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BSG - Entscheidung vom 27.08.2019

B 12 R 14/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 27.08.2019 - Aktenzeichen B 12 R 14/19 B

DRsp Nr. 2019/15253

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit einer Rechtsfrage Alternativbegründung einer Entscheidung Tatsachengrundlage der Vorinstanz

1. Eine Rechtsfrage ist nicht entscheidungserheblich, wenn diese Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann.2. Die Entscheidungserheblichkeit ist auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, weshalb sich die Darlegungen zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung auf die im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG festgestellten Tatsachen beziehen müssen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Februar 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8410,56 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten noch um eine Nachforderung von Beiträgen in Höhe von 8410,56 Euro zur gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) für das Jahr 2013.

Der Beigeladene zu 1. war seit 2003 privat krankenversichert. Seit 2004 ist er bei der klagenden GmbH beschäftigt und erhielt zuletzt ein Arbeitsentgelt von 3750 Euro monatlich zuzüglich vermögenswirksame Leistungen und eines auch privat zu nutzenden Firmenfahrzeugs. 2011 wurde für 2012 ein zusätzliches Entgelt von 250 Euro, für 2013 von 350 Euro monatlich vereinbart. Im Juli 2012 vereinbarten die Vertragsparteien die Stundung von 10 % des Arbeitsentgelts. 2012 wurde ein Bruttoarbeitsentgelt von 50 611,08 Euro, 2013 von 50 599,08 Euro ausgezahlt. 2017 zahlte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. im Rahmen einer gütlichen Einigung je weitere 2000 Euro für die Jahre 2012 und 2013.

Die beklagte DRV Bund forderte für den Beigeladenen zu 1. mit der Begründung Beiträge zur GKV und sPV ua für das Jahr 2013 nach, dass die Jahresarbeitsentgeltgrenze von 52 200 Euro nicht überschritten gewesen sei und deshalb Versicherungspflicht in der GKV und sPV bestanden habe (Betriebsprüfungsbescheid vom 13.12.2016, Widerspruchsbescheid vom 3.5.2017). Die gegen die Erhebung von Beiträgen für die Jahre 2012 und 2013 gerichtete Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des SG vom 27.6.2018). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die Festsetzung von Beiträgen für das Jahr 2012 aufgehoben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 18.2.2019). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG ).

Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - Juris RdNr 6 mwN). In der Beschwerdebegründung muss eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht formuliert werden ( BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Im Rahmen der Klärungsbedürftigkeit ist in der Beschwerdebegründung darzulegen, inwieweit sich weder aus den gesetzlichen Bestimmungen noch aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben. Schließlich ist im Rahmen der Klärungsfähigkeit darzulegen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist. Dies ist nicht der Fall, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 9g mwN). Dies ist auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, weshalb sich auch die Darlegungen zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung auf die im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG163 SGG ) festgestellten Tatsachen beziehen müssen. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin formuliert schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage, anhand derer der Senat die weiteren Voraussetzungen des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung prüfen soll. Selbst wenn man den auf S 6 der Beschwerdebegründung formulierten Satz, das LSG habe erst- und einmalig eine Entscheidung zum Ende der Versicherungsfreiheit in der GKV und sPV unter Berufung auf § 6 Abs 4 SGB V getroffen, als abstrakt-generelle Rechtsfrage unterstellen wollte, legt die Klägerin nicht hinreichend dar, inwiefern die Frage klärungsbedürftig ist. Sie macht geltend, das LSG habe § 6 Abs 4 SGB V in unzutreffender Weise angewandt, indem es Ende 2012 eine Prognose für 2014 verlangt habe. Das sei gesetzlich nicht vorgesehen. Damit legt sie nicht dar, dass das Gesetz oder die Rechtsprechung des BSG und des BVerfG keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage nach dem Beginn der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. bieten würde. Im Gegenteil macht sie geltend, dass sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz eine andere Rechtsfolge ergebe als das LSG angenommen habe. Sie behauptet damit die unrichtige Rechtsanwendung durch das LSG.

Im Übrigen fehlt es auch an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit der unterstellten Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren. Die Klägerin beanstandet die Anwendung des § 6 Abs 4 S 2 SGB V , legt aber nicht dar, inwiefern das angestrebte Revisionsverfahren ohne Anwendung dieser Vorschrift bzw unter Anwendung des § 6 Abs 1 Nr 1 , Abs 4 S 3, Abs 6 SGB V unter Berücksichtigung der vom LSG festgestellten Tatsachen zu einem anderen Ergebnis führen soll. Dazu hätte aber Anlass bestanden, nachdem das im Jahr 2012 und 2013 ausgezahlte Entgelt einschließlich der Vorteile durch vermögenswirksame Leistungen und die private Nutzung des Dienstfahrzeugs jeweils die Jahresarbeitsentgeltgrenze tatsächlich nicht überschritten hatte und nach den Feststellungen des LSG dazu Vereinbarungen zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags bestanden.

2. Die Klägerin bezeichnet auch den Zulassungsgrund der Divergenz nicht hinreichend. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Die Klägerin nimmt auf mehrere Urteile des BSG Bezug, ohne dass sie Rechtssätze aus diesen Entscheidungen einem Rechtssatz des LSG gegenüberstellt. Mit ihren Aussagen, das Urteil des LSG habe die Grundsätze des BSG zum Entstehungsprinzip außer Acht gelassen, rügt die Klägerin wiederum nur die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG, auf die die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden kann.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 , § 162 Abs 3 VwGO .

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 18.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 2 BA 21/18
Vorinstanz: SG Mainz, vom 27.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 248/17