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BSG - Entscheidung vom 25.07.2019

B 9 SB 31/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 118 Abs. 1 S. 1
ZPO § 412 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 25.07.2019 - Aktenzeichen B 9 SB 31/19 B

DRsp Nr. 2019/13168

Feststellung eines Grades der Behinderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Ungenügendes Sachverständigengutachten

Das Gutachten eines Sachverständigen ist ungenügend im Sinne des § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO , wenn es grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthält oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters gibt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Dezember 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 118 Abs. 1 S. 1; ZPO § 412 Abs. 1 ;

Gründe:

I

Die Kläger beansprucht in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 anstelle von bisher 40. Diesen Anspruch hat das LSG verneint (Urteil vom 5.12.2018). Das erstinstanzlich eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. Dreyer vom 29.3.2017 sei schlüssig und im Ergebnis überzeugend. Dies gelte insbesondere auch mit Blick auf die Bewertung der führenden Gesundheitsstörung "Seelische Störung, basierend auf Anpassungsstörungen sowie einem Abhängigkeitssyndrom durch Alkoholgebrauch," mit einem Einzel-GdB von 30. Auch die aktenkundig belegten Beeinträchtigungen des Klägers im Bereich der Schulter und der Knie rechtfertigten keinen höheren Gesamt-GdB als 40.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er rügt als Verfahrensmangel die unzureichende Sachaufklärung des LSG.

II

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 4.7.2019 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht in der hierfür erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der Kläger rügt, das LSG habe zu Unrecht seinen in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gestellten Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet abgelehnt. Dies ergebe sich aus der von ihm in der mündlichen Verhandlung verlesenen und zur Akte gereichten Schilderung seiner seelischen Leiden. Nach deren Kenntnis hätte sich das LSG nicht mehr nur auf die Einschätzung des Sachverständigen Dr. Dreyer stützen dürfen, weil die von ihm in der mündlichen Verhandlung geschilderten Probleme wesentlich über die von Dr. Dreyer in seinem Gutachten festgehaltenen "Dinge" eines "typischen Tagesablaufs" hinausgingen.

Mit diesem und seinem weiteren Beschwerdevorbringen hat der Kläger den Verfahrensmangel einer unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG nicht hinreichend aufgezeigt (zu den Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge s Senatsbeschluss vom 21.12.2017 - B 9 SB 70/17 B - Juris RdNr 4 mwN). Der Senat hat bereits Bedenken, ob der Kläger einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG (iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG , § 403 ZPO ) benannt hat. Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 29.1.2018 - B 9 V 39/17 B - Juris RdNr 11 mwN). Zweifelhaft ist hier insbesondere, ob der Kläger im Hinblick auf die von Dr. Dreyer bereits festgestellte "Seelische Störung, basierend auf Anpassungsstörungen sowie einem Abhängigkeitssyndrom durch Alkoholgebrauch" allein mit der persönlichen Schilderung seiner seelischen Leiden in der mündlichen Verhandlung die zu begutachtenden Punkte iS des § 403 ZPO hinreichend bestimmt bezeichnet hat. Jedenfalls hätte sich das LSG - ausgehend von seiner Rechtsansicht - nicht zu der beantragten weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen müssen. Der Sachverständige Dr. Dreyer hat zwar in seinem nervenärztlichen Fachgutachten vom 29.3.2017 auch den vom Kläger während der Begutachtung geschilderten "typischen Tagesablauf" wiedergeben, er hat seiner gutachtlichen Einschätzung, der das LSG gefolgt ist, tragend aber auch die einschlägigen aktenkundigen Arztberichte und seine eigenen Untersuchungsbefunde zugrunde gelegt. Mit diesen medizinischen Befunden setzt sich der Kläger nicht auseinander. Der Kläger behauptet auch nicht, dass er im Berufungsverfahren neue Befund- und Behandlungsberichte auf psychiatrischem Fachgebiet vorgelegt oder er sich in entsprechender (fach-)ärztlicher Behandlung befunden habe.

Eine Verpflichtung des LSG zu einer weiteren Beweiserhebung auf psychiatrischem Fachgebiet ergibt sich auch nicht deshalb, weil das Gutachten des Sachverständigen Dr. Dreyer "ungenügend" iS des § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthält oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters gibt (vgl Senatsbeschluss vom 21.8.2018 - B 9 V 9/18 B - Juris RdNr 11; Senatsbeschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B - Juris RdNr 13, jeweils mwN). Anhaltspunkte dafür sind vom Kläger nicht vorgetragen worden.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 05.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 SB 123/17
Vorinstanz: SG Augsburg, vom 12.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 17 SB 244/16