mit den Angaben des Prozessbevollmächtigten ein zuzurechnendes Organisationsverschulden hinreichend ausgeschlossen werden kann, selbst im Falle einer Wiedereinsetzung genügt die nachgeholte Begründung der Beschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen. Sie wäre unzulässig (dazu 2.).

2. Der in der Beschwerdebegründung vom 24.8.2018 allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) wird nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargelegt (§ 160 Abs 2 Satz 3 SGG ).

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4, jeweils mwN). Um die Klärungsbedürftigkeit aufzuzeigen, muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenkreis noch keine Entscheidung getroffen hat bzw dass sich aus der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Anhaltspunkte für dessen Beantwortung ergeben (vgl Senatsbeschluss vom 3.1.2011 - B 13 R 195/10 B - Juris RdNr 9). Auch und insbesondere zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG , im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - juris RdNr 16 mwN).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob die Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung verfassungsgemäß ist.

Hierzu trägt er vor, dass die Regelung gegen Art 3 Abs 1 GG und insbesondere gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, weil die Regelung auf den Verdienst im Beruf des Flugzeugbauers abstelle, den er zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn ausgeübt und bei dessen Ausübung er 1970 den Wegeunfall erlitten habe. Der Großteil seiner "Einzahlungen" in die Rentenkasse sei aber aufgrund der Tätigkeit als Dipl. Ingenieur erfolgt, sodass dieses Gehalt als Grundlage für den Jahresarbeitsverdienst für die Berechnung des Grenzwerts zugrunde zu legen sei. Der Grenzwert hätte dann entsprechend höher gelegen mit der Folge, dass eine Anrechnung nicht stattgefunden hätte; hierzu führt er ein Berechnungsbeispiel an. Im Erwerbsleben sei die Unfallrente neben dem höheren Ingenieurseinkommen ungekürzt gezahlt worden. Nunmehr werde er durch das geringere Renteneinkommen und die Anrechnung der Unfallrente doppelt benachteiligt. § 93 SGB VI benachteilige die Arbeitnehmer, die einen Arbeitsunfall am Anfang ihres Arbeitslebens erlitten hätten, gegenüber denjenigen, die einen Arbeitsunfall erst spät erlitten hätten.

Damit hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der Fragen nicht hinreichend aufgezeigt.

Anders als erforderlich setzt er sich nicht ansatzweise mit den Vorschriften zur Berechnung der Verletztenrente anhand des Jahresarbeitsverdiensts noch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Anrechnung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) auf eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung auseinander (vgl zu § 93 SGB VI und den Vorgängervorschriften des § 1278 RVO und § 55 AVG ua BVerfG - Dreierausschussbeschluss vom 19.1.1968 - 1 BvR 696/67 - juris; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 19.7.1984 - SozR 2200 § 1278 Nr 11; BSG Urteil vom 31.3.1998 - B 4 RA 49/96 R - BSGE 82, 83 -106 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7). Insbesondere fehlt jegliche Beschäftigung mit dem Sinn und Zweck des § 93 SGB VI als einer verfassungsgemäßen "Verhinderung einer Doppelversorgung durch funktionsgleiche Leistungen aus verschiedenen Versicherungszweigen" (vgl ua BSG Urteil vom 31.3.1998 - B 4 RA 49/96 R - aaO RdNr 40 ff) und dem Charakter der Verletztenrente als durch einen Arbeitsunfall veranlasste "abstrakt berechnete Verdienstausfallentschädigung" (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08; 1 BVR 593/08 - juris RdNr 38), mit der dasjenige Niveau an Einkommen aufrechterhalten werden soll, das der Versicherte bei Eintritt des Arbeitsunfalles aus jeweils in der UV versicherter abhängiger Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit hatte (vgl BSG Urteil vom 31.3.1998 - B 4 RA 49/96 R - aaO RdNr 43).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 31.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 12 R 33/17
Vorinstanz: SG Bremen, vom 19.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 14 R 383/13