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BSG - Entscheidung vom 20.02.2019

B 2 U 242/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB X § 43

BSG, Beschluss vom 20.02.2019 - Aktenzeichen B 2 U 242/18 B

DRsp Nr. 2019/5689

Feststellung eines Arbeitsunfalls Umdeutung von Verwaltungsakten Bereits geklärte Rechtsfrage

Parallelentscheidung zu BSG B 2 U 241/18 B v. 20.02.2019

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 2018 - L 8 U 2267/17 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB X § 43 ;

Gründe:

Mit vorbezeichnetem Urteil hat das LSG Baden-Württemberg die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil vom 26.4.2017 - S 7 U 4035/13 - zurückgewiesen, mit dem das SG Heilbronn die Feststellung des Ereignisses vom 16.4.2009 als Arbeitsunfall abgelehnt hatte. Gegen das Berufungsurteil hat die Klägerin "Beschwerde" eingelegt, die "Bewilligung von Prozesskostenhilfe" (PKH) beantragt sowie Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Sie trägt vor, die Rechtssache habe "grundsätzlich Bedeutung", es liege ein "Verfahrensmangel" vor ("keine Ladung von Zeugen zur Gerichtsverhandlung mit Vereidigung") und "der Sachverhalt" sei "in keinster Weise geklärt".

1. Der PKH-Antrag ist indes abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1, § 121 Abs 1 ZPO ). Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder aufgezeigt worden noch nach Durchsicht der Akten aufgrund der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffs zu erblicken. Dagegen ist eine allgemeine Überprüfung des vorinstanzlichen Urteils in dem Sinne, ob das LSG unter Würdigung der Angaben der Klägerin richtig entschieden hat, im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft. Es ist nicht erkennbar, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägerin erfolgreich zu begründen.

a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Soweit das LSG erwogen bzw angenommen hat, der angefochtene Bescheid vom 27.8.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2013 sei ein konkludenter Zweit- bzw negativer Zugunstenbescheid (§ 44 SGB X ) oder jedenfalls in einen solchen umzudeuten (§ 43 SGB X ), werden damit von vornherein keine Rechtsfragen mit Breitenwirkung aufgeworfen, die fallübergreifende Relevanz haben könnten. Darüber hinaus ist höchstrichterlich bereits geklärt, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Umdeutung von Verwaltungsakten (§ 43 SGB X ) befugt sind (vgl nur BSG vom 13.5.2015 - B 6 KA 14/14 R - BSGE 119, 57 = SozR 4-2500 § 34 Nr 17, RdNr 49). Sonstige Rechtsfragen, die im og Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind weder erkennbar noch aufgezeigt.

b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat ( BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

c) Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Die auf die Vernehmung mehrerer Zeugen gerichteten und protokollierten Hilfsbeweisanträge der unvertretenen Klägerin zu ihrer angeblichen Beschäftigung bei der GiPaTex GmbH konnte das LSG ohne Verletzung seiner Sachaufklärungspflichten (§ 103 SGG ) übergehen. Denn es hat das Vorliegen eines Arbeitsunfalls schon deshalb tragend verneint, weil es nicht davon überzeugt ist, dass sich die Klägerin die durchgangsärztlich beschriebenen Verletzungen (ua eine Thoraxprellung) tatsächlich am 16.4.2009 auf dem Weg zur Arbeit zugezogen hat. Zudem hat das LSG festgestellt, die Klägerin sei bereits am 25.12.2008 und nochmals während des Arbeitsgerichtstermins am 5.3.2009 von allen (eventuellen) arbeitsvertraglichen Pflichten unwiderruflich freigestellt worden, so dass sie am 16.4.2009 keine versicherte Tätigkeit mehr ausgeübt habe, selbst wenn man eine Beschäftigung bei der GiPaTex GmbH als wahr unterstelle. Soweit die Klägerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung während der Begründung der Kostenentscheidung den Vorsitzenden des Berufungssenats wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, wie der Inhalt des angefochtenen Urteils beweist (§ 202 S 1 SGG iVm § 314 S 1 ZPO ), ging dieses Ablehnungsgesuch ins Leere, weil es erst nach Verkündung der instanzbeendenden Entscheidung angebracht worden ist (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 60 RdNr 11 mwN).

Da der Klägerin somit keine PKH zu bewilligen ist, hat sie nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.

2. Die von der Klägerin persönlich eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im angegriffenen Urteil des LSG Baden-Württemberg ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht eingelegt worden ist. Die Klägerin konnte, worauf sie in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden ist, die Beschwerde wirksam nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte einlegen lassen (§ 73 Abs 4 SGG ). Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG ).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 26.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 U 2267/17
Vorinstanz: SG Heilbronn, vom 26.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 U 4035/13